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Konzentration auf’s Wesentliche. Günter Rüger im Jahr 2005 bei der Probe zu „Was ihr wollt“ mit dem Regisseur und damaligen HOT-Intendanten Uwe Eric Laufenberg.

© PNN-Archiv

Kultur: Schauspieler zum Leuchten gebracht Zum Tode des Regisseurs und Schauspielers

Günter Rüger, der Potsdamer Theatergeschichte schrieb

Das Theater mit all seinen Facetten war sein Leben. In ihm stand er als Schauspieler auf der Bühne. Doch in erster Linie war er Regisseur. Der aus dem Sächsischen stammende Günter Rüger war eine Theaterinstitution in Potsdam, wie sie nur selten zu erleben ist. Fast 55 Jahre lang beherrschte er das Hans Otto Theater, ohne dass er herrscherliche Allüren an den Tag legte.

Die Schauspielerkollegen, die mit ihm zusammenarbeiteten, verehrten ihn, auch alle anderen Mitarbeiter des Theaters. Es war Verlass auf ihn und man fühlte sich künstlerisch bei ihm geborgen. Die Zuschauer bewunderten seine Regie-Kunst, die von unprätentiöser Meisterschaft geprägt war. Die Konzentration auf das Wesentliche des Theaters brachte die Schauspieler zum Leuchten, egal, ob es Schauspielschulabsolventen waren oder die mit allen Wassern gewaschenen „alten Hasen“.

Der 1926 in Leipzig Geborene ließ sich in seiner Heimatstadt zum Schauspieler und Regisseur ausbilden, anschließend ging er für kurze Zeit ins Engagement an das Theater der Generationen in Dresden. 1954 wurde das Potsdamer Hans Otto Theater seine nächste Station. Diesem Haus blieb er bis zu seiner Pensionierung und darüber hinaus treu. Noch in der letzten Inszenierung des Intendanten Uwe Eric Laufenberg vor sechs Jahren, in Anton Tschechows „Der Kirschgarten“, konnte er als alter Diener mit seiner Schauspielkunst berühren. Diese Rolle sollte auch seine letzte sein. Am Himmelfahrtstag, am 14. Mai, ist Günter Rüger nach langer Krankheit gestorben.

Als er vor 61 Jahren nach Potsdam kam, wurde das Hans Otto Theater von Ilse Weintraud-Rodenberg regiert. Unter ihrer Leitung wurde das „Tournee Ensemble“ gegründet, das mit seinen Inszenierungen fast täglich übers Land fuhr, um oftmals in widrigen Gasthöfen, Turnhallen oder Kulturhäusern märkischer Kleinstädte und Dörfer große Schauspiel- und Musiktheater-Kunst zu bieten. Man bemühte sich, das richtige Stück zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu zeigen.

Günter Rüger brachte als Regisseur mit den Schauspielerinnen und Schauspielern eine große Breite des damaligen Theaterrepertoires auf die Bühne: natürlich die großen Klassiker der Weltliteratur, auch die geforderten sowjetischen Stücke und neue DDR-Schauspiele. Das sollte sich dann im Haus in der Zimmerstraße fortsetzen. Obwohl Provisorium, entstanden dort wohl die einprägsamsten Potsdamer Inszenierungen. Die Intendanten Gerhard Meyer, Peter Kupke oder Gero Hammer konnten sich auf Regisseure wie Günter Rüger, Rolf Winkelgrund und Peter Brähmig verlassen. Die zumeist wunderbare Qualität ihrer Inszenierungen lobte man nicht nur in Potsdam, sondern auch weit über die Stadtgrenzen.

Mit Günter Rüger war ein Regisseur am Werke, der sich nicht selbst präsentierte, sondern das Stück ins Zentrum stellte. Natürlich wurden ihm Schauspiele von Shakespeare oder Schiller anvertraut, doch er liebte besonders das Kammerspiel, in dem er die innere, individuelle Welt des Menschen auszuleuchten verstand. Nicht nur der Reichtum der Figuren, sondern auch die Motive und Stimmungen der Stücke von Anton Tschechow („Der Kirschgarten“), Brendan Behan („Die Geisel“), Henrik Ibsen („Gespenster“) oder Alexander Wampilow („Letzten Sommer in Tschulimsk“) lagen ihm besonders.

Auch Komödien waren bei Rüger in besten Händen. Er suchte dabei nicht das augenzwinkernde Einvernehmen mit der ersten Zuschauerreihe, sondern wollte vor allem jenes Maß an Betroffenheit vermitteln, das die Komödie meist in sich birgt. Man denke an solch wunderbar poetischen Inszenierungen wie „Harold und Maude“ von Colin Higgins, an „Das Ballhaus“ von Steffen Mensching oder „Noch ist Polen nicht verloren“ von Jürgen Hofmann, an solch turbulent-komischen Aufführungen wie „Das sündige Dorf“ des Tschechen Jan Drda oder „Glücksritter“ des Briten Arthur Farquhar.

Übrigens hat Rüger auch Ausflüge in die Welt der Oper gemacht. Mit Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ und Puccinis „Gianni Schicci“ entstanden herrlich komödiantische Aufführungen, die aus der Musik heraus lebten. In all seinen Inszenierungen bewies er, dass man gute Stücke auf die Bühne bringen kann, ohne ihnen Gewalt anzutun, was heute nicht selbstverständlich ist.

Am Hans Otto Theater konnte Günter Rüger auf ein leistungskräftiges Schauspiel-Ensemble bauen, zu dem unter anderen Gertraud Kreißig, Gisela Leipert, Rita Feldmeier, Eva Weißenborn, Günther Ringe, Ulrich Anschütz, Hans-Jochen Röhrig oder Eckhard Becker gehörten. Sie schätzten den Regisseur Günter Rüger wohl auch darum, weil er sehr gut vorbereitet zu den Proben kam, dass er sie in kein starres Korsett zwängte, sondern dass er mit ihnen ein feines, aber reißfestes Netz von Verabredungen traf.

Weil der Schauspieler im Mittelpunkt seiner Inszenierungsarbeiten stand, konnte der Zuschauer zahlreiche großartige Theaterabende erleben, die bereicherten. Auch seine Darstellungskunst, die er in den letzten Jahren seines aktiven Theaterlebens auskosten durfte, war von leisem Humor und schöner Altersweisheit bestimmt. Und immer wieder wurde Günter Rüger für Film- und Fernsehrollen engagiert, die er ebenfalls wunderbar ausfüllte.

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