zum Hauptinhalt

Kultur: „Schauen Sie mir nicht in die Augen“

Carmen-Maja Antoni eröffnete neue Matinee der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Dass sie erst eine Nacht zuvor von ihrem aufsehenerregenden Teheran-Gastspiel zurückgekommen war, ist Carmen-Maja Antoni am Sonntagmorgen im Kaberett am Obelisk konditionell nicht anzumerken. Die bekannte Brecht-Darstellerin des Berliner Ensembles, die Moderator Claus Dobberke in eine Reihe mit Therese Giehse und Helene Weigel stellt, war auf dem 26. Internationalen Fadjr Theater Festival als fulminante Mutter Courage vom Teheraner Publikum begeistert gefeiert worden.

Noch immer euphorisiert von dieser im Vorfeld heftig angefeindeten Reise, berichtet sie als erster Gast der neuen Sonntagsmatinee der Rosa-Luxemburg-Stiftung hautnah und sehr persönlich von ihren Eindrücken aus Teheran. Zu Beginn ihres Reiseberichts verliest sie fast atemlos Berichte von Journalisten, mit denen sie sich vor Reisebeginn mit dem Land, das sie schon einmal vor sechs Jahren besucht hatte, erneut vertraut zu machen suchte. Auch die Anfeindungen des „Komitees gegen deutsche Kultur im Iran und anderswo“ und deren Auswirkungen – vier ihrer Kollegen traten von der Reise zurück und mussten kurzfristig umbesetzt werden – waren Teil ihrer überaus emotionalen und sehr berührenden Ausführungen.

Die 1945 in Berlin geborene Schauspielerin ist jedoch schon im Vorfeld überzeugt, dass diese Reise wichtig für die dort lebenden Menschen und auch für die Schauspieler selber ist. Und so nimmt sie die Strapazen und Schikanen eher gelassen auf. Erfindet sogar ihre eigene Kopfbedeckung – schwarzer Schleier aus Neukölln und Tabori-Mütze obendrauf - die sie genötigt ist, überall außerhalb des Hotelzimmers zu tragen. Und die einiges Aufsehen bei iranischen Frauen erregt. Viel Kreativität entwickelt sie auch mit ihren Schauspielerkollegen, um die überaus einengenden Vorschriften – Schauen Sie mir nicht in die Augen, geben Sie mir nicht die Hand! - der gestrengen islamischen Sittenwächter zu umgehen. Köstlich die Beschreibung und Vorführung der kleinen Szene, in der sie als Mutter Courage dem Feldprediger eigentlich die Hand auf“s Knie legen muss.

Doch in einem Land, in dem jeder öffentlichen Aufführung ein ritualisiertes „in the name of god“ vorangestellt wird, ist das undenkbar und die „Lösung“ , die die Courage erfindet, versteht das Teheraner Publikum sehr genau. Das nach der Aufführung minutenlang stehend Beifall klatscht und Carmen-Maja Antoni und ihren Kollegen den 1. Preis des Festivals zuerkennt. Voller Stolz über ihre „schönste Mission“ wickelt die Darstellerin am Ende ihres überaus offenen Berichts die schlichte Bronzeplastik aus einer bunten Wolldecke und verrät noch, dass sie sich von Regisseur Peymann erst die „Erlaubnis“ holte, diese zum ersten Mal öffentlich in Potsdam zu zeigen.

Das zahlreich erschienene Publikum dankte ihr nach mehr als 90 Minuten mit langanhaltendem Applaus. Und so kann man nach diesem vielversprechenden Auftakt durchaus gespannt sein, wie sich die neue Reihe im „Club Charlotte“ entwickeln wird. Deren Anliegen es ist, „Schauspieler als Identifikationsfiguren der Medienwelt“ mit selbst ausgewählten Texten vorzustellen und sie darüber ins Gespräch mit den Zuhörern kommen zu lassen, so Claus Dobberke, der zusammen mit Daniel Küchenmeister für das Konzept verantwortlich ist.

Nächste Folge am 20. April, um 11 Uhr mit Peter Sodann.

Astrid Priebs-Tröger

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false