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Der Lustgarten Potsdam von Franz, Pauline und Katja, 9 und 10 Jahre alt.

© Kunstschule

Kultur: Schätze aus dem Magazin

Gemalt, gedruckt, fotografiert, modelliert: Die Kunstschule Potsdam stellt im Alten Rathaus aus

„Projekt 0409“ heißt die aktuelle Ausstellung der Kunstschule Potsdam. So richtig vorstellen kann man sich unter diesem Titel nichts. Die Zahlen bedeuten jedoch nur, dass die Arbeiten in den letzten fünf Jahren entstanden sind. Mitten in der Stadt. Und das ist gut so. Denn seit fast achtzehn Jahren bietet die Babelsberger Institution Kunstkurse für Jung und Alt an. An die 150 000 kleine und große Menschen sind schon in den Räumen im Rathaus Babelsberg gewesen und haben gezeichnet, gemalt oder gedruckt, fotografiert oder mit Ton gearbeitet, Design entwickelt oder Plastiken modelliert. Statistisch gesehen war also jeder Potsdamer schon mindestens einmal dort.

Wie individuell, fantasievoll und berührend die dabei entstandenen Ergebnisse sind, kann der Besucher in der aktuellen Ausstellung im Alten Rathaus jetzt mit allen Sinnen erfahren. Wenn er sich einlässt auf die ganz unterschiedlichen Arbeiten zu Kulturlandthemen, die von „1000 Jahre Christianisierung Brandenburgs“ über „Provinz und Metropole“ bis hin zu „Wasser verbindet“ reichen. Oder von berühmten Potsdamern erzählen oder Architekturdenkmäler der Landeshauptstadt in den Blick nehmen.

Aber die wirklichen Schätze aus dem Magazin, das es so wegen Platzmangel gar nicht gibt, wie Kunstschulleiterin Thea Moritz sagt, sind kleine, ganz unspektakuläre Arbeiten. Eine Handvoll Kaltnadelradierungen, deren Motive von 5- und 6-jährigen Kindern in die Platten geritzt und von ihren Eltern gedruckt wurden. Paul Klee hat als erwachsener Maler versucht, diese Anmut von Kinderzeichnungen wieder zu erreichen. Wie wir wissen, vergeblich. Und deswegen sind gerade diese ausgestellten Arbeiten so ein großer Schatz. Aufbewahrt in einer der vielen Mappen, die sich in nahezu allen Winkeln und Ecken der Kunstschule befinden. Heute sind ihre Urheber möglicherweise schon doppelt so alt und können noch nicht ermessen, was sie damals produziert haben. Genauso berührend sind die Kohlezeichnungen einer nackten hochschwangeren Frau, die von Kindern im Alter von 8 bis 14 Jahren stammen.

Wie ausgeprägt der individuelle, der eigene künstlerische Blick und Ausdruck dabei ist, lässt sich besonders gut an diesen Blättern studieren. Obwohl alle das gleiche Modell sahen, ist die Schwangere sowohl lebensprall und -froh als auch bedrückt und belastet dargestellt. Auf einem Bild lächelt sie erwartungsvoll in die Welt, auf einem anderen blickt sie eher traurig drein. Und auch an vielen anderen Arbeiten, die beispielsweise die Königin Luise oder Generalfeldmarschall von Zitzewitz porträtieren, zeigen die Urheber diesen unbestechlichen, aufs Wesentliche konzentrierten Blick, von dem sich mancher Erwachsene durchaus etwas absehen kann. „Sehen lernen“ war auch die wunderbar einfühlsame Einführung zur Ausstellungseröffnung von Hanne Landbeck überschrieben. Sie lud kleine und große Menschen zu diesem genussvollen Erkenntnisvorgang in Potsdams Mitte ein, der solche gegenwärtigen Kunstschätze ungemein gut zu Gesicht stehen.

Astrid Priebs-Tröger

Die Ausstellung ist bis 19. Juli, Di bis So von 10 bis 18 Uhr im Alten Rathaus geöffnet. Morgen wird um 19 Uhr im Kunstraum in der Schiffbauergasse die Ausstellung „Demokratie hier: eins – entzweit und wiedervereint“ der Kunstschule Potsdam eröffnet. Die Ausstellung ist ein Projekt im Rahmen des Kulturland-Themenjahres 2009 „Freiheit. Gleichheit. Brandenburg. Demokratie und Demokratiebewegungen“.

Astrid Priebs-Tröger

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