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Kultur: Schablonenhaftes Chaos

Der Debütroman des Potsdamer Autors Patrick Weber „Der Bote des Jüngsten Gerichts“ verliert sich in Klischees

Von Sarah Kugler

Unerklärliche Morde, grausam zugerichtete Leichen und ein Land, das sich nur langsam von 30 Jahren Krieg erholt. Noch immer gibt es Konflikte zwischen den Religionen, die Hexenverfolgung erreicht ihren Höhepunkt und mittendrin versuchen einfache Menschen ihr tägliches Leben zu regeln. Das alles klingt nach einer guten Grundlage für einen spannenden historischen Roman. So dachte wohl der Potsdamer Autor Patrick Weber, der am kommenden Samstag im Zweitwohnsitz aus seinem Debütroman „Der Bote des Jüngsten Gerichts“ liest.

Weber siedelt seinen Roman kurz nach dem Ende des 30-jährigen Krieges an und lässt ihn zunächst wie einen düsteren Mystery-Thriller daherkommen. In fast filmisch orientierten wechselnden Sequenzen leitet er dabei die geheimnisvollen Morde ein, was durchaus Spannung steigert. Seine Krimigeschichte verwebt er schließlich mit der Geschichte einer Familie, die unschuldig in das Visier der Hexenverfolgung gerät.

So weit, so gut. Allerdings lässt er den Krimiplot irgendwo im Buch auf einmal fallen und widmet sich in Zeitsprüngen nur noch den Hintergrundgeschichten der einzelnen Charaktere, was irritierend ist. Überhaupt sind die Figuren ein großes Problem – denn sie haben kaum Charakter. Vielmehr hat Weber, der in Hamburg Film studierte, eine Schublade mit Klischees über seiner Geschichte ausgekippt – was die Lesefreude schon auf den ersten paar Seiten deutlich mindert.

Da ist etwa Gisbert von Gettenbach, Bürgermeister von Hochstadt, ein aufgeklärter gutmütiger Mann, der nicht an Teufel oder Hexen glaubt. Das mag auch daran liegen, dass seine erste Frau wegen Hexenverdacht auf dem Scheiterhaufen verbrannt ist. Warum er dann allerdings die hochreligiöse und ziemlich miesepetrige Agnesia heiratete, erschließt sich nicht wirklich. Schon gar nicht dann, wenn hier nicht von einer arrangierten Ehe oder auch Zweckheirat die Rede ist, sondern er sie angeblich wegen ihres „lieblichen Anblicks“ und des „feurigen Kampfes, den sie hatten, wenn sie das Bett teilten“ geheiratet hatte. Mal abgesehen, dass hier vorehelicher Sex impliziert wird, will gerade diese Beschreibung so gar nicht zu der giftigen Frau passen, die ihrer Rolle als böse Stiefmutter punktgenau entspricht. Dann ist da Elisabeth, eine schöne junge Frau, die früher mit den Jungen im Ort gespielt hat und sich nun langsam in ihr Bild als Frau einfinden muss. Natürlich ist sie naiv, fällt auf den bösen, aber irgendwie gutaussehenden Widersacher ihres Vaters herein, der sie kurzerhand im Schlaf vergewaltigt. Natürlich aus reinem Kalkül, schließlich will er ihren Vater auf dem Scheiterhaufen sehen – aus Rache für ein Missverständnis aus seiner Kindheit. So weit, so schlecht. Abgesehen davon, dass keiner der Charaktere interessant ist und die Geschichte vorhersehbar vor sich hinplätschert, könnte das Buch trotzdem als leichte Sommerlektüre dienen.

Leider begeht Weber aber den Fehler und versucht seinem Roman krampfhaft eine frühneuzeitliche Sprache aufzudrücken. In seinem Text wimmelt es nur so von klagenden Ruinen, mahnenden Bäumen, die Morgendämmerung frisst sich in das Schwarz der Nacht und der Regen wird mal eben zum schweren Nass. Zwischendurch wird das Wort „Hexengeschmeiß“ nahezu inflationär verwandt. Als ob das nicht genug wäre, hat Weber außerdem einen ganzen Katalog an abgedroschenen Redewendungen in „Der Bote des Jüngsten Gerichts“ verteilt. Von „nackt wie Gott sie schuf“, über „schweige wie ein Grab“ bis hin zu „eine Stimme wie ein Reibeisen“ ist alles dabei und nimmt dem Text sein letztes Fünkchen Originalität. Da hilft es auch nicht, dass Gustav Adolf und Graf Tilly einmal über die Seiten flitzen. Ja sogar die vielleicht einzige fetzige Idee – den Autor von Grimmelshausen und seine Simplicissimusfigur mit in die Geschichte einzuweben – verliert sich im schablonenhaften Chaos dieses Romans. Lesefreude fühlt sich definitiv anders an. Sarah Kugler

Patrick Weber liest am 9. April um 19.30 Uhr im Zweitwohnsitz, Geschwister-Scholl-Straße 89. Der Eintritt ist frei.

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