zum Hauptinhalt
Die Widersprüchlichkeit des Königs Friedrich II. Von Rainer Ehrt treffend ins Bild gefasst.

©  Ehrt

Kultur: Satirischer Blick auf Fritz und Preußen

„Friedrich, reloaded“ und „Preußischer Bilderbogen“ von Rainer Ehrt im Jubiläumsjahr

Sie lassen ihn nicht los. Auch nach 25 Jahren intensiver Beschäftigung nicht. Obwohl sich Rainer Ehrt an ihnen abgearbeitet hat, oft genug ihrer müde war. Doch nach all dieser Zeit gibt es immer wieder noch Neues zu entdecken. Und wenn Rainer Ehrt darüber spricht, mit wachsender Begeisterung und mit diesem feinen, stillen Humor, der Menschen auszeichnet, die vor allem auch über sich lachen können, dann spürt man Genugtuung und Freude darüber, dass er wohl auch in Zukunft nicht von ihnen lassen kann. Oder mit den Worten von Rainer Ehrt auf den Punkt gebracht: „Die Preußen sind noch nicht fertig mit mir.“

Für den Fall, dass schon jetzt, wo das Jubeljahr zum 300. Geburtstag des Preußenkönigs Friedrich II. doch gerade erst begonnen hat, jemand die Frage stellt, welches Buch denn in dieser Schar der Neuveröffentlichungen wirklich zu empfehlen sei. Ein Buch, das bei dem Neugier zu wecken vermag, der Preußen bisher eher für ein kaukasisches Linsengericht hielt, das dem Freude bereiten kann, der von Preußen und Friedrich nicht mehr hören möchte, weil er schon jetzt genug davon hat und das sogar den überraschen und bereichern kann, der sich immer wieder intensiv mit dieser Geschichte beschäftigt, dem kann schnell geantwortet werden mit dem Hinweis auf Rainer Ehrt und seinen „Preußischen Bilderbogen. Eine satirische Kulturgeschichte in Bildern und Texten“. Wer solchen euphorischen Ratschlägen grundsätzlich misstraut, dem sei dann ein Besuch der Ausstellung „Friedrich, reloaded“ empfohlen, die am heutigen Mittwoch im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur eröffnet wird und die 89 Bilder aus der Hand Ehrts umfasst.

Rainer Ehrt verliert nicht viele Worte über Preußen. Wenn doch, sind sie pointiert. Ehrt, 51 Jahre alt, Grafiker und Illustrator, wohnhaft in Kleinmachnow, lässt seine Bilder sprechen, gezeichnet mit der feinscharfen Feder der Satire.

Da steht Friedrich koboldhaft klein mit übergroßem, windgezausten Dreispitz vor seinem Schlösschen Sanssouci, das unter der Rokokopracht fast zusammenbricht. Da steht der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm wie Gulliver vor seinen riesenhaften Langen Kerls am Lustgarten. Nur ein lächerlicher Knilch. Da schwebt eine überladene Karavelle als „Luft-Schiff“ über einen burlesk bevölkerten Alten Markt, auf dem sogar ein Elefant tanzt, während das bekannte Reiterstandbild des Alten Fritzen an den Rand gedrängt dieses heillose Durcheinander überragt. Und dann wieder Friedrich mit dem viel zu großen Dreispitz mit verhärmt, verbittertem Gesicht vor der Statue eines nackten, Trauben verspeisenden Jünglings, während seine rechte Hand im Hosenstall verschwindet.

„Blut, Schweiß und Trauben im April“ hat Ehrt dieses Motiv genannt. „Seine sexuelle Identität ist ebenso umstritten und ambivalent wie der Rest des Kerls“, schreibt er dazu in seinem „Preußischen Bilderbogen“, die überarbeitete und erweiterte Neuauflage seines Bilderbogens aus dem Jahr 2001. Ein guter Freund habe über diese eindeutig zweideutige Darstellung wenig gute Worte verloren. „Aber das ist Satire“, sagt Ehrt.

Rainer Ehrt und Preußen, das ist auf künstlerischer Ebene eine besonders fruchtbare Verbindung. Was manche Autoren Seite für Seite darzustellen versuchen, das gelingt Ehrt auf einem einzigen Bild. Dieser Mann hat einen so klaren wie kritischen Blick und kann als einer der beständigsten Chronisten im Umgang mit dem preußischen Erbe gelten. Historisches überwölbt er gern mit Aktuellem und versteht es dabei immer wieder, einen zu überraschen. Wenn beispielsweise am Ende seines Bildbandes die Terrassen von Sanssouci zu sehen sind, das Schloss hoch oben zum „Residence Hotel“ umfunktioniert wurde und „Sanssouci Immobilien“ jede einzelnen Terrassenstufe als „exclusive Apartements“ verkauft, mit eigenem Parkplatz für die Luxuslimousine, erschreckt diese Vorstellung eher als dass man darüber lacht. Denn auch wenn es einem zu absurd erscheint, denn Ehrt spielt hier eher mit dem Horror des Möglichen als mit dem Spott des Unmöglichen.

Im zarten Alter von 12 Jahren hat Rainer Ehrts Auseinandersetzung mit Preußen im Allgemeinen und mit Potsdam im Besonderen begonnen. „Heißer Sommer des Jahres 1967, preußischblau dein Himmel über Potsdam, der sozialistischen Bezirksstadt, und Berlin, Hauptstadt der DDR; Wolkentupfen wie zerzauste Grenadierperücken; brüchig-galante Figuren en gros zwischen planvoll arrangierten Baumgruppen, Maulwurfshügeln, Papierkörben und Rasenkanten: Und ich hatte meinen Zeichenblock dabei. Vierzehn Tage war ich auf Entdeckungstour um die Potsdamer Schlösser“, schreibt Ehrt im „Preußischen Bilderbogen“. Eine Entdeckungstour, die bis heute anhält.

Nach seinem Studium an der Hochschule für Kunst und Design in Halle kam Ehrt 1988 nach Potsdam. Er begann, das von schnarchigen Postkartenmotiven geprägte Öffentlichkeitsbild mit eigens entworfener Schrift und zahlreichen Plakaten aufzubessern. Dass seine Entwürfe, in die er viel Zeit investiert hatte, im Wendejahr 89 auf Nimmerwiedersehen in den Schubladen verschwanden, entmutigte ihn nicht. Im Gegenteil, Rainer Ehrt hatte sein künstlerisches Thema gefunden. Aus der Schlösserschwärmerei des Zwölfjährigen ist mit den Jahren eine tiefe Auseinandersetzung mit der Geschichte Preußens, seinem wohl bekanntesten König Friedrich II. und die Nachwirkungen bis in unsere Zeit geworden. Und wir können uns glücklich schätzen, wenn der Chronist Rainer Ehrt hier immer wieder Neues für sich entdeckt. Hat man erst einmal seine Bilderkunst für sich entdeckt, diesen satiresatten, pointierten Blick, kann es sehr schnell heißen: Preußen und Friedrich? Aber gern, wenn Rainer Ehrt mit von der Partie ist!

„Friedrich, reloaded“ wird am heutigen Mittwoch um 17 Uhr im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur in der Dortustraße 36 eröffnet und kann bis zum 10. Februar, montags bis freitags, von 7 bis 18 Uhr besucht werden. „Preußischer Bilderbogen. Eine satirische Kulturgeschichte in Bildern und Texten“ ist im Parthas Verlag Berlin erschienen und kostet 29,90 Euro

Dirk Becker

Zur Startseite