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„Kabale und Liebe“ gehört zu den erfolgreichen Produktionen der vergangenen Spielzeit. 

© Thomas M. Jauk

Saisonbilanz des Hans Otto Theaters: „Von wegen sture Brandenburger“

Bettina Jahnke betrachtet ihre erste Spielzeit am Potsdamer Hans Otto Theater als künstlerisch und wirtschaftlich erfolgreich.

Potsdam - Die Intendantin des Hans Otto Theaters zeigt sich nach ihrer ersten Spielzeit zufrieden: „Sie ist künstlerisch und wirtschaftlich erfolgreich verlaufen“, sagte Bettina Jahnke am Mitwoch Interview Jahnkevor der Presse. „Mit einer Auslastung der Vorstellungen von rund 80 Prozent liegen wir zwei Prozent über dem Durchschnitt des Vorgänger-Teams um Tobias Wellemeyer“, so Jahnke. 

Die Besucherzahl sei zwar mit 103.000 Gästen um rund 10.000 geringer als in der vorherigen Saison ausgefallen, aber das läge an den äußeren Umständen. „Wir mussten erst einmal unser eigenes Repertoire aufbauen. Außerdem endet die Spielzeit aufgrund der Ferien zwei Wochen früher“, so Petra Kicherer, die ebenfalls neu ans Haus gekommene Geschäftsführerin. Kicherer bezeichnete es als fast sensationell, dass der Bestand der rund 1300 Abonnenten relativ konstant geblieben sei. „Bei einem Intendantenwechsel ist das ein riesiger Vertrauensvorschuss.“

Das erste Jahr als Blinddate

Das erste Jahr sei ein Blinddate gewesen: ein gegenseitiges Kennenlernen mit den eigenen Mitarbeitern und mit dem Publikum, beschreibt Bettina Jahnke ihren Einstieg. „Wir haben viel hinterfragt, verändert, Routinen aufgebrochen, uns erstmal viel mit uns selbst beschäftigt. Jetzt ist Altes und Neues gut verbunden, und es herrscht eine offene und kollegiale Stimmung“, so ihr Resümee. 

Auch über das Zusammengehen mit den Zuschauern zeigte sie sich erfreut. „Von wegen sturer Brandenburger: Wir erlebten eine am Austausch interessierte Stadtgesellschaft. Das Publikum reagierte auf unseren Start sehr offen und zeigte keinerlei Berührungsängste.“ Vor allem die Resonanz auf die Vor- und Nachgespräche sei groß gewesen. Als überdenkenswert hält die Intendantin die sehr hohe Schlagzahl von 23 Premieren pro Spielzeit. Im Ensemble gäbe es den Wunsch nach Entlastung. „Wir wollen nach Lösungen suchen, diese Premierendichte zu verringern, ohne Publikum zu verlieren. Die Work-Life-Balance und der Fachkräftemangel machen auch vor dem Theater nicht Halt.“

Moritz von Treuenfels als Rio Reiser.
Moritz von Treuenfels als Rio Reiser.

© Hans Ludwig Böhme

Eine große Bandbreite

Ästhetisch sei in der am Montag zu Ende gegangenen Spielzeit eine große Bandbreite erreicht worden: durch sehr unterschiedliche Regiehandschriften, die von dem Experiment „paradies.spielen“ über die spröde „Fräulein Smilla“ bis zur unterhaltsamen „Pension Schöller“ reichten. Als erfolgreichste Produktion erwies sich die Übernahme aus der Wellemeyer-Ära „Rio Reiser. König von Deutschland“, die nach 40 Vorstellungen auslief. 

Durch den Weggang des Rio-Schauspielers Moritz von Treuenfels konnte auch die erfolgreiche Seebühnen-Produktion „Queen’s Men“ nicht noch durch Zusatzvorstellungen ausgeweitet werden. „Für Moritz von Treuenfels beginnen bereits in Basel die nächsten Proben“, so Jahnke, die gern das Sommerangebot noch ausweiten und attraktiver gestalten würde: auch mit Gastronomie. „Doch bislang ist um 22.30 Uhr Schicht im Schacht. So will es die Lärmschutzordnung.“

Erfolgreiche Produktionen

Eines großen Besucherzuspruchs hätten sich auch „Der gute Mensch von Sezuan“, „In Zeiten des abnehmenden Lichtes“, „Kabale und Liebe“ sowie „Bartleby“ erfreut. „Die außergewöhnliche Uraufführung von ,Gehen oder Der 2. April’ konnte inhaltlich wie ästhetisch überzeugen, war aber leider von der Auslastung her im Großen Haus das schwächste Stück“, sagt Bettina Jahnke. Sie führte es auf den unbekannten Titel und Autor sowie auf das schwierige Thema Sterben zurück. „Dennoch werden wir auch in der kommenden Spielzeit weiter auf neue Autoren, mutige Regiehandschriften und herausfordernde Themen setzen. Die Reithalle wird nicht der alleinige Ort der Experimente bleiben“, so die Intendantin.

Ein Ausblick

„Mit ,Das achte Leben (Für Brilka)’ setzen wir gleich am 23. August zum Auftakt der neuen Spielzeit ein Ausrufezeichen.“ Die Regisseurin Konstanze Lauterbach bringt das 2014 erschienene Familienepos von Nino Haratischwili in einer eigenen Theaterfassung auf die Bühne. „Das Publikum hat Sehnsucht nach Figuren und Geschichten“, ist sich Bettina Jahnke sicher. Das sehe sie bei Inszenierungen wie „Jeder stirbt für sich allein“ von Fallada, die zu den sechs Übernahmen gehört.

Der gute Mensch von Sezuan von Bertolt Brecht mit Musik von Paul Dessau.
Der gute Mensch von Sezuan von Bertolt Brecht mit Musik von Paul Dessau.

© Thomas M. Jauk

Spagat sei nötig

Ein Stadttheater sei immer wieder ein Spagat: „Natürlich brauchen wir Publikumsmagneten, wie in der kommenden Spielzeit ,Cabaret’, um uns auch Produktionen wie die absurd-komische Geschichte ,Die Nashörner’ von Ionesco leisten zu können. Wir wollen die Massen abholen und versuchen, auch mit neuer Dramatik zu punkten, so wie mit dem Oststoff ,Wir sind auch nur ein Volk’ von Jurek Becker im Januar 2020.“ Durch die ständig ausverkauften Fontane-Lesungen von Hans-Jochen Röhrig wisse sie, wie sehr das Lokalkolorit bei den Potsdamern ziehe. 

Mit der neu gegründeten Bürgerbühne möchte das Theater verstärkt Sprachrohr der Potsdamer sein. „Aber ich kriege noch keine Lücken hin, um in die Stadt zu gehen. Wir müssen erst den Produktionsplan umdenken, um Freiräume zu schaffen und der Kunst wieder Luft zum Atmen zu geben. Die Theater sind sehr runtergespart.“

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