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Nähe für einen Moment. Prince Ofori tanzt mit Agnes Wrazidlo.

© promo

Kultur: Romantik und wortreicher Weltschmerz „3. eins“: Premiere von Oxymoron in der Arena

Die Liebe liebt das Wandern. So steht es in einem der berühmtesten Liebesgedichte aus deutscher Feder.

Die Liebe liebt das Wandern. So steht es in einem der berühmtesten Liebesgedichte aus deutscher Feder. Wilhelm Müller schrieb dies in der „Winterreise“, die Franz Schubert so kongenial vertonte. Dieses Motiv wurde in der neuen Produktion der Oxymoron Dance Company, die am Donnerstagabend in der Waschhaus Arena zur Premiere kam, immer wieder variiert. Und auch der Weltschmerz, der in Müllers romantischen Versen stets präsent ist, prägte von Anfang an den schwermütig-schönen Sound von Christoph Kozik, der die Inszenierung von Anja Kozik untermalte.

Agnes Wrazidlo, Melanie Straub, Prince Ofori und Timo Draheim tanzten und verkörperten die mehrfach wechselnden Paare, jedoch meistens Individuen, die auf sich selbst zurückgeworfen und einsam waren. Gleich zu Beginn der knapp einstündigen Aufführung sind die beiden Frauen jeweils an einer Hand und einem Fuß mit langen weißen Bändern verbunden. Doch diese elastische Verbindung bewirkt keine Verbundenheit, sondern wird der einen schnell zu eng, sodass sie sich bald daraus befreit und die andere mit den schlaffen „Fesseln“ zurücklässt.

Die HOT-Schauspielerin Melanie Straub, die zum ersten Mal mit der Company arbeitete, ist mit ihrer melancholisch-spröden Präsenz wie geschaffen für Anja Koziks jüngste Choreografie. Sie wird lange in den „Fesseln“ verharren und erst langsam aus den bedeutungsschweren Worten, die sie immer wieder einstreut, in ihren Körper finden. Aber dann ist es erstaunlich, wie dieser zu sprechen vermag und wie beinahe nahtlos sich die Schauspielerin in die Gruppe der Tänzer einfügt. Ihre anfangs schüchterne Kontaktaufnahme mit Timo Draheim steigert sich zu einem handfesten Austesten des anderen und endet in verspielt mutwilligem Gebalge.

Doch auch hier ist wie bei den anderen Paarungen nach kurzer Intensität und Reibung wieder jede und jeder allein.

Was versprachen nicht alles die Anfänge der Begegnungen zwischen Agnes Wrazidlo und Prince Ofori, doch Anja Kozik findet immer wieder anrührende Bilder, die das allgegenwärtige zwischenmenschliche Scheitern symbolisieren. Wie die, wenn die Frauen abgekämpft und ausgelaugt von den Beziehungskämpfen kopfüber vom hausartigen Klettergerüst hängen oder die Männer einsam am Boden liegen.

Andererseits gibt es gerade in diesem „Haus“ eine kurze, aber intensive Sequenz, in der Prince Ofori Agnes Wrazidlo buchstäblich auf Händen trägt und sie zu einer innigen Umarmung verschmelzen. Doch das ist nur ein kurzer Moment. Dann erobert der Song „Party Girl“ von Chinawoman die Bühne und der Weltschmerz greift sofort wieder.

Die wortreiche Sinnsuche traf jedoch den Nerv des überwiegend jugendlichen Premierenpublikums. Da war es egal, dass Vieles nur angerissen wurde, oder wie im Fall der unzähligen rund um die Tanzfläche mit Kreide auf den Boden geschriebenen Worte (Timo Draheim) kaum lesbar war und bald mutwillig zerstört wurde. Schön, wie dann die übrig gebliebenen Schriftfragmente die schwarzen Hosen der Tänzer zierten!

Aber es besteht auch die Gefahr, dass zu viele Worte von der vielschichtigen Körpersprache der Tänzer ablenken oder sogar Redundanzen hervorrufen. Und Anja Kozik sollte auch darauf achten, wie oft sie die gleichen Requisiten – Haus und Bänder – in ihren verschiedenen Inszenierungen benutzt. Wie gut, dass es am Ende noch die Passage mit den Tänzern und einer im Halbdunkel auf einer Slackline balancierenden Melanie Straub gab.

Astrid Priebs-Tröger

Am heutigen Samstag, 17. November, 20 Uhr, Waschhaus-Arena, Schiffbauergassse, Eintritt 6 Euro

Astrid Priebs-Tröger

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