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Rockhaus-Konzert in Potsdam: Nicht nur therapeutisch rocken

Rockhaus gehörten zum musikalischen DDR-Inventar. Zuletzt aber war die Band müde – eigentlich fühlten sie sich "too old to rock'n roll". Jetzt gibt es eine neue CD

Ein Foto ist schuld. Eigentlich war bei Rockhaus die Luft raus, die Tour sollte nur eine Best of-Tour werden. Dann aber sahen die Jungs die neuen Band-Bilder ihres Lieblingsfotografen Carsten Klick – und waren begeistert. Sie spürten: Es muss weiter gehen. In nur drei Monaten produzierten sie die neue Platte „Therapie“ mit elf neuen Songs. Und gehen damit jetzt auf Tour. In Potsdam sind sie heute Abend – für ein nicht nur therapeutisches Konzert.

Aufhören nach 37 Jahren – die Rockhaus-Jungs hatten sich damit fast schon abgefunden. „Die Luft war raus“, sagt Sänger und Frontmann Mike Kilian. Da hatte wohl auch das letzte Album von 2012 mit dem vielsagenden Titel „Treibstoff“ nicht helfen können. Sie verabredeten eine Pause – es wäre nicht die erste in der Band-Historie gewesen –, aber Manager Falco Richter war entsetzt: „Die Tour steht schon, was denkt ihr euch?“ Nun also kommt alles anders. Kilian machte eine Ansage: „Jungs, kramt euer Material zusammen, ihr habt zwei Wochen Zeit.“ Dann ging es sofort ins Studio. Rainer Oleak war wieder mit dabei, dieses Mal nicht nur als Produzent, sondern auch Arrangeur. Mit neuer Platte – der zehnten seit Bandgründung – und neuem Schwung geben jetzt sie 17 Konzerte im Osten der Republik, wo der harte Kern der Fangemeinde zu Hause ist.

Rockhaus gehörte zum besten musikalischen DDR-Inventar. Nach der Gründung 1978 verwandelten sich die Berliner schnell von der Ex-Schulband zur Boygroup des Ostens. Mit ihrer frechen und unkonventionellen Art brachten sie Pop und Neue Deutsche Welle in die Klubs, sangen von Disko in der U-Bahn und großen Gefühlen. Unvergessen die quietschbunten Plattencover, kleine Kunststücke im DDR-Grau. Unvergessen auch Kilians Bühnen-Schrei im Song „Ich – liebe – dich“.

Viel Kilian steckt auch im neuen Album, von ihm sind die meisten Ideen und Texte durch das Auswahlverfahren gerutscht – Zufall, sagt Kilian. „Da geht es nach dem Probehören dann Daumen hoch oder runter“, sagt er. Aber es sei trotzdem ein typisches Rockhaus-Album. Dem das Drama um die Entstehung durchaus etwas anzuhören ist. Es ist weniger schwer und rocklastig wie „Treibstoff“, sondern eher gefühlsbetont: In den Texten geht es um Sinn und Sinnsuche, um Inhalte und Orientierung, einen neuen Kurs. Es geht natürlich auch immer wieder um Beziehungen, Liebe und Vertrauen. Und sie packen das ganze Drama einer Liebesgeschichte in sieben Wochentage. Viel Gefühl – aber eben anders als früher. Oder doch nicht. Immer schon war ihnen Mainstream wurscht. „Wir produzieren nicht für das Radio sondern machen, was uns aus dem Herzen spricht. Wir sind keine 18 mehr“, sagt Mike Kilian.

Bei all dem Spaß klingt die Platte manchmal dennoch etwas nach Burnout: „Ich krieg das schon alleine hin, die Verrückten seid doch alle ihr“, heißt es da. Und: „Die Dinge laufen aus dem Ruder, heute hilft nur noch ein Wunder.“ Unterschwellig habe sich bestimmt auch der Schock über die erneute Krebserkrankung ihres Keyboarders Carsten Mohren auf die Arbeit am Album ausgewirkt. „Wir wussten zeitweise nicht, ob er wieder rauskommt aus dem Krankenhaus“, sagt Kilian mit leiser Stimme. In der wichtigsten, kreativsten Produktionsphase wurde ihr Keyboarder dann von Daniel Hassbecker würdig vertreten. Aber nun sei Carsten Mohren über den Berg und werde auch die Tour mitmachen. „Wir freuen uns immer, wenn wir sehen, wie Beathoven glücklich an seinen Keyboards steht“. Die Songs auf der neuen Platte sollen deshalb letztlich hoffnungsvoll sein, ausdrücken, dass es immer weitergeht. Aber grundsätzlich mag er seine Texte nicht gern erklären. Die Leute sollen selber darin entdecken, was für sie wichtig ist. Der Song „Kaleidoskop“, das haben Umfragen bei den Fans gezeigt, hat Hitpotenzial und ist bereits als Single, als EP, erschienen.

Neben den neuen Stücken wird im Konzert aber auch altes herausgekramt, aus den vergangenen Alben bis zu „Alles klar“ von 1985. Das wollen die Leute eben hören. Die meisten Konzertbesucher kennen Rockhaus aus ihrer Jugendzeit und sind so alt wie jetzt die Bandmitglieder, 40, 50 und älter. Und manche bringen heute ihre Kinder mit, sagt Kilian, die nachgewachsenen Fans, Quer-Entdecker, die mal schauen wollen, was diese Band so für Musik macht. Noch ein Grund, ihre Konzerte noch nicht zu bestuhlen, wie es so schön heißt. Dafür fühlen sie sich noch zu jung. Steffi Pyanoe

Rockhaus spielen am heutigen Freitag im Lindenpark, Stahnsdorfer Str. 76. Das Konzert beginnt um 21 Uhr, Karten kosten an der Abendkasse 26 Euro

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