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Lieblingsfarbe Gelb. Der Potsdamer Maler Olaf Thiede hat Italiensehnsucht.

© Andreas Klaer

"Reise in den Süden": Ausstellung vom Potsdamer Maler Olaf Thiede

Wer die Vielfalt abbilden will, muss zunächst das Wichtigste begreifen. Der Potsdamer Maler Olaf Thiede zeigt jetzt Bilder aus Italien und Frankreich, in deren Klarheit sich viel Atmosphäre findet.

Potsdam - Eine „Reise in den Süden“ ist versprochen, Bilder aus Italien, Frankreich und Tirol. Und dann erlaubt sich der Maler eine kleine Frechheit: Die ersten Bilder, die einem nach Betreten des Café Matschke begegnen, zeigen zwar südlich anmutende Szenen, aber es kommt einem doch irgendwie bekannt vor. „Meine Reise nach Süden beginnt hier, in Potsdam“, sagt Thiede und zeigt auf die Bilder vom Pfingstberg und dem Belvedere. Weil man auch in Potsdam Italien konnte. Zu sehen bis heute.

Thiede, 62, Grafiker, Maler und Buchautor aus Potsdam, ist es, neben dem Malen an sich, immer ein Anliegen, dieses Sehen neu ins Bewusstsein zu holen. Herauszufordern. Dem Abstumpfen durch neue Mediennutzung entgegenzuwirken. „Kinder können heute grade mal die Grundfarben unterscheiden“, klagt er. Die Differenzierung gehe verloren. Die Sensibilität für die Vielfalt und die Liebe zum Detail.

Das Belvedere auf dem Pfingstberg gemalt von Olaf Thiede,
Das Belvedere auf dem Pfingstberg gemalt von Olaf Thiede,

© Andreas Klaer

Dramatisch bis märchenhaft

Immer wieder malt Thiede seit Jahrzehnten seine Heimat und entdeckt in ihr diese überraschende Stimmungsvielfalt. Jetzt zeigt er Entdeckungen einer anderen Welt. „Überall ist es schön, aber in Italien kommt noch das Wetter und das Licht dazu“, sagt er. Mehrmals hat er in den vergangenen Jahren an Reisen des Freundeskreises Potsdam-Perugia teilgenommen. Außerdem war er in Tirol und an der Côte d’Azur. Als bekennender Nicht-Auto-Besitzer immer mit Bus und Bahn. Vor Ort lief er täglich seine Kilometer zum Objekt der Begierde, einem Blick auf eine Burg, eine Bergwand, eine Brücke, ein Feldrand. Immer die Malerkiste mit allem Zubehör hinter sich ziehend, mit Klappstuhl und Sonnenschirm. Es entstanden Zeichnungen und Malerei in Öl, auch Aquarelle. Pastell sei schwierig in der Hitze. Obwohl es – kleine Ironie – genau das perfekte Werkzeug für die Architekturbilder der kleinen Bergdörfer scheint. Die kreidig-samtige Oberfläche vermittelt die trockene Hitze, die man mit den menschenleeren Straßenfluchten und der verwinkelten, jahrhundertealten Architektur verbindet. Farben wie Licht, das die expressionistisch verfremdete Mauerwelt erwärmt.

Ganz anders seine vielen Zeichnungen. Andere Technik, andere Wirkung. Sauber, klar, aber auch dramatisch bis märchenhaft verträumt. Und etwas oldschool. Thiede lacht. „Deshalb mache ich das wieder. Ich will ganz bewusst weg von der Oberflächlichkeit.“ Die sieht er zunehmend auch in der Gegenwartskunst, die sich von jedem Realitätsbezug entfernt habe. Wie aber kann man abstrahieren, fragt Thiede, wenn man nicht mehr gegenständlich malen kann?

In Frankreich malte Olaf Thiede das Künstlerdorf Saint-Paul-de-Vence an der Côte d’Azur. Ein Hingucker, der mit wenigen Strichen auskommt. 
In Frankreich malte Olaf Thiede das Künstlerdorf Saint-Paul-de-Vence an der Côte d’Azur. Ein Hingucker, der mit wenigen Strichen auskommt. 

© Olaf Thiede

Der Zuschauer kann einsteigen

Für seine Zeichnungen besorgt er sich gelbes Papier. Das sei immer schwieriger zu finden, die Vielfalt verschwinde selbst im Künstlerbedarf. Kisten mit Pastellkreide, Stiften, Farbtuben schrumpfen von 200 Farbtönen zu 80. Ihm reicht das nicht. Vielleicht auch deshalb der Rückzug zu den Zeichnungen. Gelbes Papier also, erst das Gelb, sagt Thiede, macht den Unterschied. „Ohne Gelb ist alles nichts.“ Darauf zeichnet Thiede mit Schwarz und Weiß und lässt das Auge in der plastischen Welt von Bergwiesen bis zu Burgen wandern. Darüber wilde Himmelsfetzen. Oder im Hintergrund Tannendickicht, ein schwarzer Wald. Schraffur, man sieht keine Details, und trotzdem ahnt man Düsternis und Gefahr.

„Ich entscheide, was das Wesentliche ist und komponiere dann das Bild so, dass der Zuschauer einsteigen kann“, sagt er. Wenn die Bildaufteilung stimmt, und Thiede erklärt wieder einmal den Goldenen Schnitt, dann fühle sich der Betrachter – ganz unbewusst – in dem Bild sofort wohl. Das Bild „Blauer Saal“, eine Zimmerecke, taubenblaue Tapete, verspielter Fries und zwei verschieden große Türen, ergeben ein Ensemble, das man einfach gerne anschaut.

An anderen Stellen holte Thiede den Aquarellkasten raus. Für den Weinberg in sanftem, beinahe durchsichtigem Grün. Früh halb sieben, das musste sein. Und abends in der Stadt Rotwein und Pasta vor ihm auf dem Tisch, den Skizzenblock auf dem Schoß. Kirchen malen, 2000 Jahre alte römische Brücken, über die noch immer Autos fahren. Thiede malte in Florenz, Bologna und natürlich Perugia. An der Côte d’Azur malte er das Künstlerdorf Saint-Paul-de-Vence auf einer Bergkuppe, die Villa von Matisse, obwohl er den nicht unbedingt verehrt, und den Friedhof, auf dem Chagall begraben liegt.

Einen besonderen Platz haben die Bilder aus Venedig. Thiedes Sehnsuchtsort schon zu DDR-Zeiten. Man darf nur nicht im Sommer hinfahren, rät er. Im Herbst und Winter sei es zauberhaft. Thiede hat dort die „Geheimen Gärten“ gemalt, gerade weil man da nicht rein darf. Aber dem Grün, was über die Mauern wuchert und die verschlossenen Türen zwischen den Häuserfluchten, dem wohne eben ein ganz eigener, geheimnisvoller Reiz inne.

>>Im Galeriecafé Matschke, Alleestraße 10 noch bis zum 23. Februar.

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