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Regisseur Günter Reisch aus Potsdam: Ein Defa-Leben

Das Filmmuseum Potsdam hat das Buch von Günter Reisch "will Regisseur werden" herausgegeben. Der Filmemacher aus Potsdam konnte die Herausgabe seiner Autobiografie aber nicht mehr erleben.

Potsdam - Schon im jugendlichen Alter war Günter Reisch davon überzeugt, Regisseur zu werden. Am 24. November 1927 in Berlin geboren, lebte er ab 1934 mit seiner Familie in Potsdam. Als Soldat erlebte er die Schrecken des Zweiten Weltkrieges aus nächster Nähe, wurde aber schließlich 1948 Regieassistent in den drei Jahre zuvor gegründeten Defa-Filmstudios. Und seine Mentoren, die Filmregisseure Gerhard Lamprecht und Kurt Maetzig, waren von seinem Talent so überzeugt, dass sie ihm rieten, beim Film zu bleiben. Lamprecht verdanke er seine Grundeinsichten in Sachen Film und Maetzig habe ihm die Kenntnisse der Regie vermittelt. „Er war mein Film-Professor“ schreibt Günter Reisch in seinem Buch „ will Regisseur werden“.

Das Filmmuseum Potsdam, das die umfangreiche Privatsammlung Reischs übernahm und betreut, fungiert als Herausgeber. Der Regisseur musste sein Erinnerungsbuch als Fragment zurücklassen, denn er starb 86-jährig am 24. Februar 2014. Seine Frau, Beate Reisch, und Filmmuseums-Mitarbeiter Peter Warnecke ergänzten das Manuskript und haben es sensibel zu Ende geführt.

Er rückte deutsche Geschichte in den Mittelpunkt

Wie jede gute Autobiografie ist auch Günter Reischs Buch die Betrachtung eines Zeitalters mit den Augen einer Persönlichkeit, die diese Jahre nicht nur erlebte, sondern auch gestaltete. Ohne Frage war Reisch einer der wichtigsten Filmregisseure der Defa. Von ihren Anfangsjahren bis zu ihrem Finale Anfang der 90er-Jahre war er in den Babelsberger Filmstudios tätig. Von den rund 700 Spielfilmen, die in den 45 Jahren DDR-Film-Geschichte entstanden, stammen von ihm 18 Regiearbeiten. Das Schreiben etlicher Drehbücher kommt noch hinzu. Seine Filme beschäftigten sich mit Themen der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts sowie den Tücken des DDR-Alltags. Die große Form des Dramas beherrschte er genau so souverän wie das liebenswürdige Kammerspiel. Man denke nur an „Anton der Zauberer“, „Die Verlobte“, „Wolz – Leben und Verklärung eines deutschen Anarchisten“ oder „Wie die Alten sungen“.

Von der Ideenfindung und dem Verfassen des Drehbuches über das Casting, den Produktionsbedingungen, dem Umgang mit SED-Zensoren bis zu den Filmpremieren wird in dem Buch detailliert erzählt. Es entpuppt sich dabei als spannendes Dokument, das DDR-Filmgeschichte lebendig werden lässt, natürlich immer mit den ganz persönlichen Sichten und Einsichten des Autors. Andere Filmemacher haben sich jedoch gegenüber der DDR-Kulturpolitik kritischer geäußert – etwa Regisseur Frank Beyer in seiner Autobiografie „Wenn der Wind sich dreht“ (2001).

Erfahrung mit SED-Zensur

Doch auch Reisch hatte Ärger mit den SED-Oberen einzustecken. Mit ihnen führte er so manch kleinliche und peinliche Debatte über seine Filme, vor allem über seine heiter gefärbten, von kritisch-skeptischen Tönen jedoch nicht freien Bilder des real existierenden Sozialismus. So machte der Regisseur 1955/56 Zensur-Erfahrungen bei seinem ersten eigenen Spielfilm „Junges Gemüse“, von dem Funktionäre durch die satirische Machart arg überfordert waren. Der Streifen musste mehrfach verändert und nachsynchronisiert werden. Und bei einer Diskussion der Aufführung von „Anton der Zauberer“ (197/78) haben junge SED-Kader in der Parteischule in Kleinmachnow die Schelmengeschichte aus dem Sozialismus scharf kritisiert, denn sie zeigt einen Handwerker, der in der Mangelwirtschaft auch Organisator sein muss, einen Schieber, der in der Haft Aktivist wird, einen Lebemann, der dem Sozialismus dient.

Interessant sind auch jene Passagen in Reischs Autobiografie, in denen er über Auseinandersetzungen mit Michael Tschesno-Hell erzählt, dem parteigestrengen Drehbuchautor. Der wollte mit den prestigeträchtigen Liebknecht-Filmbiografien „Solange Leben in mir ist“ und „Trotz alledem“ sich ganz der aktuellen SED-Geschichtsbetrachtung unterwerfen, revolutionäre Helden als Denkmäler zeigen. Doch Reisch wollte eher einen Blick in das Innenleben der Protagonisten werfen, den der Autor ablehnte. Auch über die jegliches Engagement hemmende Bürokratie in der ehemaligen Sowjetunion, in der Co-Produktionen zwischen der russischen Mosfilm und der Defa realisiert wurden, berichtet das Buch ausführlich.

Tief mit der DDR verwurzelt

Die Lektüre macht deutlich, dass Günter Reisch in der DDR tief verwurzelt war. Er gehörte zu den Künstlern, die die Widersprüche zwischen Anspruch und Wirklichkeit des DDR-Sozialismus zwar offenlegten, um die Entwicklung voranzutreiben. Doch den DDR-Staat stellte er nicht infrage. Den Bau der Mauer im Jahre 1961 befürwortete Reisch, Biermanns scharfe Auseinandersetzungen mit der Parteidiktatur im Osten Deutschlands während eines Konzerts in Köln befürwortete er nicht. Gegen die Ausbürgerung des Liedermachers aus der DDR gab es von ihm keinen öffentlichen Protest. Im Buch erscheint er, fast 40 Jahre später. Auch die Ausreise von jungen Künstlern aus der DDR in die Bundesrepublik, beispielsweise von Andrea Lüdke, Hauptdarstellerin in „Wie die Alten sungen“, war Günter Reisch völlig unverständlich. Von der Parteidisziplin wollte und konnte er sich wohl nicht freimachen.

Der Regisseur, der nach 1990 an verschiedenen Hochschulen jungen Leuten seine Erfahrungen weitergab, hat mit der Autobiografie „ will Regisseur werden“ einen intensiven Einblick in die DDR-Filmgeschichte geliefert. Wer über sie mehr wissen und mitreden will, dem sei das Buch empfohlen. Schon allein die umfangreiche Fotoauswahl ist ein Hingucker.

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