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Regisseur Dario Aguirre im Thalia-Kino Babelsberg.

© Manfred Thomas

Regisseur Dario Aguirre im Potsdamer Thalia: Der lange Weg zum Visum

Dario Aguirre erzählt in dem Dokumentarfilm „Im Land meiner Kinder“, wie er endlich in Deutschland ankommt.

Von Birte Förster

Potsdam - Sprachlos, mit fragender Miene sitzt Dario Aguirre an einem Tisch, gebeugt über einen Haufen Formulare. In teils langen Einstellungen tauchen solche Szenen immer wieder auf. Es ist Sinnbild für das endlose Verwirrspiel mit der deutschen Bürokratie. Aguirre, der aus Ecuador stammt und der Liebe wegen nach Deutschland ausgewandert ist, ringt um die Einbürgerung. Schließlich wird er deutscher Staatsbürger. Aber bis dahin ist es ein langer Weg. Diesen schildert der Regisseur in seinem sehr persönlichen Dokumentarfilm „Im Land meiner Kinder“, den er am Mittwochabend beim Filmgespräch im Babelsberger Thalia-Kino vorstellt.

Nachdem er seine Freundin Stephanie während ihres Auslandsjahres in Ecuador kennengelernt hat, folgt er ihr 1999, im Alter von 20 Jahren, nach Deutschland. In den Jahren danach habe er eine lange „Visumskarriere“ hingelegt, erzählt Aguirre. Mal geht die Aufenthaltserlaubnis über sechs Monate, mal über ein Jahr. Nach der Hochzeit mit seiner Freundin sind es immerhin drei Jahre. Und dann kommt irgendwann der entscheidende Brief: 2011 erhält Aguirre, der mit seiner Frau und inzwischen zwei Kindern in Hamburg lebt, vom damaligen Bürgermeister Olaf Scholz die Einladung, Deutscher zu werden. Mit dem Brief sei ihm auch die Idee gekommen, aus dem Projekt Einbürgerung einen Film zu machen, erzählt Aguirre. Das habe das ganze Verfahren allerdings zusätzlich in die Länge gezogen.

Regisseur Dario Aguirre und  Moderation Christiane Niewald im Gespräch. 
Regisseur Dario Aguirre und  Moderation Christiane Niewald im Gespräch. 

© Manfred Thomas

Es ist das ewig unsichere Dasein, das Feststecken zwischen zwei Ländern, das darin deutlich wird. Mit der Nachricht aus dem Rathaus eröffnet sich für Aguirre die Aussicht auf eine langfristige Perspektive. Aber vorerst muss er es noch mit den deutschen Behörden aufnehmen. Viel Zeit verbringt Aguirre am Küchentisch, diverse Zettel darauf ausgebreitet, wie in dem Film zu sehen ist. Fast immer mit dabei ist seine Frau. Sie brüten über den Unterlagen, Stephanie übersetzt einzelne Passagen ins Spanische. Dazu kommen längere Telefonate mit seinem Vater in Ecuador und seinen Schwiegereltern im sächsischen Zittau. 

„Interessant war für mich zu sehen, wie viele Menschen involviert sind“, sagt der Regisseur im Gespräch. Es sei ein „Einbürgerungsprozess für alle“. Es geht um diverse Gehaltsnachweise, Geburtsorte seiner Eltern und den Hochzeitstag seiner Schwiegereltern. Es sei schwierig für ihn gewesen, ihm nahestehende Menschen nach ihren persönlichen Daten zu fragen, erzählt Aguirre. Als „Eingriff in das private Leben“ habe er die Fragen der Behörden empfunden. Im Film ist auch zu sehen, wie er in der Telefonwarteschleife der Ausländerbehörde hängt. Oder diverse Dokumente unterschreiben muss: Hier eine Loyalitätserklärung gegenüber der Verfassung, dort eine Akteneinsicht bestätigen.

Regisseur Dario Aguirre im Gespräch mit  Regisseur Rainer Simon.
Regisseur Dario Aguirre im Gespräch mit  Regisseur Rainer Simon.

© Manfred Thomas

Erstaunlich ist, wie Aguirre es schafft, trotz all dem nicht zu klagen. Den ganzen Prozess betrachtet er im Film vielmehr aus einer ironischen Distanz. Der Bürokratiemarathon wird von kurzen, humorvollen Sequenzen durchbrochen: In farbenfroher Kleidung, mit Gitarre und lateinamerikanisch anmutender Melodie singt er: „Ich bin Ausländer und spreche nicht gut Deutsch.“ Außerdem setzt er sich mit den Themen Identität und Integration auseinander sowie mit den hiesigen Gepflogenheiten. In einer langen Einstellung ist eine Reihe Mülltonnen in unterschiedlichen Farben zu sehen: Mülltrennung als Kuriosum.

Zurück in sein Heimatland zu gehen, kam für ihn trotz all der Schwierigkeiten nie infrage, „weil mein Leben hier schon aufgebaut war“, sagt der heute 40-Jährige. Und dann kommt das Jahr 2016: Aguirre steht mit vielen anderen Einwanderern in einem Saal im Hamburger Rathaus und bekommt von Olaf Scholz die Einbürgerungsurkunde überreicht. Als er den Pass in den Händen hielt, habe er das erste Mal das Gefühl gehabt, hier gelandet zu sein, erzählt er. Zu wissen, „dass meine Stimme auch zählt“.

Das Gefühl des Ankommens hätten aber vor allem seine beiden Kinder besiegelt, sagt er dann. Obwohl sie in dem Dokumentarfilm erst spät eine Rolle spielen, hat Aguirre ihnen den Titel des Films gewidmet. Schließlich sei mit ihnen seine Perspektive in Deutschland verbunden, sagt er. „Ein Zukunftsbild.“

>>Der Film läuft heute, Samstag, Montag und Dienstag, jeweils um 13.45 Uhr, sowie Sonntag um 14 Uhr im Thalia-Kino, Rudolf-Breitscheid-Straße 50

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