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Redemaschinen: "Hamlet ist tot" im DT

Der Himmel ist in Ewald Palmetshofers "Hamlet ist tot" eine Maschine, die an die Weltbewohner Zahlen vergibt. Und der Mensch eine winzige Nummer.

Nicht nur Hamlet ist tot. Auch Gott natürlich. Immerhin, der Himmel ist noch da, allerdings ist er in Ewald Palmetshofers „Hamlet ist tot. Keine Schwerkraft“ eine Maschine, die an die Weltbewohner Zahlen vergibt. Fragen von kosmischer Weite – und der Mensch eine winzige Nummer. Palmetshofer, der es mit diesem gefeierten und viel gespielten Stück bis zu den Mühlheimer Theatertagen brachte, hat aber nicht nur Theologie, sondern auch Theaterwissenschaft studiert, weshalb eben nicht nur vom Himmel, sondern auch vom „Diskursdreck“ die Rede ist. Und die Figuren, während sie an den üblichen Eltern-, Geschwister- oder Paarkonflikten herumdramatisieren, „metamäßig“ ihre eigenen Dialoge kommentieren oder mit Diskurstheaterstatuarik ins Publikum glotzen.

Das Geschwisterpaar Mani und Dani, das zum Geburtstag der Oma an dem Tag nach Hause kommt, an dem ihr Bekannter „Hannes“ beerdigt wird. Das Jungehepaar Bine und Oli, inzwischen entfremdete Freunde aus Schultagen, das ihnen „zufällig“ über den Friedhofsweg läuft. Mutter Caro, die Oma die Treppe hinunterstolpern lassen möchte, oder Vater Kurt, der wohl ein Verhältnis mit – ach, egal: Sind das Figuren? Oder im Jelinek’schen Sinne bewegliche Aufhängevorrichtungen für Redeweisen; Ständer, an die man den Hausfrauenhysteriejargon oder den Ich- bin-einsam-durchschaue-aber-alles-Jungmännersprech einhaken kann? Sagt der Autor doch: Der Mensch ist eine Konventionsnummer. Und Palmetshofer ein feiner Stimmenimitator.

Auch das Stück ist also eine Maschine, eine fein konstruierte und gut geölte, die alles Mögliche aus der sogenannten Wirklichkeit in ihr Getriebe reißt, dort zerschreddert, um es als Nebel der Verunsicherung wieder auszuspucken. Mit „feinstofflicher“ Ironie glitzert auch der goldene Vorhang, den Rimma Starodubzeva dem Regisseur Alexander Riemenschneider in die Box des Deutschen Theaters gehängt hat. Davor führen Barbara Schnitzler und Helmut Mooshammer als Elternpaar und vier Schauspielschüler der „Ernst Busch“ Palmetshofers Geometrien der Unbehaustheit mit einem Irrwitz der Verzweiflung auf: Antonia Bill, die als vereinsamte Dani die Geschichte ihres Verlassenwerdens in eine tolle Theorie der Unendlichkeit verpackt und durch ihre gefasste Akkuratesse der Wut etwas Schneidendes gibt. Moritz Gottwalds Mani, der sich über das Du-musst-im-Moment-leben-Gerede des „guten Freundes“ Oli (Christian Löber) erregt und in der Verachtung für den anderen auch eine Berauschung an der eigenen Analysefähigkeit durchscheinen lässt.

Inkonsequent ist allerdings, dass Palmetshofer am Ende alle Fragen beantwortet, die der Text zuvor offengelassen hat. Was nun der Tod des ominösen „Hannes“ mit unser dysfunktionalen Familie zu tun hat? Die Lösung dieses und aller weiteren Rätsel in der letzten halben Stunde wäre nicht nötig gewesen.

Wieder am 12. und 15. Dezember.

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