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Kultur: Raus aus dem Hamsterrad

Uraufführung am Hans Otto Theater II: „Der Zufriedene“ von Katharina Schlender

Zum Abschluss des Premeierenreigens, gelangte zu ungewohnt später Stunde am Sonntagabend, das neue Stück „Der Zufriedene“ der Berliner Autorin Katharina Schlender in der Regie von Sebastian Wirnitzer zur Potsdamer Uraufführung.

„Der Zufriedene“ beschäftigt sich wie die beiden „Vorbilder“ Faust und Die Satanischen Verse mit den sogenannten großen Menschheitsfragen: „Was ist Glück?“ und „Darf Zufriedenheit das Ideal der Menschheit sein?“ sind nur zwei davon. Die „Versuchsanordnung“ in Schlenders Stück, diese durchzuspielen, ist alltäglich und überhöht zugleich.

Kurt Gromann (Christian Klischat), Mitte 40 und augenscheinlich ohne Erwerbsarbeit, ist dennoch mit sich und seinem Dasein im Reinen. Anders als sein Freund Sebastian (Henrik Schubert) hat er keine unerfüllbaren Wünsche und Sehnsüchte. Er nimmt sehr direkt und lebensfroh, was er kriegen kann, ganz gleich, ob es sich dabei um die tägliche Suppe oder um die Gefühle von Frauen (Jennipher Antoni, Friederike Walke) handelt. Seine „Grundbedürfnisse“ werden erfüllt und er unternimmt keinerlei Anstrengungen, nach den sogenannten „höheren“ Zielen zu streben.

Das ist nicht nur ungewöhnlich sondern wirkt nachgerade verstörend in einer Zeit, in der sich alles nur noch um das „Schneller, Weiter, Höher“ zu drehen scheint. In Katharina Schlenders Stück wird jedoch einiges „getan“, um die Seelenruhe der Hauptfigur zu stören. Nicht nur Motivationstrainer (Michael Scherf) und Psychologen (Phillip Mauritz) versuchen, ihn mit diversen „Spielchen“ aus der Reserve zu locken und seinen Seelenfrieden zu zerstören. Meistens Fehlanzeige. Stattdessen ist Gromann eines Tages einfach verschwunden.

Zu diesem realen Geschehen gesellt sich eine fantastische Ebene. Ein Clown im Zebrastreifenjackett (Peter Wagner) bricht und kommentiert die lockere Szenenfolge immer wieder und die schöne Geschichte von einem verliebten Zebra bildet eine poetische Klammer. Die braucht es auch, denn sonst wäre man schnell in einer der allgegenwärtigen Arbeitslosendokusoaps des Privatfernsehens gelandet.

Doch gerade das ist nicht die Absicht der Autorin. Sie stellt – explizit in einem für das Programmheft geschriebenen Text – die Frage nach den wenigstens auf dem Theater zu denkenden (gesellschaftlichen) Utopien. Und versucht, selbst einprägsame Bilder und Szenen zu finden. Das gelingt ihr und der um Situationskomik bemühten Inszenierung in einigen durchaus berührenden Momenten. Auch knappe pointierte Dialoge lassen viel vom Talent der Kleist-Förderpreisträgerin aufscheinen. Christian Klischat, als überaus sympathischer und im Wortsinn bodenständiger Antiheld Kurt, vollzieht vor aller Augen eine märchenhafte Metamorphose. Dieses Zebra geht seinen Weg, hat das Hamsterrad des modernen Lebens verlassen und steht fest auf der Erde. Das ist ein starkes und nachhaltiges Bild. Seine „Weggefährten“ hingegen, rennen, zappeln und brüllen immer weiter oder sind längst durch“s grobmaschige Netz gefallen. Das blitzt in den schlaglichtartigen Szenen zumeist kurz auf, lässt aber kaum „Reibung“ unter den Protagonisten selbst als auch wenig Nachhall bei den Zuschauern entstehen.

Auch wortreiche Monologe und Kommentare erhöhen nicht unbedingt das Vertrauen in die um Originalität ringende Geschichte. Die wirklich interessant wird, als der „Zufriedene“ plötzlich von der Bildfläche verschwindet. Und ganz zum Schluss mit dem schönen Karussellbild (Bühne und Kostüme: Vinzenz Gertler) deutlich ins Allgemeine zielt. Die immer wieder die „richtigen“ Fragen stellt, aber dem selbst gestellten Anspruch leider doch nicht ganz gerecht wird.

Langanhaltender freundlicher Beifall zu vorgerückter Stunde war der Lohn für eine geschlossene und engagierte Ensembleleistung.

Nächste Vorstellungen am 9. und 17. 4., 19.30 Uhr

Astrid Priebs-Tröger

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