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Kultur: Raus aus dem Elfenbeinturm

Der Essayband „Makom“ wurde im Thalia-Kino präsentiert

Wie kann man Dinge, mit denen man sich wissenschaftlich beschäftigt, für andere transparent und nachvollziehbar machen? Das fragten sich im Frühjahr vergangenen Jahres vier Absolventinnen des 2001 gegründeten Graduiertenkollegs „Makom. Ort und Orte im Judentum“, das vom Studiengang Jüdische Studien an der Universität Potsdam initiiert und sechs Jahre lang von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Land Brandenburg gefördert wurde. Fast 40 Dissertationen und drei Habilitationsvorhaben konnten in dieser Zeit umgesetzt werden.

Das Besondere an ihnen und am Studiengang insgesamt war und ist die Interdisziplinarität. Sprach- und Literaturwissenschaftler, Historiker, Religions- und Politikwissenschaftler sowie Kulturtheoretiker, Pädagogen und Künstler standen zum Überthema „jüdische Orte“, die nicht nur als Orte im eigentlichen Sinne aufzufassen sind, im Diskurs. Viele Konvergenzen und „Vernetzungen“ waren das Resultat dieses mehrjährigen und intensiven Prozesses. Die frischgebackenen Herausgeber Michal Kümper, Barbara Rösch, Ulrike Schneider und Helen Thein haben in dem im Frühjahr 2007 erschienenen Essayband „Makom – Orte und Räume im Judentum“ mehr als zwanzig dieser „Denkergebnisse“ versammelt.

Literaturwissenschaftlerin Lydia Fritzlar kreist in ihrem Essay beispielsweise um den Begriff der Diaspora im Schreiben Heinrich Heines. Ines Sonder, Mitarbeiterin am Moses Mendelssohn Zentrum, geht der Frage nach, ob es eine jüdische Gartenstadt gibt. Und die freie Journalistin Helen Thein beschäftigt sich unter dem Schlagwort „Ortlosigkeit“ mit Simone Weils Konzept der „Einwurzelung im Ortlosen“. Dabei will der auch grafisch ansprechend gestaltete Sammelband – jeder Autor hatte zu seinem Thema auch ein Bild beizusteuern – „kein Produkt aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm“ und für den „normalen“ Leser interessant sein, wie die Herausgeber in der manchmal dann doch zu akademisch wirkenden Präsentation am Mittwochabend im Thalia einhellig betonten.

Dass er dieses Versprechen durchaus einlösen kann, wurde vor allem bei der Kostprobe aus dem Essay „Utopie“ von Hannah-Lotte Lund über den Mythos der legendären jüdischen Berliner Salons der Rahel von Varnhagen und von Henriette Hertz mehr als deutlich. „Salonlöwen und andere Windbeutel“, so der Untertitel, bestach durch den lockeren Sprachgestus, die aktuellen Zeitbezüge und besonders durch die ironischen Anspielungen. Von vielen „Aha-Erlebnissen“ während ihrer Lektüre sprach dann auch eine Leserin aus dem Publikum, das die angebotene Chance zum Gespräch mit den Akteuren öffentlich jedoch nicht nutzte.

Aber wahrscheinlich muss sich der interessierte Leser erst einmal selbst an einen geeigneten Ort zurückziehen, um sich auf den anspruchsvollen Stoff einlassen zu können. Die kommende Winterzeit bietet jedenfalls Gelegenheit dazu.

Und die Möglichkeit zum Gespräch besteht auch Ende Januar, wenn „Makom“ – was im Hebräischen sowohl „Stelle, an der man sich gerade befindet“ bedeutet und nicht zuletzt einer der 70 Gottesnamen ist – in der Brandenburgischen Landeszentrale für Politische Bildung nochmals präsentiert wird. Hoffentlich wieder mit der musikalischen Begleitung des Duos „Rimonim“ und den Liedtexten von Mottel Schuscha.

Astrid Priebs-Tröger

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