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Kultur: Raum für den Flug der Gedanken

Der Kunstverein zeigt Fotos von Maria Hümmer

Es sind flüchtige Eindrücke, die Maria Hümmer mit ihrer Kamera festhält. Streifen vor himmelblauem Hintergrund, fallende Balken und Linien. Die Bilder muten an wie freie Kompositionen, sind aber doch abbildende Fotos. Gegenstände sind nicht zu erkennen, das Dargestellte nähert sich der abstrakten Fotografie. Der Betrachter meint Spuren einer Landschaft zu entdecken. Bäume, die sich in Vertikalen auflösen, Flecken, die vielleicht die Erinnerungen an Häuser beherbergen.

„Die Bilder sind nicht mit Photoshop oder einem anderen Programm bearbeitet“, erklärt der Laudator Donat Schober. Zwar wirken die ausgestellten Landschaftsfotografien wie ein Ergebnis eines längeren Bearbeitungsprozesses, aber tatsächlich entstehen sie unmittelbar in der Kamera von Maria Hümmer. Es sei ein Zufall gewesen, der sie zu dem fotografischen Stil geführt habe, den sie in der Ausstellung im Potsdamer Kunstverein e.V. zeigt, sagt Hümmer. Eine Bewegung, ein Verwackeln und dann der genaue Blick auf das entstandene Bild hätten ihr die Schönheit der Unschärfe des Abgebildeten vor Augen geführt. Was so eigentlich nebenbei und gar nicht geplant entstand, hat die 1979 geborene Fotografin zum Ausgangspunkt ihrer Kunst gemacht. Mit ihren Bildern nähert sie sich dem Thema der Landschaft, auch wenn die auf den ausgestellten Bildern nur noch zu erahnen ist. Hummer studierte zunächst Textil- und Flächendesign, wandte sich nach Ausflügen in Werbung und Innenarchitektur der experimentellen Fotografie zu.

„Möglich geworden sind diese Bilder erst durch die digitale Fotografie“, erklärt Schober. Denn die spezielle Glätte des Dargestellten, in der sich alle markanten und erkennbaren Punkte der Landschaft verflüchtigen, sei durch eine Farbfilmfotografie so überhaupt nicht zu erreichen gewesen. Häufig seien See- oder Küstenlandschaften Ausgangspunkt ihrer Aufnahmen, sagt Hümmer. „Meine Fotos sind emotionale Tagebücher“, erklärt sie den Entstehungsprozess. Auch wenn die Details oder die erkennbaren örtlichen Bezüge aus den Fotos gelöscht sind, erinnere sie sich doch ganz genau, wo und wann die einzelnen Aufnahmen entstanden sind. Der Betrachter hat diesen Bezug nicht, sondern schaut auf Landschaften, über denen eine Watteschicht zu liegen scheint, in der ihm sich kein konkreter Anhaltspunkt bietet. Hümmer beziehe sich mit ihren Bildern auf die Tradition der deutschen Romantik, meint der Laudator, also auf Caspar David Friedrich, Philipp Otto Runge. Auch William Turner und Friedrich Schinkel seien nicht weit. Gerade wegen ihrer Unschärfe ließen die Bilder erheblichen Interpretationsspielraum, ließen Raum für den Flug der Gedanken.

Die Landschaft hat die Deutschen schon von jeher umgetrieben. Gerade die Romantiker entwickelten ein romantisches Landschaftsbild, das im Meer und der Weite einen Spiegel der Seele sah, den mit der real erfahrbaren und häufig verwüsteten Landschaft nur noch wenig verband. Auch andere Fotografen haben schon mit der Unschärfe experimentiert. Als die digitale Fotografie ihren Siegeszug antrat, experimentierten heute sehr bekannte Fotokünstler mit Pornobildern, die in der gebotenen Unschärfe dann auch in Galerien ausstellbar waren. Hier war die Unschärfe das Mittel der Wahl, um ein Sujet auf Podest zu heben, das ansonsten eher im Verborgenen blüht. Das kann man von der Landschaft allerdings nicht sagen. Landschaftsdarstellungen in Malerei, Foto und Installation sind Legion. Ihrer jeweiligen Spezifika beraubt, stellt sich die Frage, was an Stelle des Besonderen und Markanten der jeweiligen Landschaftserscheinung tritt, danach, wo das spezielle Interesse der Künstlerin an der Landschaft und der festgehaltenen Aufnahme liegt. Maria Hümmers ausgestellte Fotografien beantworten diese Frage eher nicht. Sei eröffnen einen beliebigen Assoziationsraum.R. Rabensaat

Maria Hümmer: Landschaftsfotografien, bis 20. Februar zu sehen in der Guten Stube des Potsdamer Kunstvereins, Charlottenstraße 121

R. Rabensaat

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