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Kultur: Rätselhafte Schattenseiten faszinierten

Schaurig-schöne Geschichten im T-Werk

Zwei knackende Holzfeuer vorm Eingang, ein imposanter Drachenkopf im Foyer und ein weißer Engel vor der Probebühne begrüßten am Samstagabend die kleinen und großen Besucher des T-Werks. Auf zwei Bühnen konnten diese bis kurz vor Mitternacht sieben verschiedenen Aufführungen beiwohnen, die sich um zwielichtige Gestalten, unerhörte Begebenheiten und phantastische Traumgestalten drehten.

Christian Morgenstern, Johann Wolfgang von Goethe, Carl Maria von Weber, Edgar Allan Poe und Miyazawa Kenji lieferten die literarischen Vorlagen dazu. Mit ihren schaurig-schönen Geschichten um die Suche nach dem Galgenberg, dem teuflischen Freikugelgießen oder einem trunksüchtigen Katzenmörder. Allesamt rührten sie an das Dunkle, Unbewusste und Verdrängte, begaben sich in die Abgründe der menschlichen Seele. Und: Dieses Schattenhafte, meist Verborgene und Verbotene fasziniert. Immer wieder. Kinder lesen es begierig unter der Bettdecke, Erwachsene geben es nach den entsprechenden Stimulanzien und oft hinter vorgehaltener Hand weiter. Im T-Werk konnten Junge und Alte ihren Gruselleidenschaften gemeinsam frönen und taten es auch ausgiebig. Wie beispielsweise die 10-Jährige, die nach der Lesung der mysteriösen Poe“schen Mordsgeschichte noch unbedingt zum Berliner Papiertheater INVISIUS wollte, um den „Freischütz“ zu erleben. Hoffentlich ließ sich die Mutter erweichen!

Das Potsdamer Theater Nadi machte sich seine Zweisprachigkeit einmal mehr zunutze und gab das japanische Märchen vom „Gasthaus mit den vielen Aufträgen“ zum Besten. Steffen Findeisen und Noriko Seki lasen die groteske Mär um zwei ahnungslose Großstädter, die sich während einer Jagd in den Bergen verirren und in einem ominösen Gasthaus mit vielen rätselhaft beschrifteten Türen landen, abwechselnd in deutsch und japanisch. Das gab dem Ganzen zusätzlich etwas Geheimnisvolles, doch leider konnte Findeisen beim Lesen Seki nicht das Wasser reichen; sein Part wirkte seltsam blass.

Die Berliner, Timo Sturm und Uwe Steinmetz, hatten sich für ihre szenische Lesung eine Geschichte mit vielen schrecklichen Ereignissen ausgesucht. Aus der Position des Täters schilderte Timo Sturm grauenhafte Verbrechen eines alkoholisierten Mörders, die scheinbar allesamt von einer verhexten schwarzen Katze ausgelöst wurden. Faszinierend, wie die sprachliche und musikalische Gestaltung miteinander verwoben und so die Unentrinnbarkeit der Figuren deutlich wurde.

Zu später Stunde strömte das noch immer altersgemischte Publikum in die Vorstellung des figuren theater tübingen. „Flamingo Bar“, angekündigt „als Spiel mit Erinnerungen mit bizarren Figuren und Objekten“ entzieht sich der rationalen Analyse. Langbeinige weiße Marionetten, eine rote Damenstrumpfhose und ein Gerippe mit Pfauenfedernschwanz wurden zum Leben erweckt. Dazu gesellten sich ein Hund im Spitzenkleid, der in der Oper gebannt den „Figaro“ verfolgte oder eine schöne Diva, die sich binnen Sekundenbruchteilen in eine totenschädlige Vogelscheuchenhexe verwandelte. Angetan und verwirrt zugleich fragte sich der Betrachter, aus welchen Phantasie- und Traumwelten solche faszinierenden Misch- und Schattenwesen entstehen. Auch das kleine weiße geflügelte Wesen, das die rote Strumpfhose aus dem Antlitz der Pfauenschwanzfigur entfernte, konnte nur wenig Licht ins Dunkel bringen. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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