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Abgesang. Rachel Cusks „Kudos“ rechnet mit dem Literaturbetrieb ab. 

© Suhrkamp Verlag

Rachel Cusk liest im Potsdamer Literaturladen Wist: Erfolgsroman "Kudos": Die Frau und ihre Rollen

Die Romane der britischen Autorin Rachel Cusk wurden bereits mehrfach ausgezeichnet. Mit ihrer aktuellen Trilogie schaffte sie den internationalen Durchbruch. Den dritten Band „Kudos“ stellt sie nun im Literaturladen Wist vor.

Von Sarah Kugler

Alles beginnt bei Rachel Cusk mit dem Himmel. Mehr oder weniger. Im ersten Band der aktuellen Trilogie ist die Protagonistin Faye kurz davor, in eben diesen abzuheben, im zweiten verspricht ihr eine Astrologin einen wichtigen Transiten und im dritten, „Kudos“, ist sie mittendrin. In einem Flugzeug nämlich, neben einen Mann sitzend, der aufgrund seiner Größe kaum in den Sitz passt.

Auch das haben die drei Bücher von Rachel Cusks Trilogie gemeinsam: Sie stellen gleich zu Beginn kuriose Figuren vor, mit denen die Protagonistin in Interaktion tritt – und damit den Ton der Bücher vorgibt. Darin passiert nämlich genau genommen nur das: Die Ich-Erzählerin trifft auf andere Menschen, hört ihnen zu, reflektiert die Gespräche und begegnet dabei sich selbst. Klingt öde? Ist es aber ganz und gar nicht. 

Am morgigen Freitag stellt Cusk zum Auftakt der Wist-Veranstaltungen in diesem Herbst im Literaturladen „Wist“ ihren aktuellen Roman „Kudos“, den dritten Band der Erfolgsreihe, vor. Der Buchladen hat seine Saison – die 28. bereits – übrigens unter ein Motto gestellt, das auch zu Cusks Romanen passt: „Überleben“. Auch bei ihr geht es im Grunde um eine Form des Überlebens: das Bestehen in der Gesellschaft.

Der internationale Durchbruch mit "Outline"

1967 in Kanada geboren, verbrachte Rachel Cusk einen Teil ihrer Kindheit in Los Angeles, als sie neun Jahre alt war, zog die Familie nach Großbritannien. Dort, im britischen Brighton, lebt sie heute mit ihrer Familie. 1993 veröffentlichte sie mit „Saving Agnes“ ihren ersten Roman, schon dafür wurde sie ausgezeichnet. Bereits ihr drittes Buch „The Country Life“ wurde 1997 als „Aufs Land“ auch in Deutschland gedruckt. Doch erst mit ihrem achten Roman, „Outline“, gelang ihr schließlich der internationale Durchbruch. 

Es ist der Auftakt einer Trilogie, deren Teile aber auch einzeln gelesen funktionieren. Protagonistin ist die Schriftstellerin Faye. Sie ist mittleren Alters, geschieden, Mutter von zwei Kindern. In „Outline“ reist sie nach Athen, um dort einen kreativen Schreibkurs zu geben, in „Transit“ renoviert sie ein Haus in London und nun, in „Kudos“, fährt sie auf unterschiedliche Literaturfestivals.

"Kudos" von Rachel Cusk.
"Kudos" von Rachel Cusk.

© Suhrkamp Verlag

Keine wirkliche Handlung, aber Biss

Wie auch die Vorgänger hat der Roman keine wirkliche Handlung, sondern hangelt sich von Gespräch zu Gespräch, von Szene zu Szene. Zum ersten Mal hat Faye jedoch auch eine eigene Stimme: Sie hört den anderen Figuren nicht nur zu, sondern antwortet auch. „Kudos“ bekommt dadurch ein anderes Tempo, eine neue Scharfzüngigkeit, einen lebhafteren Ton.

Denn Faye ist nicht auf den Mund gefallen und das, was sie zunächst nur denken durfte, sagt sie jetzt auch. Die indirekte Rede ist dabei Cusks bevorzugtes Stilmittel, eingestreute direkte Zitate sind ganz bewusst gesetzt und scheinen wie kleine Kapitelüberschriften. Den meisten Direktzitaten folgt eine längere indirekte Abhandlung, ein Gedankensturzbach oder eine kleine Geschichte. Etwa über die Familie des großen Flugzeugsitznachbarn. Der Romanbeginn von „Kudos“ weist damit eine deutliche Parallele zu „Outline“ auf, in dem Faye ebenfalls neben einem kuriosen Herrn sitzt, der von seiner Familie und insbesondere seiner Frau berichtet. Nur dass die Protagonistin diesmal antwortet, ebenfalls von ihrem Leben – sie ist inzwischen wieder verheiratet – berichtet und Fragen stellt. Das irritiert ihr Gegenüber, bringt es aber immer wieder zum Reden.

Spöttischer Abgesang auf die Literaturindustrie

„Kudos“ ist auch eine Art spöttischer Abgesang auf die Literaturindustrie. Durch den Handlungsort des Literaturfestivals vorgegeben, sind die Figuren vor allem Autoren, Verleger, Literaturagenten und natürlich Journalisten. Es geht um Kapitalismus und dessen Auswirkungen auf die Literatur, um die Macht oder Ohnmacht von Geschichten als solchen. Immer wieder scheint dabei auch Cusks eigene Rolle als Autorin in ihrer Protagonistin aufzublitzen. Irgendwie geht es auch immer um die Stellung der Frau in der Gesellschaft, ihre Rollenzuweisungen und das Ausbrechen daraus.

Übersetzerin Eva Bonné ist es dabei gelungen, Cusks zum Teil sehr lange, mit vielen Kommata durchsetzte Sätze unkompliziert ins Deutsche zu übertragen. Der direkte, leicht philosophierende und manchmal etwas belehrende Sprachduktus bleibt erhalten und ermöglicht eine beinahe originale Lesereise. In den Himmel und zurück. 

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Rachel Cusk liest aus „Kudos“ am morgigen Freitag um 19 Uhr im Literaturladen Wist, Dortustraße 17

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Rachel Cusk: „Kudos“. Aus dem Englischen von Eva Bonné. Suhrkamp Verlag, Berlin 2018. Gebunden, 215 Seiten, 20 Euro.

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