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Purcell-Kreuzfahrt im Raffaelsaal der Orangerie: Metapher für göttliches Lebenselixier

Vor Gericht und auf dem Wasser ist der Mensch in Gottes Hand, meint jedenfalls die sprichwörtliche Redensart. Ihr und einer Anekdote nach verdankt Henry Purcells Anthem „They that go down to the sea in ship” (Die zu Schiff das Meer befahren) seine Entstehung der stürmischen Jungfernfahrt der Yacht von Charles II.

Vor Gericht und auf dem Wasser ist der Mensch in Gottes Hand, meint jedenfalls die sprichwörtliche Redensart. Ihr und einer Anekdote nach verdankt Henry Purcells Anthem „They that go down to the sea in ship” (Die zu Schiff das Meer befahren) seine Entstehung der stürmischen Jungfernfahrt der Yacht von Charles II.

Mit an Bord auch Reverend John Gostling, der mit seinem markigen, beweglichen und stimmumfänglichen Bass immer wieder Bewunderung erregt. Nur mit knapper Not entkommen alle dem Kentern. Der Geistliche sieht darin einen Fingerzeig Gottes, findet Trost im Psalm 107, der das Schicksal der Seefahrer besingt. Purcell vertont die Verse, ganz auf Gostlings Stimme zugeschnitten, der auch eine Sammlung mit Werken der wichtigsten Purcell-Zeitgenossen zusammengetragen hat.

Eine Fundgrube für das vom Gambisten Thomas Baeté geleitete Barockensemble „Transports Publics“ (Öffentliche Verkehrsbetriebe), das namensgetreu die Alte Musik ins Heute und das heutige Publikum in die Vergangenheit befördern will. Bei ihrem Musikfestspiele-Auftritt am Sonntag im Raffaelsaal des Orangerieschlosses Sanssouci haben sie ihre Absichten aufs Vorzüglichste verwirklicht. In der Gostling-Rolle findet sich der argentinische Bassbariton Lisandro Abadie wieder, dessen Tiefe beeindruckend schwarz gefärbt ist, in eine ausgeglichene und glanzvolle Mittellage führt, um mühelos in eine sattelfeste Höhe zu strahlen. Sowohl in der klangprächtigen Hymne „Hosanna in the Highest“ (Hosanna dem Höchsten) als auch in der schwungvollen Lobpreisung „O Sing unto the Lord a new song“ (Singet dem Herrn ein neues Lied) auf Verse von Psalm 96 erweist sich Lisandro Abadie als ein stimmausladender „Vorsänger“, dem sich nach und nach der durchdringende Sopran von Griet de Geyter, der mit Altus-Wärme und Geschmeidigkeit aufwartende Countertenor Steve Dugardin und der von lyrische Weichheit geprägte Tenor des Kevin Kelton.

In wechselnden Paarungen bis hin zum Quartett wissen sie in weiteren Anthems stets einen exquisiten Farbenreichtum zu erzeugen, wie man es kaum für möglich gehalten hätte. Zum Kabinettstückchen gerät ihnen Purcells dramatische Szene „In guilty Night“ (In schuldbeladener Nacht) zwischen dem biblischen König Saul, der Hexe von Endor und dem verstorbenen Propheten Samuel, in der der von Gott verlassene Saul von der Magierin und Samuels Geist wissen will, wie die Schlacht gegen die übermächtigen Philister denn ausgehen werde. Was nichts anderes als eine Metapher für die Auseinandersetzungen zwischen Charles II. und der von Oliver Cromwell angeführten Streitmacht der Parlamentarier ist.

Von Purcells Zeitgenossen kommen Pelham Humphrey mit einer symbolträchtigen Vertonung von Psalm 42 (Like as the hart / Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser) zu Wort, deren getragene Stimmung genauso ausdrucksintensiv vorgetragen wird wie John Blows Aufschrei „Save me, O God“ (Rette mich Gott, denn das Wasser steht mir bis zum Hals). Nicht so den Musikern, die neben der exzellenten Begleitung der Sänger auch die anspruchsvollen Noten der Suite Nr. 2 von Matthew Locke mit allen Erfordernissen historisch informierter Musizierpraxis nebst der Vibrato-Verabreichung in homöopathischen Dosen sehr abwechslungsreich in den Stimmungen vortragen. Nach dem negativen Hexenbescheid für Saul steuert Purcell noch eine Chacony zum Abschied bei. Enthusiastischer Beifall. 

Peter Buske

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