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Kultur: Prügel für ein gutes Lied

Die Blockflöte des Todes spielt in Potsdam

Das erste Mal spielte er „Niemals 30 werden“ auf einer Geburtstagsparty. Obwohl er nicht bis zum Ende seines Liedes spielen konnte, war Matthias Schrei mit der Reaktion jedoch mehr als zufrieden.

Er spielte auf seiner Gitarre, sang dazu von Bandscheibenbeschwerden, die dem 30-Jährigen drohen und nannte mit Curt Cobain und Jim Morrison zwei Prominente, die genau wegen dieser drohenden Beschwerden nicht das 30. Lebensjahr erreichten, als eine junge Frau sich prügelnd auf ihn stürzte. „In wenigen Tagen hatte sie Geburtstag. Der 30., sagt Schrei trocken. Ungeklärt blieb, ob es die makabere Art war, mit der Schrei sie an das bevorstehende Jubiläum erinnerte oder ob seine Interpretation von Curt Cobains Selbstmord sie zu dieser sehr emotionalen Meinungsäußerung trieb. „Das Schlimmste wäre, wenn ein Lied keine Wirkung hätte“, sagt Schrei, 27 Jahre alt. Dass „Niemals 30 werden“ wirkt, wusste er nun.

Wenn Matthias Schrei alias Blockflöte des Todes am Dienstag im Waschhaus in der Reihe „Ruby’s Tuesday“ sein „Niemals 30 werden“ spielt, werde er es wohl im Liegen tun. „Dann bin ich schwerer von umherfliegenden Gegenständen zu treffen.“ Matthias Schrei blickt sehr ernst, während er das sagt. Dann umspielt ein leichtes Lächeln seinen Mund.

Während des Gesprächs im Café Eckstein im Prenzlauer Berg wird schnell deutlich: Matthias Schrei will nicht, dass man ihn zu ernst nimmt. Zwei Platten mit den Titeln „legs & Drugs & rock n roll“ und „Platte Macchiato“ hatte er unter dem klingenden Namen Blockflöte des Todes veröffentlicht. Die dritte soll in diesem Jahr erscheinen. Er ist schon durch das ganze Land getourt und hat eine immer größer werdende Anhängerschaft mit seinen vor trockenstem Humor nur so knackenden Lieder begeistert. Doch das will er nicht hören, da winkt Matthias Schrei ab und sagt, dass die Blockflöte des Todes „musikalisch unter aller Sau“ sei. „Zitieren Sie das genau so“, fügt er noch an und hat dabei wieder diesen ernsten Gesichtsausdruck, in dem nur die Andeutung eines ironischen Lächelns zu erkennen ist.

„Ich nehme das Leben nicht mehr ernst“, sagt Schrei. Das klingt im ersten Moment arg aufgesetzt. Doch wer die Texte auf seine MySpace-Seite im Internet liest, wo er sich auch „One leg band“ nennt und die Vorstellung mit dem Satz beginnt: „Matthias Schrei wurde im Mai 2004 auf Grund starker Linkstranspiranz (Schweißfuß) ein Unterschenkel amputiert“, ahnt man, dass da mehr ist, als nur schwärzester Humor und Effekthascherei. Vor fünf Jahren wurde Matthias Schrei von einem 40-Tonner überrollt. „Einmal vorwärts, einmal rückwärts“, sagt er. Er verlor ein Bein und hat bis heute mit Nervenschmerzen zu kämpfen.

„Viel geändert hat sich nicht“, sagt Schrei. Tanzen konnte er vor dem Unfall auch nicht und nun bekommt er gegen die Schmerzen sogar Drogen auf Rezept. Es ist diese Lakonie – gegen Zynismus verwehrt sich Matthias Schrei, denn er ist nicht verbittert – die einen vor den Kopf stößt. In seinen Liedern ist diese Lakonie immer durch ein Art Augenzwinkern gebrochen.

Wie aber kam er zu diesem Bandnamen? Wurde er vor seinen Eltern zum Blockflötenunterricht gezwungen? Schrei schüttelt den Kopf. Er musste seine Mutter zwingen, dass sie ihn zum Unterricht fährt. Den Namen verdankt er einem Musikerkollegen. Weil der ein furchtbares Namensgedächtnis hat, kündigte er Schrei immer als die Blockflöte des Todes an. Das hat sich festgesetzt. Flöte, genauer gesagt, Tenorblockflöte will Matthias Schrei in Potsdam nicht spielen. Aber auf einem Fön. Doch das ist wieder eine andere Geschichte. Dirk Becker

Die Blockflöte des Todes ist am Dienstag, 13. Januar, ab 21 Uhr, im Waschhaus, Schiffbauergasse, zu erleben. Der Eintritt ist frei

Dirk Becker

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