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Seit 1994 steht es auf der Schopenhauer Straße: Werner Stötzers Skulpturenpaar „Toleranz“.

© Andreas Klaer

„Private Künstlernachlässe im Land Brandenburg“: Verein widmet sich 500 Werken von Werner Stötzer

Der kleine Potsdamer Verein „Private Künstlernachlässe im Land Brandenburg“ erstellt das Werkverzeichnis des Bildhauer-Schwergewichts Werner Stötzer. Rund 500 Arbeiten finden Eingang.

Potsdam - Die Potsdamer kennen die in Marmor gehauenen „Toleranz“-Figuren von Werner Stötzer. In der Schopenhauerstraße müssen sie auf dem Radweg umfahren werden. Die Frau kauert am Boden, der Mann lässt sie hinter sich mit starr nach vorn gerichtetem Blick und energischem Schritt. Diese Plastik zählt zu den rund 500 Werken Stötzers. In Regie des Potsdamer Vereins „Private Künstlernachlässe im Land Brandenburg“ entsteht derzeit das längst fällige Verzeichnis der Stötzer-Skulpturen – nicht als Buch, sondern digital. „Das hat den Vorteil, den Zugangsradius erheblich zu vergrößern und das Verzeichnis jederzeit ergänzen zu können“, sagt die Kunsthistorikern Liane Burkhardt, die mit Thomas Kumlehn die „Privaten Künstlernachlässe“ vorantreibt. 15 stehen bereits auf ihrer Homepage. Eigentlich ist Werner Stötzer (1931-2010) für den kleinen Verein eine Nummer zu groß. Er spielt in einer anderen Liga. Aber ohne diesen Verein wäre aus dem Werkverzeichnis des Bildhauers wohl nie etwas geworden.

Immer wieder neue Entdeckungen

Ihre im Januar 2018 begonnene Recherche zum Werkumfang Stötzers bringt immer neue Entdeckungen und hat bereits die Zahl 500 überschritten. Seine Plastiken, die die Kunstlandschaft in der DDR entscheidend mitgeprägt haben, sind weit verstreut und bislang nur unzureichend dokumentiert. Der erste Versuch zur Finanzierung eines Werkverzeichnisses liegt lange zurück. Gleich nach dem Tod des Künstlers, der im Oderbruch gearbeitet hat, bemühte sich Matthias Flügge, der einstige Vizepräsident der Akademie der Künste und jetzige Rektor der Hochschule für Bildende Künste in Dresden bei der Stiftung Kunstfonds Bonn um Unterstützung – und erhielt eine Ablehnung. „Danach kam Matthias Flügge auf uns zu. Er sagte: ,Wenn es einer macht: dann Ihr. Denn Ihr kümmert Euch um Brandenburg’. Damals hätten wir uns aber nie so einen Koloss auf den Tisch gezogen. Inzwischen hat der Verein Fuß gefasst und beginnt zu laufen“, sagt Liane Burkhardt.

Also sprach auch sie 2016 beim Kunstfonds vor – und bekam ebenfalls eine Absage. „Doch wir sind trotzig und setzen nun auf eine Förderung verschiedener Partner – ohne Kulturfonds.“ Der Verein gewann das Kulturministerium und die Staatskanzlei des Landes Brandenburg sowie die Stiftung Kulturwerk VG Bild-Kunst. Hinzu kommen Eigenmittel, die durch Sylvia Hagen, der einstigen Partnerin und Erbin von Stötzer eingebracht wurden: 23 800 Euro stehen nun bereit.

„Inzwischen hat sich die Anzahl der Werke, die erfasst werden müssen, aber fast verdoppelt“, so Burkhardt. Anfangs wollten man nur die aus Stein gehauenen Plastiken aufnehmen, um den Aufwand einzudämmen. „Doch das ist unsinnig. Wenn wir schon den Aufwand betreiben, gehören seine Bronzearbeiten natürlich dazu.“ Nun finden rund 500 Werke Eingang. „Wir werden Wege finden, um zusätzliche Mittel zu akquirieren“, sagt die Kunsthistorikerin zuversichtlich. Sie setzt auch auf Spenden. Die Werke Stötzers sind in über 30 Museen und in vielen Privatsammlungen vertreten.

„Mein Inhalt ist weder der Himmel noch die Hölle, es ist der Mensch“, formulierte Stötzer einst seinen ideologiefreien Ansatz. Dennoch machten ihm die Ideologen das Leben schwer. Bis in die 1970er Jahre wurde er weitgehend ausgegrenzt, konnte kaum ausstellen: Seine Werke waren ein Rückgriff auf die Moderne, keine Abbilder des sozialistischen Realismus.

1977 begann sich diese Verhärtung aufzulösen: Stötzer erhielt im Alten Museum Berlin eine Einzelausstellung, die anschließend auch in der Staatlichen Galerie Moritzburg in Halle zu sehen war. „Ein kulturpolitisches Signal für die Anerkennung der mittleren Künstlergeneration, wie Wieland Förster, Harald Metzkes, Hans Vent und eben Werner Stötzer“, so Liane Burkhardt. Auch die Aufmerksamkeit der BRD für Kunst aus der DDR wuchs. „Es gab in der Sammlung Ludwig etliche Stötzers – trotz der Grenze.“ Seit diesem öffentlichen Durchbruch schätzten ihn nicht nur Kollegen und Fachleute.

Privatsammler und Museen erwarben seine Werke. Preise und internationale Ausstellungen folgten sowie Aufträge von staatlichen und kirchlichen Institutionen, beispielsweise für die Bronzetüren des Klosters Unser Lieben Frauen in Magdeburg, für das Kleist-Museum in Frankfurt (Oder) und für das 1986 fertig gestellte Marmorrelief „Alte Welt“ am Marx-Engels-Forum in Berlin. Auch nach 1989 änderte sich daran wenig. Als seine letzte große Arbeit im öffentlichen Raum entstand 2003 die Pietà für die Diözese in Würzburg. Er war, wie in der Potsdamer „Toleranz“-Skulptur, ein Fragender, einer, der in seine Figuren die Schieflage der Welt hinein gemeißelt hat.

Kraftvoll. Der Bildhauer Werner Stötzer im Jahr 2001 bei der Arbeit in seinem Atelier im Oderbruch. 
Kraftvoll. Der Bildhauer Werner Stötzer im Jahr 2001 bei der Arbeit in seinem Atelier im Oderbruch. 

© Inge Zimmermann

Die Wende habe ihn „in keiner Weise als eine Art Zäsur“ getroffen, sagte Stötzer, der 2008 für sein Lebenswerk mit dem Kunstpreis des Brandenburgischen Ministerpräsidenten ausgezeichnet wurde. Jutta Götzmann, die Direktorin des Potsdam Museums stimmte dem zu, als 2013 neben Stötzer fünf weitere Künstlergrößen in ihrem Haus mit dem Brandenburgischen Kunstpreis der Märkischen Oderzeitung für ihr Gesamtschaffen ausgezeichnet wurden: „Es gibt nicht die totalen Brüche, nachdem sich ein neues System etabliert hat. Diese Künstler haben ihren Stil gefunden, durchgesetzt und ausgeformt. Sie haben sich keinem System gebeugt.“ Um all’ die Werke Stötzers aufzuspüren, ist der Verein mit zahlreichen Museen, Galeristen und Sammlern in Kontakt und heuerte dafür personelle Verstärkung an: die Kunsthistorikerinnen und  langjährigen Stötzer-Vertrauten Inge Zimmermann, Astrid Volpert und Barb Kirkamm. Mit Stötzers Witwe ist er auch im Austausch. „Ein Schneeballprinzip, das immer wieder neue Werke zutage fördert“, so Liane Burkhardt.

Über den Arbeitsstand des digitalen Werkverzeichnisses informiert der Verein am 24. Februar in der Akademie der Künste Berlin (11 Uhr), dort, wo Stötzer einst Meisterschüler und Vizepräsident war. Anschließend lädt der Verein zum Gespräch „Künstlernachlässe im Museum – Grenzen und Alternativen“ ein. Denn das eine Problem sei das Werkverzeichnis, das viel größere die Sicherung der Werke selbst. „Die Museen haben die Aufgabe, Kunst zu bewahren, stehen aber vor dem Dilemma der superengen Depots. Wir wollen gemeinsam mit Museen aus Brandenburg und Sachsen Visionen entwickeln, welche Partner die Museen entlasten könnten“. Dass auch Sylvia Hagen (72), die selbst Bildhauerin ist, irgendwann die Verantwortung für den Nachlass ihres Mannes abgeben möchte, liegt nahe.

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