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Maggie (intensiv: Nadine Nollau) fühlt sich wie die titelgebende Katze auf dem Blechdach.

© Thomas M. Jauk/Hans Otto Theater

Premiere von "Die Katze auf dem heißen Blechdach“: Behaupteter Schmerz

Die Inszenierung von „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ am Hans Otto Theater enttäuscht mit fehlender Brisanz und altbackenen Themen.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Wie eine Waffe hält der Vater die Krücke im Arm. Gerade erst hat er sie seinem Sohn aus der Hand geschlagen, der nun  kläglich verkrampft am Boden liegt, während sein Vater einem Cowboy gleich, vor ihm steht: breitbeinig, mit Hut auf dem Kopf, das Krückengewehr im Anschlag. Doch während man dem auf dem Boden Liegenden seine Zerbrechlichkeit abkauft, wirkt dieses Machtgehabe aufgesetzt. Mehr gespielt als gefühlt, mehr behauptet als erzählt.

Dieses Problem zieht sich leider durch die Inszenierung von Tennessee Williams’ „Die Katze auf dem heißen Blechdach“, die am Freitagabend im Hans Otto Theater Premiere feierte. Vieles wird hier nur behauptet oder nicht heutig genug auserzählt.

Verschwiegene Krebsdiagnose, dysfunktionale Familie

Dabei scheint die Geschichte des Stückes, das 1955 entstand auf den ersten Blick immer noch interessant zu sein: Big Daddy ist an Krebs erkrankt, weiß aber nichts davon, weil Arzt und Familie ihn über den Befund anlügen. Sein Sohn Brick, ein ehemaliger Footballspieler ist seit dem Selbstmord seines besten Freundes dem Alkohol verfallen, während seine Frau Maggie krampfhaft an seiner nicht vorhandenen Liebe zu ihr klammert. Sein Bruder Gooper ist erfolgreicher Anwalt, hat mit Frau Mae bereits fünf Kinder, das sechste ist unterwegs. Irgendwo dazwischen wuselt Big Mama, die Brick als Sohn bevorzugt. Zu Big Daddys 65. Geburtstag findet sich die Familie zusammen und spielt eine heile Welt, deren Dysfunktionalität immer mehr zum Vorschein kommt.  

Dieses nicht Funktionieren, das völlig Zerrüttete hat Regisseurin Steffi Kühnert ganz gut herausgearbeitet. Bereits im vollkommen überzogenen Geburtstagsständchen blitzt es durch, all das Aufgesetzte. Und auch das filmisch anmutende Bühnenbild von Joachim Hamster Damm greift die Illusion des Schönen auf: Ein gläsernes Bungalowhaus auf einer Drehbühne, eine Leinwand, auf der Feuerwerk zu sehen ist. Davor ein Steg umgeben von Schilf. Der wohl überraschendste Effekt des Abends setzt ein, als das Schilf plötzlich hochfährt und ein Gespräch zwischen Big Daddy und Sohn Brick in scheinbarer Abgeschiedenheit spielen lässt. Doch die Glasfront des Hauses bleibt allgegenwärtig, die immer wachsame Familie dahinter auch.

Die Frau hat sich unterzuordnen, zu gehorchen

Besonders schön im Familienensemble: Elzemarieke de Vos als völlig überspannte Mae. Als überfröhliche Übermutter inmitten von Spielzeug tritt sie das erste Mal auf, ihre totale Überforderung mit dem Familienschein ist ihr erst im Laufe des Stückes anzusehen. In den müden Augen, der schlaffen Körperhaltung. Sie blüht nur auf, wenn sie mit ihrem Mann Gooper gemeinsam lästern kann. Doch der – herrlich aalglatt mit genau der richtigen Portion Zerbrechlichkeit von Jan Hallmann gespielt - herrscht sie meist an, still zu sein.

Und damit offenbart sich das erste Problem dieses Stückes: die Frau, die dem Mann zu gehorchen hat, untergeordnet ist. Ein Phänomen, das sich durch alle drei Paare dieses Stückes zieht, Brick versucht Maggie gar zu erwürgen. Leider verpasst es die Regie hier, die Brisanz solcher Szenen herauszuarbeiten, die unangenehme, höchst angespannte explosive Stimmung. Stattdessen lässt sie Sätze wie „Halt die Schnauze!“ in Lachern verpuffen. Dabei ist nun wirklich nichts komisch hier.

Brisante Themen verpuffen in Lachern

Bettina Riebesel als Big Mama und Jörg Dathe als Big Daddy versuchen es trotzdem zu sein: sie mit einer vollkommen unglaubhaften Hysterie, er mit einer über alles erhabenen Cowboy-Coolness. Bewegend ist keine der beiden Darstellungen, eher anstrengend. Nur in einem ganz kurzen Moment gelingt es Dathe zu berühren: als Big Daddy schließlich von seiner Krebserkrankung erfährt und ihm das Gesicht vollkommen entgleist, er den Cowboy für eine Sekunde abstreift.

Schon früher hätte man sich das gewünscht, etwa in der besagten Schilf-Steg-Szene mit Hannes Schumacher als Sohn Brick. Ans Eingemachte geht es hier, um familiäre Narben und verpasste Chancen. Hannes Schumacher ist all das im Gegensatz zu Jörg Dathe anzusehen. Überhaupt überzeugt er als gequälter, vollkommen zerfledderter und gebrochener Mann. Fragil, ja fast zart ist dieser Brick, der von der Welt nichts mehr wissen möchte. Der Alkohol lässt Füße und Finger zittern. Es schmerzt ihm zuzusehen, so wie es eben schmerzen muss. So wie auch Nadine Nollaus Spiel ganz fantastisch schmerzt, die seine Frau Maggie spielt. 

Alles an ihr ist intensiv, die Stimme, der Blick, die Körperspannung. Von Anfang an ist klar: sie ist die Stärkere in dieser Paarbeziehung und doch die Schwächere, weil sie sich so sehr an Gefühle klammert, die nicht da sind. Weil Brick eigentlich seinen verstorbenen besten Freund liebt. Maggie weiß das – und möchte trotzdem ein Kind von ihm. Hier offenbaren sich  weitere Probleme des Stückes: Der prüde Umgang mit Homosexualität und die Frau, die nur als Mutter Wert hat. In der 1950ern noch zeitgemäß, wirkt all das heute unglaubwürdig, weil aktuelle Bezüge fehlen. Und so verpufft leider auch der so überzeugend gespielte Schmerz, inszenatorisch in einer bloßen Behauptung.

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