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"Homo Deus" vom Potsdamer Poetenpack in der Zimmerbühne, Regie Kai O. Schubert.

© Promo

Premiere des Potsdamer Poetenpacks: Willkommen im Datenstrom

Dataismus als Gottheit und eine skurrile Spezies namens Homo Sapiens: Mit „Homo Deus“ zeigt das Poetenpack, wie das aussehen könnte, wenn der Mensch sich abgeschafft hat.

Potsdam - „Wohin hoffen wir?“, so ist die aktuelle Spielzeit des Potsdamer Poetenpacks überschrieben. Es ist die erste am neuen Ort in der Zimmerstraße. Das freie Theater bespielt hier die ehemalige Kapelle der „Selbstständigen Lutherischen Dreieinigkeitsgemeinde“ – und gibt in seinem neuesten Stück im Grunde eher Antwort auf die Frage: Was hoffen wir nicht?

Ein dystopischer Zustand

„Homo Deus oder Der letzte Mensch“ heißt der Text von Kai O. Schubert, der sich an den Theorien des israelischen Sozialwissenschaftlers Yuval Noah Harari bedient. Mit „Homo Deus“ beschreibt Harari die Zukunft des Homo Sapiens: einen dystopischen Zustand in unbestimmter Ferne, wenn künstliche Intelligenzen den Menschen, ihren Erschaffer, hinter sich gelassen haben werden. Dass es so kommt, davon ist Harari zufolge auszugehen. 

Das Poetenpack lädt nun also ein, sich diese Dystopie genauer anzusehen. „Willkommen in unserem Datenstrom“ begrüßen drei Künstliche Intelligenzen in Supermankostüm, Entdeckermantel und Jogginganzug (Felix Isenbügel, Pia Seiferth, Peter Wagner) das Publikum. Im Diavortragston berichten sie von jener ausgestorbenen Spezies namens Homo Sapiens. Schmecken Wörter wie „Seele“, „Ironie“, Tod ab, später wird „Liebe“ und „Demokratie“ für Lachsalven sorgen. War schon ein seltsames Tier, dieser weise Säuger. 

Der Mensch, eine skurrile Spezies

Wie im Schulbuch geht es qua Lektionen (fast alles wird vom Blatt abgelesen) durch die Beschaffenheit dieser skurrilen Spezies. Wir lernen: Der Mensch war fähig zur Kooperation. Auch er war ein „Datenverarbeitungssystem“. Er lernte, tauschte sich aus, hortete Wissen. Funktionierte nach einem Algorithmus – im Grunde „ein Getränkeautomat, der sich selbst reproduzieren und kooperieren konnte“. Der Mensch erzählte sich Geschichten: über Götter, Geld und die Steuer. 

Und er suchte nach einem Ding namens „Seele“, fand es aber nie. Wollte es nur gespürt haben, zum Beispiel beim Lesen von Gedichten. Der Selbsttest („Über allen Wipfeln ist Ruh“) lässt bei einer KI die Sicherungen durchgehen. Reset. Technische Störungen sind nicht vorgesehen – dass der Homo Sapiens dafür so anfällig war, war sein Untergang. Er war Perfektionist, lernen wir, wollte perfekte Intelligenz. Das machte ihn überflüssig. „Wer investiert schon in ein überholtes Betriebssystem?“ 

Die neue Gottheit: der Dataismus

Das Ganze hat den Charakter einer theatralen „Was-ist-was“-Show, unterbrochen von sakralem Singsang („Homo Deus“), mit dem der neuen Gottheit gehuldigt wird: dem „Dataismus“. Ein Begriff, den auch Harari benutzt. Er analysiert Daten als höchstes Gut und Götze unserer Zeit. „Du sollst mehr Daten sammeln“, predigen die auf der Bühne. „Alle sollen verbunden werden!“ Dabei tragen sie Strumpfmasken wie Sparkassendiebe. 

Wenn Daten nur böse und ihr Ansammeln nur diebisch wäre, dann wäre die Welt leichter zu verstehen. Nur hat man sich eben am Eingang noch in der Corona-Warnapp eingeloggt, und das fühlte sich gar nicht falsch an. Dennoch: Der Blick auf das eigene Dasein als eine endliche, alles andere als göttliche Sache ist ungemein erdend. Am Ende darf man sich dann umso hemmungsloser von Arne Assmanns beseeltem Gesang zur Gitarre rühren lassen: „I feel the time is up.“ 

Wieder am 3., 4. und 5.12. in der Zimmerbühne, Zimmerstraße 12b. Karten und weitere Informationen unter www.theater-poetenpack.de

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