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Potsdams Gärten: Paradiesgarten an der Maulbeerallee: Verweile doch !

Für unsere Sommerserie besuchen wir POTSDAMS GÄRTEN und Parks. Heute: Der Paradiesgarten an der Maulbeerallee, der abseits von Touristenströmen nach Sanssouci liegt.

Potsdam - Das Paradies muss nicht üppig sein, nicht unbedingt nur die reine Pracht. Vielleicht findet sich auch das Vergehende darin. Vielleicht ist man sogar allein, wenn man es zum ersten Mal betritt. Der Ort des Glücks menschenleer, wie an einem sonnigen Tag im August der Potsdamer Paradiesgarten. Kein Tourist hat sich hier zur Mittagszeit in die Maulbeerallee verirrt, in Scharen bevölkern sie wenige Hundert Meter entfernt das Epizentrum des Schlosses Sanssouci. „Der Schlüssel ist der Parkplatz“, sagt Jürgen Augustin. „Da kommen wir nicht ran.“ Er ist Gärtner und als Freilandmeister für den Botanischen Garten der Universität Potsdam und den dazugehörigen gegenüberliegenden Paradiesgarten zuständig. Wo ein Parkplatz ist, sind auch Besucher, meint er. Man könnte aber auch sagen, weil es keinen Parkplatz vor dem Garten gibt, ist er für Besucher so paradiesisch.

Friedrich Wilhelm IV. ließ den Paradiesgarten um 1840 anlegen, dies Fleckchen mit seinen etwa zwei Hektar war als Kleinod gedacht, Rückzugsort für den preußischen König und seine Gemahlin. Einen italienischen Fruchtgarten wollte er hier haben, wild überwuchert, wie es das romantische Ideal vorgab. Dazu ein italienisches Landgut, wie es der römische Schriftsteller Plinius der Jüngere beschrieb. Angedeutet nur, nicht ausgebaut. Im Zentrum des Parks entwarf Ludwig Persius ein Stibadium, eine halbrunde Sitzbank, um sich der Muße hinzugeben. Bloße Mauern sind darum, nur eine Hülle um einen Hof, dem von außen riesige Platanen Schatten spenden. Der Innenhof aber ist heute versperrt, durch Gitter lässt sich die Schönheit nur erspähen. Manchmal aber schließt Augustin auf, für angemeldete Besucher oder bei besonderen Veranstaltungen. Dunkle Kühle umweht einen dann an diesem innen zerbrechlich wirkenden Ort. Die pastellfarbene Malerei an den Wänden ist verblasst, auf den Gemälden historischer Landschaften des Mittelmeerraums ist kaum noch etwas zu erkennen, das Meer hat sich zu Hügellandschaften geformt, weil sich das Mauerwerk darunter wölbt. Vor einiger Zeit noch war das Gebäude Abstellkammer für Gartengeräte. 2009 wurde es saniert, behutsam, nur in dem Maße, dass es nicht weiter verfällt. Das tut es aber doch, kleine Steinbrocken sind von der Decke herausgebrochen, heruntergefallen. Sie lassen sich die Vergänglichkeit nicht ausreden.

Schon zu Zeiten des Königs wurden auf dem sogenannten Terrassenrevier Pflanzen gezüchtet

„Man sieht, dass die Zeit gegen uns arbeitet“, sagt Augustin. Einzig die böhmischen Glasvasen, allesamt Dupletten, in sattem Grün und Blau und Rot strotzen vor Widerstandskraft von oben, vom Dach des Stibadiums.

Auch das Gärtnern ist immer wieder Kampf gegen den Verfall. Aber auch die Veränderungen haben ihren Reiz. Gerade jene Stellen im Paradiesgarten sind bezaubernd, wo die Natur sich ihren Raum erobert und der Mensch, sprich der Gärtner, nicht hinterherkommt mit dem Schneiden, mit dem Auslichten, und wo Sichtachsen noch darauf warten müssen, wieder freigelegt zu werden. Denn die Gärtner haben sich vor allem dem Erhalt der Pflanzenwelt verschrieben: In den Anfangsjahren der DDR, 1950, wurde das Gelände Teil eines botanischen Gartens. Hunderte Schilder mit den lateinischen Bezeichnungen stecken neben ihren Pflanzen in der Erde, manche von ihnen spiegeln sich im königlichen Wasserbecken vor dem Stibadium. Auch schon zu des Königs Zeiten wurden auf dem sogenannten Terrassenrevier Pflanzen gezüchtet. So gesehen ist hier die Wiege der Pracht Sanssoucis. Dass Potsdam überhaupt einen botanischen Garten habe, wüssten so wenige Potsdamer, beklagt die technische Leiterin des Botanischen Gartens, Kerstin Kläring. „Wir verblassen immer so im Vergleich zu Berlin.“ Dabei hätten hier die ersten Gewächshäuser Deutschlands gestanden und nicht zuletzt gebe es eine wichtige Sammlung von Pflanzen.

Manchen angelegten Lehr- und Schaufeldern macht aber das Unkraut den Garaus: Eine Fläche war den Pflanzen der Steppe gewidmet, der Gemeine Schachtelhalm hat darüber gesiegt. Gärtner wie Augustin haben daraufhin eine Blumenwiese angelegt und eine Augenweide geschaffen. Wobei es nicht so sei, wie gemeinhin angenommen, merkt er an, dass Wiese gleich wenig Arbeit bedeute. Die Wiese mit Strohblumen, wildem Salbei, Ringelblumen, Leinen, Nelken und Zinnien ist in ihrer wildwüchsigen Verspieltheit mit das Schönste des Gartens.

Bänke fehlen, Wasseranlage wartet auf Umgestaltung

Nur verweilen lässt sich nicht so recht im Paradies. Bänke fehlen. Um diesen Mangel weiß auch Kerstin Kläring. Es fehlt an Geld. Ein Fundraising-Projekt hat sie deswegen ins Leben gerufen. Nicht nur wegen der Bänke, sondern um überhaupt das Vergangene für die Zukunft fit zu machen: Die Teichanlage, zu DDR-Zeiten betoniert, findet Kläring nicht mehr zeitgemäß, auch die grüne Brücke darüber, ebenfalls DDR-Bau, mag ihr nicht so recht ins Bild passen. Der Garten soll Kinder an die Natur heranführen, doch die Wasservielfalt sei so nicht erlebbar, sagt sie. Eine größere Wasserfläche, Holzstege über den Teich sind schon geplant, ein eigener Wasserkreislauf vom historischen Wasserbassin über einen Bachlauf in den Teich und zurück, um nicht mehr Havelwasser über das Pumpwerk der Moschee hierauf zu befördern. 800 000 Euro würde das gesamte Projekt kosten. Ohne Hunderte Spenden, im besten Falle darunter die eines Mäzens, wie im Falle der Sanierung des Stibadiums, lässt sich das nicht stemmen.

Zumal der Garten kostenlos betreten werden kann – noch so eine Annehmlichkeit des Paradieses. Aber es tun eben nur wenige. „Früher“, erinnert sich Jürgen Augustin, seien Studenten über die Mauer geklettert, um reinzukommen. Heute sei man froh, wenn überhaupt jemand kommt. „Man unterstützt uns schon, wenn man uns besucht“, sagt Kerstin Kläring. Sie versucht mit besonderen Veranstaltungen hierherzulocken und weiß um die Mühen von Werbung. „Was unsere Vorgänger nicht machen mussten, ist Eventmanaging, um sich in der Kulturlandschaft zu behaupten.“ An der Außenwirkung müsse man noch arbeiten, sagt sie. Die Innenwirkung aber ist herrlich.

Grit Weirauch

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