zum Hauptinhalt
Die Berliner Band Knorkator spielte vor der fast ausverkauften Schinkelhalle - Alf Ator sang statt Frontmann Stumpen.

© Andreas Klaer

Potsdams erstes großes Indoor-Rockkonzert seit zwei Jahren: Hinein in die sogenannte Freiheit

Die Berliner Altherrenrocker von Knorkator trotzten der Pandemie im fast ausverkauften Waschhaus - und überzeugten trotz krankheitsbedingtem Ausfall von Frontmann Stumpen.

Potsdam - Es sollte der Höhepunkt für Potsdamer Rockfans 2021 werden, damals im März, Knorkator in der Waschhaus-Arena: „Zweck ist widerstandslos“, so der Konzerttitel, in Windeseile ausverkauft, Tickets wurden bei eBay und Co. für horrende Summen gehandelt – doch mitten in der Pandemie wurden so große Konzerte einfach unmöglich. Also wurde das Konzert noch mal in den November geschoben – um wieder abgesagt zu werden. Am Samstag war es dann aber wirklich so weit: Die Berliner Altherrenrockband stand im Waschhaus auf der Bühne; es war das erste große Indoor-Rockkonzert in Potsdam seit zwei Jahren. Doch nicht mal da sollte Knorkator das Glück gegönnt sein. Sänger und Frontmann Stumpen wurde krank, er habe keine Stimme mehr, hieß es, und Knorkator ohne Sänger ist eben nicht Knorkator. Oder doch?

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Potsdam und Brandenburg live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die sie hier für Apple und  Android-Geräte herunterladen können.]

Die Band ging also in die Offensive: Wer die Karten zurückgeben wolle, könne das tun, alle anderen dennoch auf das lang ersehnte Konzert kommen: Statt Stumpen werde einfach dessen Tochter Agnetha singen, die Falsettstimme ihres Vaters bekomme sie schon hin. Den Rest erledige eben der zweite Frontmann Alf Ator. Gleich vorweg: Es hat tatsächlich funktioniert. Nein, mehr noch: Es war – vor fast ausverkauftem Haus – das erwartete Highlight, der unvergessliche Abend, einfach alles: ein Gefühl von Freedom Day.

3G und keine Maske: Das Publikum grölte mit.
3G und keine Maske: Das Publikum grölte mit.

© Andreas Klaer

Der Alarm der Corona-Warn-App ist sicher

Und genau das ist das Surreale: Wenn etwas sicher ist, dann das permanente Benachrichtigungssummen der Corona-Warn-App in der kommenden Woche. Es war der – pardon – Scheißegal-Abend, den sich alle seit 2020 gewünscht haben. Auch wenn er sich stellenweise falsch angefühlt hat, aber das war eben der Preis. „Wir werden alle sterben“, wie es in einem der Songs von Knorkator heißt. Fatalismus als Motto, ein Hauch von 2019. „Widerstand ist zwecklos“ stand als Banner über der Bühne, und vielleicht sagt das mehr über das ausgeblutete Publikum aus als alles andere.

„Die von euch, die die Texte auswendig kennen, sollen lauthals mitsingen!“, forderte Alf Ator, und die Forderung wurde erfüllt: Wer brauchte da schon Stumpen? Eine Leerstelle, die tatsächlich ersetzt werden konnte. Und wie: Mit Songs wie „Mich verfolgt meine eigene Scheiße“ und „Zähne putzen, pullern, ab ins Bett“ wurde einem infantilen, präpotenten Humor gehuldigt, der zwischen genial und peinlich changierte.

Stompens Tochter Agnetha erstaunte mit voluminöser Stimme

Aber musikalisch sind Knorkator einfach unerreicht, mit dieser Mischung aus Heavy-Metal-Parodie und operesken Arrangements. Und Stumpens Tochter Agnetha ließ einen beeindruckt zurück, ganz besonders bei ihrer Interpretation von „Ding inne Schnauze“ und „Zeig mir den Weg nach unten“, wo sie das Falsett ihres Vaters durch ihre voluminöse Stimme ersetzte und das Publikum erstaunt zurückließ. Wenn die Kinder die Band ihrer Eltern kapern.

Wenn es sie gibt, diese sogenannte Freiheit, dieses Loslassen, das Eintauchen in hedonistische Konzertabende – auch wenn sie sich noch immer falsch anfühlen –, so hat dieses Gefühl zumindest einen Soundtrack verdient: und das ist der von Knorkator.

Oliver Dietrich

Zur Startseite