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Potsdamer Schauspielerin Nina Gummich: „Keiner hat die Wahrheit für sich allein“

Die Schauspielerin Nina Gummich ist die Rechtsmedizinerin „Theresa Wolff“ im ZDF – und spricht nun auch über ihre Beteiligung bei #allesdichtmachen.

Potsdam - Vor nicht langer Zeit drehte Nina Gummich auf Sylt. Für einen Film sollte sie surfen lernen, oder zumindest danach so tun können, als ob. Ein einziger Tag war dafür eingeplant. Nina Gummich erinnert sich genau, wie sich das anfühlte, unter sich das Brett, vor ihr eine Welle, dahinter eine größere, und noch eine. Und sie weiß noch, was sie damals dachte: Das ist ja wie im April, nach #allesdichtmachen.

Gummich steht zu ihrer Beteiligung an #allesdichtmachen

Damals, sagt Nina Gummich, folgte Shitstorm auf Shitstorm auf Shitstorm. Sie hatte mit Widerspruch gerechnet, aber nicht in dieser Heftigkeit. Als eine von 53 Schauspieler:innen hatte sie sich an der viel kritisierten Aktion von Dietrich Brüggemann beteiligt. Nach der Welle von Kritik, die dem Projekt entgegenschlug, zogen viele der namhaften Beteiligten ihre Beiträge zurück. Nina Gummich nicht. „Wir haben es so gemacht, und jetzt müssen wir damit gehen“, sagte sie irgendwann im Mai. So ähnlich sagt sie das auch heute. „Das Video zurückzunehmen wäre das Lächerlichste überhaupt gewesen.“ Inkonsequent. Das ist Nina Gummich nicht.

Im Frühjahr wollte Nina Gummich zunächst nicht über #allesdichtmachen reden – wie alle anderen Beteiligten. Das Projekt umgab eine Mauer des Schweigens, auf die sich alle verständigt hatten. Nina Gummich ist loyal, sie hielt sich daran, eine Weile zumindest. Die Beiträge, 53 Kurzfilme, die sich satirisch gegen Corona-Maßnahmen wenden, seien Kunst und Kunst solle für sich selbst sprechen, begründete sie ihre Absage damals.

Hauptrolle als Rechtsmedizinerin in Jena in der ZDF-Krimiserie "Theresa Wolff"

An diesem regnerischen Dienstag im Café Rosenberg will sie den Gesprächsfaden wieder aufnehmen. Wir sind verabredet, um über ihre neue Rolle im ZDF zu sprechen, „Theresa Wolff“, die Hauptrolle in einer Krimiserie zur Prime Time. Theresa Wolff ist Veganerin wie Nina Gummich, statt den obligatorischen Kaffee trinkt sie Smoothies.

Der Veganismus war Gummichs Idee, sie ernährt sich selbst seit der Corona-Pandemie vegan: Wenn man sich mit dem Leid von Tieren beschäftigt, das einzig Konsequente, sagt sie. Die Arbeit an dieser Theresa Wolff geht gerade erst los, Nina Gummich ist noch dabei, sie kennenzulernen, das ist ihr nach dem ersten Teil, der am Samstag im Fernsehen laufen wird, klar geworden. 

Und dennoch führt die Frage, wie nah Theresa Wolff an Nina Gummich ist, mitten hinein in eine andere: Warum war Nina Gummich bei #allesdichtmachen dabei – und steht noch immer dazu? „Theresa Wolff ist Wissenschaftlerin durch und durch, und trotz ihres Fachwissens glaubt sie, dass da noch Platz für etwas anderes sein muss“, sagt Nina Gummich. „Theresa Wolff glaubt nicht, dass sie sich da entscheiden muss.“ Wo andere einen unüberwindbaren Graben sehen könnten, zwischen Verstand und Intuition, Ahnung, Gefühl, ist Theresa Wolff für Nina Gummich die, die zwischen beiden Seiten hin- und herspringt. 

Theresa Wolff ist Forensikerin – aber sie hat surreale Begegnungen mit einem Wolf, ihrem „Krafttier“, wie Nina Gummich sagt, und sie spricht mit den Toten, als könnten sie antworten. „Ihr Leben hatten Sie doch im Griff“, sagt sie zu der Frauenleiche, bevor sie sie zur Obduktion öffnen wird. „Was ist da schief gelaufen?“

Gemeinsame Kussszene, aber kein gemeinsames Mittag: Gummich hielt einige Corona-Maßnahmen für absurd

Bei #allesdichtmachen hat Nina Gummich nicht mitgemacht, weil sie Coronaleugnerin ist oder die AfD unterstützt, sondern einfach, weil sie einige Maßnahmen gegen die Pandemie für absurd hielt und hält. „Warum darf ich mit einem Kollegen eine Kussszene drehen, aber beim Mittag nicht mit ihm zusammen essen?“

An geltende Corona-Regeln hält sie sich natürlich, das betont Nina Gummich – nur fordert sie ein, darüber diskutieren zu dürfen. Inzwischen hat sich da etwas verändert, sagt sie, aber im Frühjahr schien das unmöglich. So entstand ihr Beitrag für #allesdichtmachen. Über das Resultat lasse sich streiten, sagt sie, und wenn man den Film künstlerisch verfehlt nennt, lässt sie das gelten. „Das Wichtigste ist, dass niemand behauptet, die Wahrheit für sich allein zu haben.“

Als Theresa Wolff spielt sie eine Powerfrau in Leitungsposition

Nun also diese Theresa Wolff, Forensikerin und neue Leiterin des Instituts für Rechtsmedizin in Jena. Eine Powerfrau in Leitungsposition, aus Berlin kommt sie nach Thüringen und fegt den kommissarischen Institutsleiter mit einer Selbstverständlichkeit von dem Platz, auf dem er es sich gerade gemütlich gemacht hat, dass es eine Lust ist. Sie stürmt mit der Energie und Leidenschaft der Ella Wendt, die sie in „Charité“ spielte, herein – mit dem Unterschied, dass sich Theresa Wolff ihren Posten nicht erst erarbeiten muss. Diese Frau muss niemandem mehr etwas beweisen, sie weiß, was sie kann – und dass Kommissar Brückner (Thorsten Merten) ohne ihre Fachkenntnis alt aussähe.

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Auch die Schauspielerin Nina Gummich wusste so früh schon, was sie konnte, dass das Schauspielstudium eher beim Verlernen als beim Lernen half. Als sie das erste Mal vor der Kamera stand, war sie neun, vielleicht ein Grund dafür, dass sie in dem Jahr, in dem sie 30 wurde, sagt: „Ich habe mich immer schon alt gefühlt, jetzt bin ich so jung wie nie.“ Bei #allesaufdenTisch, der Nachfolgeaktion von #allesdichtmachen, ist sie bewusst nicht dabei. „Ich hatte nicht genug Zeit, mich wirklich intensiv damit zu beschäftigen“, sagt sie. „Ich will nur Dinge machen, hinter denen ich wirklich stehe.“

„Theresa Wolff“, am 9.10. um 20.15 Uhr im ZDF sowie schon jetzt in der Mediathek.

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