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Ausblick auf die Zukunft des Rechenzentrums Potsdam. 

© Sebastian Gabsch

Potsdamer Rechenzentrum feiert Geburtstag: Fünfjahresplan für die Kreativwirtschaft

Das Künstlerhaus Rechenzentrum in der Dortustraße hat seinen dritten Geburtstag gefeiert.

Potsdam - Geburtstage mit Zeitlimit wirken irgendwie sonderbar. So auch am vergangenen Wochenende, an dem das Rechenzentrum seinen dritten Geburtstag feierte und das Motto kurzerhand „auf die nächsten 5“ lautete – in fünf Jahren soll mit der Kunst im maroden Gebäude endgültig Schluss sein. Eigentlich hätte sich die Nutzung schon an genau diesem Wochenende erledigt gehabt; erst das Einlenken der Stiftung Garnisonkirche, auf deren Grundstück das Rechenzentrum steht, machte eine temporäre Weiternutzung möglich. Die nächsten fünf Jahre soll zunächst der Turm entstehen, das Kirchenschiff soll später folgen. Symbolik hin oder her, es ist eben immer noch ein spürbares Tauziehen zwischen Garnisonkirchenstiftung und der gebündelten Kreativität von über 250 Künstlern in direkter Nachbarschaft.

Und immer noch ein Politikum: Denn ohne die Unterstützung der Stadtpolitik könnte es finster werden für die Potsdamer Kreativszene. Zwar soll an der Alten Feuerwache tendenziell ein neues Quartier entstehen, aber die Verunsicherung ist dennoch greifbar – zumal die Miete im Rechenzentrum erst erhöht wurde, von sieben Euro pro Quadratmeter auf knapp zehn. Der große Exodus blieb zwar aus, aber Mieten sind in Potsdam grundsätzlich existenziell. So wurden – was für ein Schachzug – am Samstag eben fünf der sechs Potsdamer OB-Kandidaten auf die Geburtstagsparty eingeladen: die parteilose Martina Trauth, die für die Linken-Fraktion aufgestellt wurde, SPD-Mann Mike Schubert, Janny Armbruster von den Grünen, Die-Andere-Kandidat Lutz Boede sowie der CDU-Kandidat Götz Friederich. Dass AfD-Kandidat Dennis Hohloch fehlte, ist nachvollziehbar – hatten sich die Rechtspopulisten doch bereits offen gegen das Rechenzentrum positioniert.

Dass sich die verbliebenen Kandidaten nun als Befürworter des Rechenzentrums und als regelmäßige Gäste präsentierten – schön für die Geselligkeit, aber konkrete Zusicherungen fielen nicht. Wie auch? Dass etwa Götz Friederich sich für die Förderung der Kreativwirtschaft einsetzen will, ist gut – allein das Wort Wirtschaft schabt an der Lebensrealität der meisten Kreativen; denen geht es um eine andere Art der Vermehrung. Da ging auch Schubert mit, der für eine Individualförderung statt einer Förderung des ganzen Hauses plädierte. Nicht ganz unerwartet also, dass den meisten Applaus Lutz Boede erntete, der einen Erhalt des Gebäudes für 30 bis 40 Jahre für realistisch hält. Oder auch bei Martina Trauth, die die „Hinterzimmerpolitik“ der Stadtverordneten kritisierte. Das Thema wird wohl auch nach der OB-Wahl nicht vom Tisch sein.

Stephanie Neumann hat das Rechenzentrum in seinen verschiedenen Zeitschichten interpretiert.
Stephanie Neumann hat das Rechenzentrum in seinen verschiedenen Zeitschichten interpretiert.

© Neumann

Eines der schönsten Geburtstagsgeschenke gab es von Stephanie Neumann, die ihre Fotoausstellung „RZ - Porträt eines Gebäudes“ eröffnete: Ihre Fotos hielten das Unfertige im Unfertigen fest, Aufnahmen von klobigen Monitoren und Kabeln, die ins Leere laufen. Das hat Charme: Man sieht beim besten Willen keine Patina auf den Aufnahmen, das ist purer Verfall, als ob nie wieder etwas zurückkehren würde. Tut es aber doch. Und diesen Aufnahmen gibt Neumann den Kontext, indem die Fotos einfach rahmenlos an die fleckigen Wände geklebt werden. Das könnte witzig sein, spürte man das Damoklesschwert nicht.

Auf dem Parkplatz dann eine Performance der Theatergruppe „Fritz Ahoi!“: Mensch-ärgere-dich-nicht zum Mitmachen. Anfangs wurde noch gewürfelt, aber natürlich blieb es nicht dabei. Statt Würfeln hieß es dann: Regeländerung! Weiter kam nur, wer die Highlights des Whataboutism in der Debatte um die Stadtgestaltung mit der nötigen Sachlichkeit vortragen konnte – ob die ausgewählten Zitate sachlich genug waren, entschied der Applaus. Klatschen und Johlen also für „Das Gebäude ist deplatziert, hässlich und nicht mehr länger nutzbar“. Viel Zynismus am Abend, der jedoch durch das anschließende Konzert von Soul Dressing neutralisiert werden konnte. Also gut: auf die nächsten fünf Jahre! Mindestens. 

Oliver Dietrich

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