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"Unter Verschluss" vom Poetenpack.

© Jana Weers/promo

Potsdamer Poetenpack inszeniert "Unter Verschluss": Schmieriger Machtmissbrauch

Das Poetenpack führt derzeit auf der Zimmerbühne den Thriller „Unter Verschluss“ von Pere Riera auf. Es ist die erste Regiearbeit von Simone Kabst, die bereits über reichlich Spielerfahrung beim Poetenpack verfügt.

Potsdam - Eigentlich könnte das Ganze auch mit explosiven Ausbrüchen zugespitzt werden, denn es wird ja in dem Stück „Unter Verschluss“ des 1974 in Barcelona geborenen katalanischen Autors Pere Riera so richtig dreckig. Doch die Regisseurin Simone Kabst wartet eher mit leisen Tönen auf. In den gut neunzig Minuten, quasi in Echtzeit, werden Themen unter die Lupe genommen, die uns heute vor allem in der Politik beschäftigen: Macht und Moral, Karriere und Privatleben, Wahrheit und Betrug. Man wird nach und nach in das Geschehen hineingerissen. Ein bisschen Amüsement gibt es, doch vor allem ärgert man sich über den schmierigen Machtmissbrauch, der in dem Stück zutage tritt. Am Ende herrscht darüber sogar Sprachlosigkeit.

Die populäre Politikjournalistin Sílvia Utgés (Sophie Lochmann), mit eigener Fernsehsendung, ist bei Recherchen zu einem Interview mit dem amtierenden Präsidenten eines Landes, Victor Bosch, (Sephan Schill) auf Beweismaterial für einen sexuellen Missbrauch einer Minderjährigen gestoßen. Der Präsident hat ihr ein Interview bewilligt. Sie möchte ihm dabei Fotos als Beweis vorlegen und ihn zur Rede stellen. Das Pikante dabei ist jedoch: ausgerechnet Silvias Berichterstattung trug dazu bei, dass der Hoffnungsträger Victor Bosch zum Präsidenten gewählt wurde. Soll sie ihn jetzt zu Fall bringen und damit die Stabilität des Landes gefährden? Der schwer durchschaubare Pressesprecher des Präsidenten, Cáceres, (Andreas Klopp) dessen „Äußereres sauberer ist als sein Mundwerk“ wie Silvia über ihn urteilt, versucht über sexuelle Avancen, die er der Journalistin unterstellt, diese zu verunsichern. 

Anders als zunächst geplant

Und kurz bevor das Interview startet, bekommt Sílvia Utgés einen Anruf, dass man ihre Tochter wegen Drogenbesitzes auf dem Schulhof verhaftet hat. Nun kommt die Journalistin in die Situation, den Begriff „Wahrheit“ selbst neu zu definieren. Der Präsident und sein Pressesprecher wollen ihr bei der Lösung des Drogenproblems der Tochter behilflich sein. Alles wird zur Verschlusssache. Das Fernsehinterview verläuft anders als sie es zunächst plante.

Die Journalistin Sílvia Utgés kennt die Geheimnisse des Staatspräsidenten Victor Bosch, doch der hat sie in der Hand.
Die Journalistin Sílvia Utgés kennt die Geheimnisse des Staatspräsidenten Victor Bosch, doch der hat sie in der Hand.

© Poetenpack

Im Jahre 2013 wurde „Unter Verschluss“ erstmals in Barcelona gezeigt. Erstaunlicherweise haben das Stück bislang nur wenige deutsche Theaterbühnen in ihrem Spielplan aufgenommen. Das Potsdamer Theater Poetenpack zeigt es nun auf der Zimmerbühne (Zimmerstraße 12 b), dem zeitweiligen Domizil der freien Theatertruppe, die in diesem Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum mit sechs Premieren und zehn Wiederaufnahmen feiert.

Der mit sparsam ausgestattete Raum, früher ein Kirchsaal, ist der richtige Ort für den spannenden Thriller, der zu Diskussionen auffordert. Das Publikum sitzt nah am Geschehen und kann jede Figur in ihrer Komplexität für sich ausleuchten. Nachdem es am Freitag im brandenburgischen Landtag bereits eine Voraufführung gab, war am Samstag in der Zimmerbühne Premiere.

Ein Kammerspiel mit Fokus auf der Sprache

Offenbar war es gut, dass die Schauspielerin Simone Kabst, die mit reicher Spielerfahrung beim Poetenpack aufwarten kann, ein Drei-Personen-Stück in den sehr nüchternen Bühnenraum (Ausstattung: Janet Kirsten) brachte. Somit konnte sie sich in ihrer ersten Regiearbeit mit besonderer Aufmerksamkeit und Genauigkeit ihrer Kollegin und den beiden Kollegen widmen. Sie lässt nicht vom Blatt spielen. Sie vertraut vor allem der Eigendynamik der Sprache, deren teilweise böser Sarkasmus und Zynismus sich in geschliffenen Pointen gefällt. Die deutsche Übersetzung lieferte Philipp Löhle, der selbst mit eigenen Stücken hervorgetreten ist.

Simone Kabst fokussiert ihre drei Darsteller auf die Sprache und lässt keinen Zweifel daran, dass „Unter Verschluss“ ein Kammerspiel ist, in dem das Spiel eher reduziert über die Bühne geht. Doch so manche Facette aus dem Innenleben der Protagonisten, vor allem von Silvia und Victor Bosch, wird hier überzeugend offengelegt. Sophie Lochmann spielt die Silvia als knallharte und der Wahrheit verpflichtete Journalistin. Zunächst hat sie sich stets unter Kontrolle, doch der Frust über ihre privaten Probleme lässt sie fast zusammenbrechen. Stephan Schill ist ein zuvorkommender, leiser und souveräner Politiker, der aber in der entscheidenden Minute weiß, wie er dem Fernsehpublikum Honig um den Bart schmieren kann. Andreas Klopp spielt den glatten, devoten und frauenfeindlichen Pressesprecher, einen Ekel, dem man nicht begegnen möchte. 

>>Die nächsten Vorstellungen in der Zimmerbühne, Zimmerstraße 12b, am 15. und 16. November, 19.30 Uhr, und am 17. November um 18 Uhr. Telefonische Kartenbestellung unter Tel.: (0331) 951 22 43

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