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Gerd Nefzer erhielt seinen ersten Oscar 2018 für die Spezialeffekte in „Blade Runner 2049“.

© Manfred Thomas

Potsdamer Oscar-Hoffnung: Der Wüstenmacher

Künstliche Sandstürme und Palmblätter aus Stahl: Der Babelsberger Spezialeffekte-Experte Gerd Nefzer ist mit „Dune“ für seinen zweiten Oscar nominiert.

Potsdam - Im Wetter machen ist er Weltklasse, den ersten Oscar erhielt Gerd Nefzer 2018 für die Arbeit am atmosphärischen Science-Fiction-Streifen „Blade Runner 2049“. Jetzt ist der Babelsberger Spezialeffekte-Experte erneut für den wichtigsten Filmpreis und den ebenso renommierten britischen Filmpreis Bafta nominiert: Für das Sci-Fi-Epos „Dune“ hat er den titelgebenden Wüstenplaneten zum Leben erweckt. Der Film des kanadischen Regisseurs Denis Villeneuve nach dem Buch von Frank Herbert spielt in einer fernen Zukunft, in der verschiedene Herrscherhäuser über die Macht im Universum und den Wüstenplaneten mit der Wunderdroge Spice kämpfen. Mit zehn Oscar-Nominierungen gilt der Film als einer der Favoriten bei der Oscar-Verleihung am 27. März.

Gerd Nefzer hat mit seinem Team Schauspieler im Sand versinken, Flugmaschinen dem Sandsturm trotzen und die Wüste erbeben lassen, wenn gigantische Sandwürmer sich aus der Tiefe erheben. Das alles nicht digital am Computer, sondern in Handarbeit, mit aufwendigen Spezialanfertigungen und Maschinerien am Set. Spezialeffekte oder Special Effects sind nicht zu verwechseln mit den computergemachten Visual Effects, auch wenn das oft passiert, wie Nefzer im Gespräch mit den PNN sagt. Die Oscar-Nominierung für „Dune“ teilt er sich mit den drei Kollegen, die die Computereffekte verantworten.

Dass ein deutsches Spezialeffekte- Team überhaupt eine zweite Oscar-Nominierung bekommt, sei einmalig, sagt der 56-jährige Schwabe im weichen Dialekt seiner Heimat: „Das fühlt sich natürlich super an.“ Anders als 2018 wird er diesmal auch Zeit haben, den roten Teppich in Hollywood, die Preisverleihung und das Drumherum zu genießen, weil er aktuell nicht in Dreharbeiten steckt. Drehstart für den zweiten Teil von „Dune“, bei dem er wieder dabei ist, ist voraussichtlich im Juli.

Jordanischer Sand wurde nach Budapest geliefert

Teil eins entstand noch vor der Corona-Pandemie. Wer Nefzer zuhört, der bekommt einen Eindruck davon, welcher Aufwand betrieben wird, damit am Ende auf der Leinwand selbst in kurzen Szenen alles stimmt – und mit welch großer Freude am Tüfteln und am Detail er bei der Sache ist.

Zum Beispiel, wenn es um einen Sandsturm geht: Weil die Dreharbeiten in Budapest begonnen haben und es später in Jordanien in der Wüste weitergehen sollte, habe man sich Proben vom jordanischen Sand nach Budapest kommen lassen, erzählt Gerd Nefzer: „Um die richtige Farbe zu treffen – das muss ja passen.“ Für die Kamera werde nicht mit echtem Sand gearbeitet, sondern mit einem speziellen Filmstaub. Der wird in riesige Windmaschinen – „da reden wir von 300 bis 500 PS“ – reingeschaufelt und verwirbelt. Bis zu zehn Stück dieser Windmaschinen seien bei „Dune“ nebeneinander im Einsatz gewesen, pro Maschine braucht es „zwei bis drei Mann“ zur Bedienung, erklärt Nefzer.

Die Sandstürme auf dem Wüstenplaneten erschufen Nefzer und sein Team mit riesigen Windmaschinen und speziellem Filmstaub.
Die Sandstürme auf dem Wüstenplaneten erschufen Nefzer und sein Team mit riesigen Windmaschinen und speziellem Filmstaub.

© Gerd Nefzer

In der jordanischen Wüste war dann zusätzlich auch echter Sand im Spiel: „Das kann man gar nicht verhindern.“ Nicht nur für die Schauspieler sei das eine schmerzhafte Angelegenheit, auch für die Technik ist der sprichwörtliche Sand im Getriebe ein Problem, wie der Spezialeffekte-Mann am Verschleiß bei den Windmaschinen merkte: „Wenn Sie drei Sandstürme gedreht haben, müssen Sie den Propeller wechseln.“ Der Wüstendreh war überhaupt voller Herausforderungen: „Bewegen Sie mal ’ne Windmaschine von A nach B – im Sand!“

Um Schauspieler im Sand versinken zu lassen, versah Nefzer eine große Stahlplatte mit einem Vibrationsmotor, den man in verschiedenen Geschwindigkeiten bewegen konnte. Mit trockenem Sand befüllt, ergab das schließlich den richtigen Effekt. „Wir haben ewig herumprobiert“, erzählt er.

Palmen wurden mit Blättern aus Stahl präpariert

Auch auf eine Szene mit 20 brennenden Palmen ist er stolz. Da die Dreharbeiten an diesem Set mehrere Tage dauerten und nicht einfach immer neue Palmen abgefackelt werden können, präparierte Nefzer mit seinem Team Palmen mit Blättern aus Stahl. „Wir haben an die 300 Palmblätter aus 1,5 Millimeter starkem Stahlblech lasern lassen“, erzählt er. 

Jedes musste danach einzeln verdreht und gebogen werden, damit alles natürlich aussieht. Außerdem wurden die Blätter mit einem Speziallack behandelt, damit sie im Feuer nicht kaputt gehen. Jeweils im Blattstrunk war ein Rohr verbaut, damit die Palmen mit Propangas und Alkohol in Flammen gesetzt werden konnten. Die Zuleitung wurde in die Palmstämme eingebettet, die dafür aufgeschlitzt und wieder verschlossen werden mussten. „Allein das waren zwei bis drei Wochen Arbeit“, sagt Nefzer. Auch im Trailer ist das Ergebnis kurz zu sehen.

Für brennende Palmen fertigten sie hunderte Palmblätter aus Stahlblech.
Für brennende Palmen fertigten sie hunderte Palmblätter aus Stahlblech.

© Gerd Nefzer

Eine Herausforderung war auch die Arbeit mit den sogenannten Ornithoptern – einer Libelle abgeguckte Fluggeräte der Zukunft, mit denen sich die Figuren in der Welt von „Dune“ bewegen. Nefzer und sein Team operierten mit riesigen Kran-Rigs. Sogar eine eigene Straße sei gebaut worden: „Darauf haben wir den 400-Tonnen-Kran in die Wüste gebracht“, erklärt Gerd Nefzer. Am Kran waren die Flugmaschinen befestigt. „Dann wurde mit Staub und Wind und Sand auf das Cockpit geschossen.“

Rund 60 Leute allein für die Spezialeffekte

Insgesamt sind bei einem Großprojekt wie „Dune“ bis zu 60 Leute allein mit den Spezialeffekten befasst, sagt Nefzer. Viele davon sind als freie Mitarbeiter auf Projektbasis dabei. Die Nefzer Babelsberg GmbH beschäftigt rund zehn Festangestellte. Die Flexibilität sei wichtig, weil die Auftragslage im Filmgeschäft nicht immer gleich gut ist, auch mal mehrere Monate ohne Film vergehen können, erklärt Gerd Nefzer.

Der studierte Agrartechniker und Landwirt ist über seinen Schwiegervater in die Filmbranche gekommen. In den 1980er Jahren stieg er in die 1968 von Karl Nefzer gegründete Firma in Schwäbisch Hall ein, in der auch sein Schwager Uli Nefzer arbeitet. Bis heute ist es ein Familienunternehmen. Schon vor dem Mauerfall waren die Nefzers ab und an in Berlin für Dreharbeiten. Recht bald danach habe man Kontakt zur Defa aufgenommen und schließlich in Babelsberg eine Filiale gegründet, erzählt Gerd Nefzer. Es fing an mit einer angemieteten Garage für ein paar Nebelmaschinen, dann zwei Lagercontainern, dann vier, dann kam die Übernahme des Spezialeffekt-Fundus. „Mittlerweile gehören wir hier fast schon zum Inventar“, sagt Nefzer. An praktisch allen Babelsberger Produktionen der vergangenen 29 Jahren waren die Nefzers beteiligt.

Mit dem dritten Teil der „Unendlichen Geschichte“ ging es los

An den ersten dortigen Job 1993 für den dritten Teil der „Unendlichen Geschichte“ erinnert sich Gerd Nefzer gern. Damals war er als Assistent unter Leitung seines Schwagers dabei. „Man stand schon mit großem Respekt vor den Hallen und der Geschichte von Studio Babelsberg“, erzählt er. Das Studio habe sich in den rund 30 Jahren seitdem verändert, mehrere Studiochefs sind gekommen und gegangen, heute wird nur noch ein Bruchteil der einst rund 2500 bei der Defa angestellten Mitarbeitenden beschäftigt, mit Corona kamen wieder ganz neue Test- und Hygienemaßnahmen an die Filmsets. „Aber das alte Flair der Studiohallen, das ist geblieben“, sagt Gerd Nefzer.

Nefzer mit seinem Oscar und Fuchur aus "Die unendliche Geschichte".
Nefzer mit seinem Oscar und Fuchur aus "Die unendliche Geschichte".

© Manfred Thomas

Dass die Digitalisierung echte Spezialeffekte irgendwann überflüssig machen könnte, glaubt er nicht. Auch auf diesem Gebiet habe sich die Arbeit geändert, „da muss man sich eben anpassen“, sagt er. Pyrotechnik und Einschüsse übernehmen mittlerweile zwar oft die Visual Effects-Kollegen am Computer. Aber wenn es um mechanische Gerätschaften wie Flugobjekte bei „Dune“ geht, dann ist Handwerk nach wie vor gefragt. Auch im neuen LED-Studio in Babelsberg, wo virtuelle Hintergründe auf eine LED-Wand projiziert werden können, und wo gerade die Netflix-Serie „1899“ entsteht, waren die Nefzers dabei: Sie bauten eine auf 25 Tonnen ausgelegte Drehscheibe mit 21 Metern Durchmesser ein. „Die Kombination von Visual Effects und Special Effects ist wichtig“, glaubt Gerd Nefzer. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Job in den nächsten 20 Jahren wegfällt.“

Auch seinem schwäbischen Zuhause blieb er treu 

Ob die Nefzer Babelsberg GmbH auch in der nächsten Generation ein Familienunternehmen bleibt, ist noch offen. Sein Sohn und seine Tochter, 19 und 22 Jahre alt, seien zwar interessiert am Filmgeschäft, hätten ab und an auch mitgeholfen, sagt Gerd Nefzer. Aber es sei ein sehr zeitraubender Job, und zwingen werde er niemanden. „Der heutigen Jugend ist die Work-Life-Balance wichtig.“

Obwohl er seit fast 30 Jahren in den Studios arbeitet und Babelsberg seine „zweite Heimat“ nennt, ist Gerd Nefzer auch seinem schwäbischen Zuhause treu geblieben. In Babelsberg teilt er sich eine Wohnung mit Kollegen, am Wochenende geht es – wann immer möglich – ins „Schwabeländle“, wo seine Familie lebt.

Seine Frau wird ihn auch zur Preisverleihung für den Bafta am 13. März in London und die Oscars am 27. März in Los Angeles begleiten. Vorher will Gerd Nefzer nicht nur seine Corona-Pfunde loswerden, wie er lachend erzählt: „Sonst passe ich nicht mehr in meinen Tuxedo.“

Publikum kann sich an Wahl beteiligen

Er kann auch abstimmen über die Oscar-Preisträger – denn seit 2018 ist er selbst Mitglied der Oscar-Academy. Die rund 80 nominierten Filme kann er sich online ansehen, die Abstimmung verläuft digital. Die internationale Konkurrenz sei groß, Deutschland hinke hinterher, findet Gerd Nefzer und wird ernst. Es gebe zu wenig heimische Produktionen mit Topniveau. Sowohl die Filmförderung als auch Produzenten müssten mehr riskieren, damit die Arbeitsplätze in der Filmindustrie, aber auch der Standort Babelsberg erhalten blieben. „Da muss mehr passieren, sonst werden wir abgehängt.“

Erstmals fragt die Oscar-Academy in diesem Jahr auch das Publikum nach seiner Meinung und ruft dazu auf, unter dem Hashtag #OscarsFanFavorite auf Twitter seine Lieblingsfilme zu nennen. „Ich hoffe, es voten alle für Dune“, sagt Gerd Nefzer.

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