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Die Woehl-Orgel in der Friedenskirche Potsdam.

© Andreas Klaer

Potsdamer Orgelsommer in der Friedenskirche: Die milde Gewalt der Kunst

Nikolai-Kantor Björn O. Wiede spielte auf der Woehl-Orgel der Friedenskirche. Er würdigte Bach, Liszt und den ersten Dichter-Musiker der Menschheitsgeschichte: Orpheus

Potsdam - Dass Orgelmusik als ein farbiges, schillerndes und tiefgründiges Klangereignis zu erleben ist, konnten zahlreiche Besucher am Mittwochabend (13.7.) während des Orgelsommers Potsdam konstatieren. Der künstlerische Leiter des Musikfestivals, Björn O. Wiede, Kantor der St. Nikolaikirche, spielte in der Friedenskirche Sanssouci auf der symphonischen Woehl-Orgel Werke der Romantik und brachte das reich differenzierte Spektrum des Instruments zur Entfaltung.

Zum Auftakt des Konzerts gab Wiede einen Einblick in seine Improvisationskunst. Mit der Tokkata G in baroque hatte der Organist Johann Sebastian Bach im Blick und gab ihr doch eine ganz eigene Note - immer hell, freundlich und brillant. Klang die Tokkata eher kammermusikalisch, so ließ Wiede seine Improvisation „Bagatelle - Mit Flügeln, die ich mir errungen“ über den Choral in Gustav Mahlers 2. Sinfonie zeitweise als fast überbordendes Monumentalwerk erklingen, ohne aber das Kammermusikalische zu vernachlässigen.

Björn O. Wiede ist der Kantor von St. Nikolai am Alten Markt, beim Orgelsommer war er in der Friedenskirche zu Gast.
Björn O. Wiede ist der Kantor von St. Nikolai am Alten Markt, beim Orgelsommer war er in der Friedenskirche zu Gast.

© Ronny Budweth

Liszts Huldigung an Bach

Viel zu selten sind Werke von Franz Liszt zu hören, der nicht nur ein hervorragender Pianist gewesen sein muss, sondern auch ein Organist von gleichem Format, als Komponist von Orgelmusik ebenso. Besonders Liszts musikalische Huldigung an Johann Sebastian Bach ist berühmt geworden: „Das Präludium und Fuge über den Namen BACH“. Björn O. Wiede arbeitete in diesem Werk nicht nur die extremen, dynamischen Kontraste heraus, sondern auch dramatische Wendungen mit angemessener Schwere.

Ebenfalls als Huldigung erweist sich Franz Liszts symphonische Dichtung an den ersten Dichter-Musiker der Menschheitsgeschichte: Orpheus. Dessen Harfenklänge und Gesänge offenbaren „die milde Gewalt der Kunst, den Glanz ihrer Glorie, ihre völkererziehende Harmonie“, so Liszt. Viel Lyrisches weist „Orpheus“ auf, das Wiede weitgehend undramatisch, dafür aber sensibel und organisch phrasierend als fließendes Wechselspiel behandelte. Das Ergebnis war ein harmonisch und ätherisch weicher Gesamtklang, wie man ihn so bei Liszt selten hört.

Ein französisches Geburtstagskind

Die Musikwelt feiert in diesem Jahr den 200. Geburtstag des großen französischen Komponisten César Franck, der sich als Organist in Paris vor allem dem Komponieren von Orgelmusik zuwandte. Björn O. Wiede hat in sein Orgelsommer-Programm zwei monumentale Werke des Franzosen aufgenommen: den „Choral h-Moll“ sowie das „Finale op. 21“ aus den sechs Stücken für eine große Orgel.

Wiedes Wahl der Registrierung wirkte dabei adäquat, indem er zwischen den Registern ein atmosphärisches Frage-und-Antwortspiel inszenierte. Gleichzeitig arbeitete er nur das heraus, was in den Stücken bereits angelegt ist: Echo-Effekte, Imitationen, obsessive Akkordwiederholungen, Kanons und nicht zuletzt schwärmerische, unendliche Melodien. Ohrwürmer, die den Wagner-Verehrer in Franck durchscheinen lassen. Björn O. Wiede wurde von den Zuhörerinnen und Zuhörern herzlich gefeiert. 

Das nächste Konzert des Orgelsommers Potsdam findet am 22. Juli, 19.30 Uhr, in der Erlöserkirche, Nansenstraße, statt. Rudolf Berchtel spielt an der Schuke-Orgel.

Klaus Büstrin

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