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So werben die Macher der Musikfestspiele für das diesjährige Programm: Friedrich II mit Joint.

© Musikfestspiele Potsdam Sanssouci/Gemälde: Graff, Anton, Friedrich der Große, GK | 5615. | SPSG

Potsdamer Musikfestspiele 2020: Alte Musik im geblümten Gewand

Die Musikfestspiele setzen 2020 auf Flower Power und gewagte Kombis. Ein Blick in das geplante Programm. 

Von Helena Davenport

Potsdam - Ein Woodstock-Revival auf der Liegewiese von Sanssouci – Vorhaben und Ort klingen erst einmal nicht wirklich miteinander vereinbar. Gepflegte Gartenkultur war selten Sinnbild für Freiheit. Und dennoch wollen die Macher der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci in diesem Jahr eine Verknüpfung herstellen. „Flower Power“ lautet nämlich ihr Motto für die Spielzeit vom 12. bis zum 28. Juni. Der Anlass: Jimi Hendrix’ Todestag jährt sich – nachdem Woodstock im vergangenen Jahr jubilierte – 2020 zum 50. Mal. Okay, mag man sich da denken, aber das hat ja alles nicht viel mit Potsdam zu tun. Außerdem stehen die Musikfestspiele weniger für die die Hendrix’sche Rockmusik, sondern eher für Alte Musik. Für Klassik, Barock, Romantik.

So viel zum ersten Eindruck. Bei einem genaueren Blick ins Programm, welches die Intendantin der Festspiele, Dorothee Oberlinger, und ihr Team erarbeitet haben, findet man jedoch schnell Gefallen an der Experimentierfreude. Die Kombinationen bleiben gewagt, können dadurch aber möglicherweise neue Spielräume eröffnen. Gleich zu Anfang interpretieren vier Virtuosen – darunter der Violinist Dmitry Sinkovsky – zusammen mit dem belgischen B’Rock Orchestra Georg Friedrich Händel neu und verbinden unter anderem seine Ouvertüre zu „Messiah“ mit Hendrix-Variationen von dem US-amerikanischer Lautenisten und Komponisten Lee Santana. In der Friedenskirche soll dieses erste Konzert stattfinden. Zur bunten Hippiezeit, die Hendrix mit seinen genialen Gitarrenkniffen noch bunter machte, habe man sich nach Authentizität gesehnt – und hierfür stehe auch die Alte Musik, erklärt Carsten Hinrichs, Dramaturg des Musikereignisses bei einem Besuch in der Redaktion. Was nicht jeder weiß: Händel und Hendrix teilen sich außerdem ein Museum im Londoner Stadtteil Mayfair.

Dorothee Oberlinger.
Dorothee Oberlinger.

© Sebastian Gabsch

Ein lockerer Rahmen wird versprochen

Utopien stehen für die Hippiezeit, Aufbruch, der Wunsch nach Revolution, die Rückkehr zur Natur und das Blumenmotiv – Symbol für Bewegung, Zerbrechlichkeit, Vergänglichkeit, Berauschung und Gemeinsamkeit, so die Flötistin Dorothee Oberlinger. Auch Potsdams Friedrich widersetzte sich seinem Vater, er scharte Freigeister um sich, beschäftigte sich mit Poesie und Kunst. Darüber hinaus ist Potsdam bekannt für seine Gärten. Man kann sich also doch ein bisschen in die Gedankenkonstruktionen hineinversetzen, die zum Programm geführt haben mögen. Das Titelbild des Programmbüchleins spricht für sich: Der Alte Fritz mit rosa Brille ist hier samt mächtigem Joint abgebildet. Bei vielen Veranstaltungen soll der Rahmen locker sein – ob so locker, wie von der Abbildung transportiert, bleibt allerdings fraglich. Insgesamt vier Musiktheaterstücke sind geplant. 

Am Eröffnungswochenende lockt Montverdis „Orfeo“ als Barock-Oper in den Ehrenhof von Schloss Sanssouci. Die Orfeos Band will unter anderem mit Gitarren und E-Bass für den Rock-Anteil sorgen. Charpentiers „Les Arts florissans“ am 27. Juni dreht sich um den französischen Sonnenkönig, Ludwig IV., der unter einem Lilienwappen herrschte. Auch Tänzer beleben bei der Inszenierung von Damien J. Jarrys mit dem jungen französischen Ensemble Marguerite Louise die Bühne. Schon wieder also eine eigenwillige Kombination.

Purcell-Oper mit kubanischen Rhythmen

Außerdem wird Purcells „Indian Queen“ von 1664 auf die Bühne gebracht, ganz zuletzt, am 28. Juni, open air, auf den Terrassen an der Maulbeerallee. Die Semi-Oper, die ohnehin eine Menge buntes Treiben und Akrobatik beinhaltet, wird noch um kubanische Rhythmen ergänzt. Und zwar von dem Ensembles Ars Longa. Oberlingers persönlicher Höhepunkt ist neben „Händel und Hendrix“ das vierte Musiktheaterstück: „Pastorelle en musique“ von Georg Philipp Telemann. Am 23. Juni weiht Oberlinger als Dirigentin ihres Ensembles 1700 mit diesem Werk das Schlosstheater ein, welches seit 2013 wegen Umbauarbeiten geschlossen ist. Schäferkomödien wie diese habe Friedrich II. sehr gemocht, so Oberlinger. Das Stück passe für die Wiedereröffnung wie die Faust aufs Auge.

Die Musikfestspiele warten auch mit einer Masterclass auf, die im Rechenzentrum stattfinden soll, und mit einem Wandelkonzert im Botanischen Garten. Hier klärt ein Pharmakologe über die Wirkkraft von Blumen auf. Es gibt ein vergängliches Bühnenbild zu sehen, Lunchkonzerte zu hören und es werden wieder Fahrradkonzerte angeboten, bei denen man sich dieses Mal die benötigte Energie erst erstrampeln muss. „Wir wollen unterschiedliche Leute mit unterschiedlichen Erwartungen ansprechen“, sagt die Geschäftsführerin Heike Bohmann. Rund 2500 Karten von insgesamt 13841 seien wegen des Vorkaufsrechts des Fördervereins bereits weg. Das Open Air auf der Liegewiese findet am 20. Juni statt: mit der Folkbarock-Band Brú, einem Frauen-Vokalensemble aus Riga und einem Konzert mit Laute und E-Gitarre. Mal sehen, ob diese Kombination funktioniert.

>>Das vollständige Programm finden Sie unter www.musikfestspiele-potsdam.de

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