zum Hauptinhalt
Der Maler in seinem Atelier. Am Samstag besuchten Potsdamer im Rahmen der „Brandenburger Ateliergespräche“ den Maler Armando an seiner Arbeitsstätte und sprachen mit ihm über seine Bilder.

©  Manfred Thomas

Potsdamer Künstler Armando: Besuch bei einem Radikalen

Der Kurs „Brandenburger Ateliergespräche“ schaute beim Potsdamer Maler Armando vorbei.

Manchmal macht er sie einfach wieder kaputt. Seine Bilder, diese von Farbe überbordenden Werke, die keine Grenze, keinen Rahmen zu kennen scheinen. In seinem Depot in Holland hat Armando einmal an die 40 Bilder auf einmal zerstört. Warum er das tut? Bei manchen kommen ihm nach einer gewissen Zeit einfach Zweifel. Sie genügen seinen Ansprüchen nicht mehr – und dann kennt er auch keine Rücksicht. „Einmal habe ich ein Bild zurückholen lassen, das bereits verkauft war – unter dem Vorwand, noch daran arbeiten zu wollen“, sagt der Künstler und lacht leise. In Wahrheit musste es dran glauben, die Käuferin bekam ein anderes Werk von ihm.

Um solche Anekdoten hinter den Arbeiten von Potsdamer Künstlern zu bekommen, sind knapp 20 Besucher am Samstag in das Atelier des Malers Armando gekommen. „Die Bilder wirken im Atelier oft so völlig anders als in der Galerie oder im Museum“, sagt Jana Walter. Überraschend findet sie es immer wieder, was für ein langer Arbeitsprozess sich hinter den Bildern verbirgt, die am Ende ganz einfach aussehen. „Manchmal steht man ja davor und denkt im ersten Moment: Das könnte ich auch.“ Bei den Künstlern zu Hause entdecke man dann teilweise hochkomplexe Studien und Skizzen – und schon gewinnt man einen ganz neuen Blick auf das, was auf den ersten Blick so simpel aussah. Dann wieder stellt man aber fest, dass viele Künstler weniger theoretisch an ihre Arbeit gehen, als man es vermuten könnte: „Oft malen die einfach los, weil sie vielleicht gerade Lust auf Grün haben, das Werk entsteht beim Malen selbst“, sagt Jana Walter.

Sie ist eine der Teilnehmerinnen des Volkshochschulkurses „Brandenburger Ateliergespräche“ der Kunsthistorikerin Renate Bergerhoff. Etwa viermal pro Semester trifft sich die Gruppe, um einen Künstler zu besuchen. Der oder die muss nicht immer in Potsdam arbeiten, der Kurs reist auch oft ins Umland oder nach Berlin. „Aber selbst, wenn wir uns alleine auf Potsdam beschränken würden, würden wir noch längst nicht alles kennen“, sagt Gisela von Szada-Borzyszkowski. Sie ist die Dienstälteste im Kurs, seit 1995 tourt sie mit ihm durch die Ateliers. Manchmal muss man dazu schon ein wenig findig sein, in Potsdam-Mittelmark lag einmal ein Atelier ganz versteckt im Wald, es dauerte eine Weile, bis alle Teilnehmer den Weg gefunden hatten.

Das größte Abenteuer ist für Gisela von Szada-Borzyszkowski aber die schier unendliche Fülle an Ideen. „Ich finde das unglaublich, dass ich schon so viel gesehen habe – und nie hat sich etwas gedoppelt.“ Selbst dann, wenn man feststelle, dass ein Künstler die Welt ähnlich sieht wie man selbst: Einer erzählte mal, die Sonne könne man ruhig abschaffen, wenn es nach ihm ginge. Am schönsten sei das Licht, wenn es diesig sei, regnerisch. „Das konnte ich gut verstehen“, sagt die zierliche blonde Frau.

Armandos Atelier hingegen ist von der tief stehenden Februarsonne durchflutet, sie bringt die großen, bis zu 1,50 mal 2 Meter großen Ölbilder zum Leuchten. In dicken Stapeln stehen sie an den Wänden aufgereiht, eines nach dem anderen entblättert eine Mitarbeiterin. Die Gruppe schaut erst einmal schweigend zu. „Ich höre gar nichts, zum Beispiel, dass es hässlich ist“, sagt Armando irgendwann. Trotzdem dauert es noch etwas, bis die ersten Fragen kommen, sich eine Diskussion entspinnt. Tatsächlich ist es aber auch so, dass man Armandos Bilder eine Weile wirken lassen muss. Die viele Farbe, die er meist mit den Fingern aufträgt und die am Bildrand nicht unbedingt enden will. „Alles fließt“, stellt einer aus der Gruppe fest. Beim Hinschauen gibt es keinen Kompromiss, keine Ausflucht, keinen Frieden. Die Farbe ist überall und sie fordert den Betrachter. Aber immer ist klar, worum es geht: die See, einen Waldweg, einen Menschen. „Ich weiß immer ungefähr genau, was ich mache, ich mache mir vorher viele Skizzen“, sagt Armando. „Mit dem Kugelschreiber“, fügt seine Mitarbeiterin lächelnd hinzu.

Dann entstehen Bilder wie das einer roten Gestalt, die abwehrend die Hände nach vorne streckt. „Ich denke, das hat was mit meinem Leben zu tun“, sagt Armando. Als Kind hat der 1929 geborene Künstler während des Zweiten Weltkriegs den Einfall der SS in Holland erlebt, sah mit an, wie die Nazis nahe seiner Heimatstadt Amersfoort ein Konzentrationslager errichteten. Er war dabei, als auf seiner Heide Massengräber ausgehoben wurden. Jahre später berichtete er auch als Autor aus Berlin über schuldige Wohnungen, Häuser, wie er es nennt, in denen Menschen ermordet wurden. Über die Erinnerungen anderer Leute. Auch über die der Täter. Er machte sich nicht nur Freunde, als er 1960 sein Buch „De SS’ers“ herausgab: mit Interviews von Holländern, die sich freiwillig zur SS gemeldet hatten. Daneben spielte er Geige – und boxte, auch, um Geld für die vielen Schichten Ölfarbe zu verdienen. Ein kleines Blechspielzeug, ein Boxring en miniature, erinnert in seiner Atelierküche noch heute daran.

Nach Potsdam kam er durch Zufall. Dass die Stadt eine lange Geschichte mit seinem Heimatland verbindet, eine holländische Gemeinschaft hat, interessiert ihn nicht so. „Ich bin keiner, der sich hier nach anderen Holländern umguckt“, sagt er. Viel Zeit dazu hätte er wohl ohnehin nicht. Vier Stunden braucht er für eines seiner großen Formate, sieht man die schiere Fülle seiner Arbeiten allein im Atelier, wird klar, wie produktiv er ist. „Länger darüber nachdenken will ich nicht – ich bin immer neugierig, wie es am Ende aussieht. Das ist wie ein Krimi für mich“, sagt er. Mehrmals im Jahr werden sie in seine Galerie in Holland geschickt, in der Nähe von Utrecht wird gerade eine ständige Sammlung seiner Werke eingerichtet. In Potsdam gab es zuletzt im vergangenen September eine Ausstellung seiner Bilder im Kunstraum des Waschhauses.

Woher er die Inspiration nimmt, die Energie? Das ist alles schon in ihm drin, rausgehen, in die Natur, zu den Bäumen, Büschen und Meeren, die er abbildet, muss Armando nicht mehr. „Das habe ich mit 17 Jahren gemacht, jetzt ist mein Kopf voll. Leider.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false