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Die Übersetzerin Zaia Alexander lebt seit 12 Jahren in Potsdam, 2020 erschien ihr Romandebüt „Erdbebenwetter“.

© Tobias Böhm

Potsdamer Autorin Zaia Alexander im Porträt: „Tiere sind wir alle“

Die US-amerikanische Autorin Zaia Alexander lebt seit zwölf Jahren in Potsdam. Mit "Erdbebenwetter" hat sie ihr Debüt vorgelegt. Ein Roman über Magie, vor allem aber: die Liebe.

Potsdam - Doch, doch, sagt Zaia Alexander: Die Ostsee kann es mit dem Pazifik aufnehmen. Unbedingt! Gerade ist sie auf dem Darß. Urlaub, aber nur halb: schreiben, übersetzen, zwischendrin Meer. Am Telefon klingt sie euphorisiert. Das Wasser, das Licht! Und bei Prerow, das kann sie beschwören, gibt es einen Felsen, der haargenau einem in Santa Monica gleicht. 

Die Ostsee erfüllt ein Versprechen, das Potsdam nicht halten konnte. Als Zaia Alexander vor zwölf Jahren aus Kalifornien nach Potsdam zog, hatte sie gehofft, dass das viele Wasser hier ein wenig die verlorengegangene Nachbarschaft zum Ozean ersetzen würde. Aber der Heilige See bleibt ein kleiner See, auch mit viel Fantasie. Zaia Alexander hat stattdessen die Potsdamer Parks entdeckt, geht jeden Tag im Babelsberger Park spazieren. Sie wohnt ganz in der Nähe.

Das Schreiben auf Deutsch: eine Befreiung

Zaia Alexander ist Übersetzerin, promovierte Germanistin, war in früheren Leben Film-Produzentin und Programmdirektorin des deutsch-amerikanischen Kulturhauses Villa Aurora in Los Angeles. Im vergangenen Herbst hat sie ihren ersten Roman veröffentlicht: „Erdbebenwetter“. 

Geschrieben hat sie ihn auf Deutsch. „Eine Befreiung“, wie sie sagt. Denn: Für Perfektionismus ist in einer Fremdsprache kein Platz. Auf Englisch verfasste Texte waren oft im Papierkorb gelandet. Antje Rávik Strubel, deren „Unter Schnee“ Alexander ins Englische übertragen hat, ermutigte sie, den Roman anzugehen und zu Ende zu bringen. Ohne Antje Rávik Strubel gäbe es „Erdbebenwetter“ nicht, sagt Zaia Alexander. Ihr ist der Roman gewidmet.

Der Roman schreibt Los Angeles herbei

„Erdbebenwetter“ schreibt Alexanders Heimatstadt Los Angeles herbei. Die Hitze, das Meer, die staubigen Straßen, den Geruch nach Salbei, die Nähe zu Hollywood. Und, im Titel schon, die Erdbeben. Der Roman spielt mit der Atmosphäre einer dräuenden Gefahr, der Gegenwart einer animalischen Natur. Gleich zu Anfang tauchen im Stadtgebiet von Los Angeles Kojoten auf. Zivilisation und Wildnis liegen in diesem Buch nahe zusammen. Wie sehr sie tatsächlich zusammengehören, darum geht es hier.

Im Mittelpunkt steht Lou, die anfangs anders heißt. Eine freie Filmproduzentin in Los Angeles, ihre Beziehung mit einer Frau, die sie nur „Comedian“ nennt, ist am Ende. Auch ihre Karriere stockt. Über einen Bekannten aus der Filmbranche lernt sie eine Gruppe von Hexen kennen. 

Sie lässt sich auf den Zirkel ein und akzeptiert, dass er ihr Leben völlig verändert. Sie zieht um, wird „Lou“. Beginnt ein Literaturstudium. Und sie lebt mit einer zugelaufenen Katze zusammen. Wie Zaia Alexander, bis letztes Jahr. Da starb Alexanders Katze, mit 19 Jahren. Auch ohne diese Katze gäbe es den Roman nicht.

Mutter und Tochter: Wer kümmert sich um wen?

Die Katze im Roman rückt bald ins Zentrum des Lebens von Lou und ihrer Tochter. Unmerklich verschiebt sich das Mutter-Tochter-Verhältnis: Schon anfangs ist nicht klar, wer sich eigentlich um wen kümmert. Am Ende ist es die Katze, die eine mütterliche Autorität auf die beiden Menschen ausstrahlt. Und ganz am Ende ist die Katze tot. Oder war sie es nicht schon am Anfang gewesen? 

„Die Zeit verging seltsam“, heißt es einmal, und das gilt auch für das Buch: Es hat eine zeitlose Schwerelosigkeit. „Erdbebenwetter“ lässt sich mit Labels nicht gut einfangen. Seitdem Denis Scheck das Etikett „moderner Hexenroman“ auf den Buchrücken schrieb, muss die Autorin damit leben. 

Und ja, es geht es hier um Magie, oder die Suche danach. Um Frauen, die eine unbestimmte Macht ausüben, Menschen, die über den Rand der Vernunft schauen. Dennoch: „Ich war verwundert, wie bierernst viele dieses Label genommen haben“, sagt Zaia Alexander. Bierernst ist sie selbst nämlich nicht, und auch ihr Roman sollte so nicht sein. 

Ein Hexenroman? Ein Bildungsroman!

Außerdem sieht, wer nur nach Hexen sucht, womöglich nicht, worum es hier noch geht – „eigentlich geht“, sagt Zaia Alexander. „Erdbebenwetter“ ist auch eine Geschichte über das Erwachsenwerden, ein „Bildungsroman“, wie sie sagt. Und einer über die Liebe. Die zwischen Mutter und Tochter, zwischen Tier und Mensch. Vielleicht sogar die zu sich selbst. 

Für Zaia Alexander ist „Erdbebenwetter“ im Herzen eine „Parzival“-Geschichte: Hier macht sich jemand auf die Suche nach dem Gral, und lernt am Ende die Liebe kennen. Aber auch wenn es um große Gefühle und letzte Fragen geht: Erzählt wird das nicht gefühlig. Sondern nüchtern, leicht – und nichts weniger als psychologisierend. Amerikanisch? Ja, das lässt Zaia Alexander gelten.

Melancholie versteckt sich in Humor

Die US-amerikanische Autorin Lucia Berlin (1936–2004), deren Übersetzung von Antje Strubel in Deutschland für ein Revival sorgte, nennt Alexander ein Vorbild. Lucia Berlin erzählte leicht, geradezu trocken von Leben und Tod, Melancholie versteckte sie in Humor: Das ist auch bei Zaia Alexander so. 

Ein anderer literarischer Fixstern ist so fern, so „out of touch“, dass sie ihn nicht Vorbild nennen würde: Virginia Woolf. Gerade hat sie wieder Woolfs „Wellen“ gelesen, „perfekt und genial“. Als nächstes will sie sich „Flush“ vornehmen, Woolfs Roman, der aus der Perspektive eines Hundes erzählt wird. Die Idee ist ihr nahe. „Tiere sind wir alle.“

Buchvorstellung mit Zaia Alexander und Antje Rávik Strubel am 14.6.um 20 Uhr im Brandenburgischen Literaturbüro, Villa Quandt, Große Weinmeisterstraße 46/47 

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