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Maryam (Susana Abdulmajid) und Jibril (Malik Adan) sind durch Jibrils Gefängnisaufenthalt räumlich voneinander getrennt.

© MissingFilms

Potsdamer Abschlussfilm "Jibril" startet im Kino: Das Regiestudium ist abgeschlossen - und dann?

Henrika Kull studierte Regie an der Filmuniversität Babelsberg, ihr Abschlussfilm „Jibril“ lief auf der Berlinale 2018. Diese Woche ist er endlich auf der großen Leinwand zu sehen. Bis dahin war es ein langer Weg.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Die Funken fliegen bereits bei der ersten Begegnung. Ein verstohlener Blick, ein aufforderndes Lächeln. Liebe auf den ersten Blick? Eher nicht. Das was in „Jibril“ von der Potsdamer Filmuniversitätsabsolventin Henrika Kull zwischen den Protagonisten passiert, ist vielmehr Sehnsucht auf den ersten Blick. Eine Sehnsucht, die sich durch ihre gemeinsame Geschichte zieht und die der Film körperlich spürbar macht. Im Februar 2018 feierte „Jibril“ auf der Berlinale in der Sektion Panorama Premiere, diese Woche startet er nun endlich auch regulär im Kino.

Der Film erzählt von Maryam (Susana Abdulmajid), einer jungen alleinerziehenden Berliner Mutter, die auf einer Feier Jibril (Malik Adan) das erste Mal begegnet. Bei der zweiten Begegnung sitzt Jibril im Gefängnis, Maryam bringt ihm ein Paket vorbei, zwischen den beiden entsteht eine Romanze. Für die junge Mutter bedeutet die räumliche Trennung durch das Gefängnis Freiheit, Selbstbestimmtheit – und eine stete Sehnsucht, aus der sie Energie schöpft. Jibril hingegen droht an der Situation mehr und mehr zu zerbrechen.

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Nach der Euphorie die Ernüchterung

Diese Gegenüberstellung, die Projektion der eigenen Wünsche auf die andere Person, hat Henrika Kull fasziniert – aus persönlicher Sicht, wie sie sagt, aber auch aus soziologischer. Die 35-jährige Berlinerin ist studierte Soziologin, stellte jedoch bald fest, dass die filmische Bearbeitungen soziologischer Themen sie mehr erfüllt. Einem Produktionsstudium in Berlin folgte 2014 das Studium in Potsdam. „Jibril“ ist ihr Abschlussfilm, für den sie auch selbst das Drehbuch schrieb. Die Premiere auf der Berlinale im letzten Jahr war aufregend, aber auch mit viel Stress verbunden. „Wir haben noch bis kurz vor der Vorführung, geschnitten und den Abspann fertig gestellt“, erzählt Kull. Die Freude war trotzdem riesig: „Das Panorama war die absolute Traumsektion.“

Kurz danach kam jedoch die Ernüchterung: „Ich war etwas naiv und habe gedacht, der Film kommt schnell auch regulär in die Kinos.“ Doch der Weg auf die große Leinwand war kompliziert und langwierig. Weil „Jibril“ vollkommen ohne Produktionsförderung entstanden ist, gab es auch keine Verleihförderung, wie Henrika Kull erzählt. Der Film entstand lediglich mit dem Abschlussfilm-Budget der Filmuni, privatem Sponsoring und mit Hilfe von Freunden. Die gesamte Crew arbeitete umsonst und um etwa in einem stillgelegten Gefängnis drehen zu dürfen, bot sie handwerkliche Arbeit an.

Henrika Kull.
Henrika Kull.

© privat

"Jibril" wurde mehrfach ausgezeichnet

Außerdem war 2018 sowieso ein schlimmes Kinojahr, der heiße Sommer führte zu leeren Sälen. „Verleiher wollten auch deswegen kein Risiko eingehen“, erzählt die Filmemacherin. Abschrecken lassen hat sie sich davon zunächst nicht: Mit „Jibril“ zog sie von Filmfestival zu Filmfestival, war unter anderem in São Paulo, Taipeh und Moskau. Beim Studio Hamburg Nachwuchspreis wurde „Jibril“ als Bester Film ausgezeichnet, beim Kinofest Lünen erhielt Hauptdarsteller Malik Adan die Auszeichnung als bester Schauspieler. Nominiert war „Jibril“ außerdem beim Deutschen Filmmusikpreis 2018 in der Kategorie „Bester Song im Film“. Dascha Dauenhauer, die ebenfalls an der Filmuni Babelsberg studierte, komponierte das eingängige Lied „Yella Hayat“ sowie den restlichen Soundtrack.

Im Januar dieses Jahres war Henrika Kull kurz davor, ihre Kinobemühungen aufzugeben. „Ich hatte alles versucht“, sagt sie nüchtern. Kurz darauf, im Februar wendete sich das Blatt: „Es war ein Wunder, wir hatten mit MissingFilms einen Verleih gefunden, der so wahnsinnig ist, den Film ins Kino zu bringen.“

Am 9. Mai feiert „Jibril“ nun im Berliner fsk Kino um 20 Uhr Premiere und geht danach auf Kinotour durch Deutschland. In Potsdam wird er leider nicht gezeigt. Für Henrika Kull bedeutet das wieder ein Schwanken zwischen Freude und Stress. Sie steckt nämlich schon wieder im nächsten Filmprojekt, der Dreh soll im Sommer beginnen.

Ein neues Projekt ist in Arbeit

„Glück“, so der Arbeitstitel des neuen Films, erzählt wieder eine besondere Liebesgeschichte. In einem Bordell begegnen sich eine schon erfahrene und eine noch junge Sexarbeiterin, die sich ineinander verlieben. Dabei möchte Kull nicht nur erzählen wie und ob diese Liebe funktionieren kann, sondern auch mit Vorurteilen gegenüber Sexarbeiterinnen aufräumen. Sie hat lange in Bordellen an der Bar gearbeitet, kennt die Szene und hat mit vielen Frauen gesprochen. „Ich rede hier natürlich nur von Frauen, die der Sexarbeit selbstbestimmt nachgehen“, sagt sie. „Zwangsprostitution und Menschenhandel sind natürlich zu verurteilende Verbrechen.“ Ihr gehe es darum, dass der weibliche Körper noch immer von der Gesellschaft vereinnahmt wird und deswegen keiner glauben möchte, dass eine Frau sich freiwillig prostituiert. Dieses Bild wolle sie dekonstruieren.

Das neue Projekt entsteht zwar mit Filmförderung, allein vom Filmemachen leben kann Henrika Kull trotzdem nicht. Zwei Mal in der Woche arbeitet sie als Deutschlehrerin. „Aber ich liebe es nun mal total“, sagt sie. Es sei ein Glück einen erfüllenden Beruf zu haben, in dem sie Geschichten über die Gesellschaft erzählen kann. Die Sehnsucht nach neuen Projekten ist dabei noch lange nicht gestillt. 

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