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Potsdam: Schwingende Klänge und scheppernder Schall

Viller Valbonesi und Giuseppe Guarrera spielen in der Französischen Kirche.

Für ihren Potsdam-Ausflug, den letzten in dieser Saison, haben die Havelländischen Musikfestspiele ein Pianistenduo mit den italienischen Jungkünstlern Viller Valbonesi und Giuseppe Guarrera in die (außerordentlich gut besuchte) Französische Kirche am Bassinplatz entsandt, das die Kunst des Klavierspielens zu vier Händen ganz vorzüglich beherrscht. Als Arbeitsgerät steht ihnen der arg in die Jahre gekommene Bechstein-Flügel aus Kirchenbesitz zur Verfügung, der seine klanglichen Gebrechen nicht verheimlichen kann. Wer ihn zart und leise tastatiert, dem dankt er mit geschmeidigen und schwingenden Klängen. Wer ihn mit kraftvollen, geradezu ruppigen Anschlägen aus der Fassung bringen will oder es werkgerecht tun muss, den bestraft er mit nachgerade schepperndem Schall. Besonders in der Diskantlage. Keine leichte Aufgabe für die beiden jung-frisch agierenden Tastateure, das alte „Schlachtross“ in den Griff zu bekommen.

Zu Beginn nimmt Mutter Gans, die sich à la française „Ma mère l’oye“ nennt und ihre Existenz dem Einfallsreichtum von Maurice Ravel verdankt, den Kirchenraum in Beschlag. Unter ihrer Obhut befinden sich fünf Märchengestalten, allesamt als originale vierhändige Klaviererfindungen. Die beiden Geschichtenerzähler sind bestens aufeinander eingespielt, technisch von staunenswerter Präzision. Sie schwingen im Gleichklang der Empfindungen und des Ausdruckswillen, befleißigen sich dynamischer Nuancierungen ohne vordergründige Mätzchen und händeln die Übergriffe auf der virtuell abgesteckten Klaviatur in gegenseitiger Rücksichtnahme. Weich im Anschlag und voller Poesie erzählen sie zuerst von den Träumen einer schlafenden Schönheit, hinter der sich natürlich Dornröschen verbirgt. Dann erscheint mit kantablem Tastenspiel der „kleine Däumling“, der nicht mehr aus dem Wald herausfindet, weil ihm die Vögel seine ausgestreuten Körner (zwecks Heimwegfindung) aufgepickt haben. Dann feiert ein in fernöstliches Kolorit gekleidetes, hässliches kleines Mädchen als Kaiserin der Pagoden in pointierten, diskantgläsernen Klangfarben ein Laternenfest. Anschließend belauschen wir ein Gespräch zwischen der Schönen und einem tierischen Biest, das sich alsbald in einen schönen Jüngling verwandelt. Eine rundum glückliche Verwandlung ist es nicht, da sich der Konzertflügel selbiger weitgehend verweigert. Das Finale findet im schillernden Märchengarten statt.

Was der 16-jährige Wolfgang Amadeus Mozart in jugendlichem Überschwang in die sprudelnde D-Dur-Sonate KV 381 gepackt hat, beginnt mit einem kräftigen Unisono beider Spieler und findet seine Fortsetzung im motorischen, vor Lebensfreude nur so sprühenden Duo-Spiel. Die beiden schnellen, teilweise sogar lärmenden Ecksätze rahmen ein gefühlvoll ausgesungenes, bisweilen sogar nachdenkliches Andante. Ein unverzärtelter Mozart, dem die weitgehend klangforcierte, wenig charmante, geradezu unpoetische Wiedergabe von Franz Schuberts f-Moll- Fantasie folgt. Jedoch blitzen in leisen Passagen ausdrucksvolle, fatalistische Stimmungen auf. Vier original vierhändige „Ungarische Tänze“ von Johannes Brahms zeigen sich ganz von ihrer heiteren, leidenschaftlichen, feurigen und temperamentvollen Seite. Ein SchubertMarsch dankt dem Beifall. 

Peter Buske

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