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"Mutter und Kind" (r.) heißt eines der zwei Bilder von Strawalde, die jetzt dem Potsdam Museum gehören.

© A. Klaer

Potsdam Museum bekommt Bilder von Strawalde: Die Störung bleibt

Das Potsdam Museum wird mit zwei Bildern von Strawalde beschenkt – und schließt so eine Lücke.

Dunkel umschattete Augen hat die neue Schöne im Potsdam Museum. Und langes, schwarzes, zum losen Zopf gebundenes Haar. Die Beine übereinander geschlagen, sitzt sie auf einem Schemel und lächelt, den Blick knapp am Betrachter vorbei ins Leere gerichtet.

Das eigentliche Geheimnis aber steckt im Titel dieses Gemäldes: „Mutter und Kind“ heißt es, gemalt von Jürgen Böttcher, bekannt als Strawalde. Gestern wurde das Bild von seiner Besitzerin Friederike Sehmsdorf dem Potsdam Museum übergeben. Der heute in Berlin lebende Jürgen Böttcher (Jahrgang 1931) begann die Arbeit daran 1956, ein Jahr nachdem er in Babelsberg sein Regiestudium an der Filmhochschule begonnen hatte. Für seine zu DDR-Zeiten teilweise verbotenen Dokumentarfilme wie „Drei von vielen“ (1961), „Wäscherinnen“ (1972) und „Rangierer“ (1984) ist Jürgen Böttcher noch bekannter als für die Bilder, die er neben seiner filmischen Arbeit schuf – auch wenn er nach 1990 sogar in Paris, Tokio und Toronto ausstellte.

Seit den 1970er Jahren signiert Jürgen Böttcher mit dem von einem Dorf seiner Kindheit geprägten Künstlernamen Strawalde. 1991 überarbeitete Strawalde das an klassische Mutter-Kind-Darstellungen angelehnte Motiv von 1956. 2002, fast fünfzig Jahre nach dem ersten Pinselstrich, erhielt es schließlich sein heutiges Gesicht. Irgendwo in diesem Schaffensprozess ist das Kind, das ursprünglich auf dem Schoß der Frau saß, verloren gegangen. Das aus dem Bild entfernte Kind blieb dem Bild erhalten. „Die Störung bleibt“, beschreibt es Museumsdirektorin Jutta Götzmann.

Die geheimnisvolle Schöne zieht nicht allein ins Potsdam Museum ein. Die Galeristin Friederike Sehmsdorf und ihr Mann Thilo Steinbach übergaben dem Haus ein zweites Werk von Strawalde, das bisher in ihrem Besitz war: eine unbetitelte Assemblage aus dem Jahr 1997 – eine Collage also, in der Alltagsgegenstände verwendet wurden. Ein Stück Linoleum ist zu erkennen, ein Stück Karton, und wer darauf hingewiesen wird, entdeckt vielleicht einen Klecks Wachs. Jürgen Böttcher sammelte die Gegenstände damals im Umfeld der Berliner Mauer auf, erzählt Friederike Sehmsdorf im Rahmen der Übergabe an das Potsdam Museum. Wie ein „Magier in einer Hexenküche“, so Sehmsdorf, brachte Strawalde die Elemente dann auf der Leinwand in einen Dialog.

Die Schenkerin Friederike Sehmsdorf, deren Potsdamer Galerie „Kunstkontor“ im Mai zehnjähriges Jubiläum feiern wird, kennt Strawalde seit vielen Jahren. In den Jahren nach der Wende wurde sie, damals noch eine junge wissenschaftliche Mitarbeiterin im Märkischen Museum Berlin, mit dem Ankauf eines Bildes von ihm beauftragt – der, nach vielen Telefonaten mit dem brummeligen Künstler, auch zustande kam. Aus dem beruflichen Kontakt wurde über die Jahre ein freundschaftlicher.

In Sehmsdorfs Sammlung befinden sich zahlreiche weitere Bilder des Malers. Womöglich werden einige davon künftig auch im Potsdam Museum zu sehen sein. Denn die beiden Bilder sollen nicht einfach in den Depots verschwinden. „Mutter und Kind“ wurde, in der heutigen Form, überhaupt noch nie öffentlich gezeigt.

Museumsleiterin Götzmann zeigte sich entsprechend hocherfreut über die Doppelgabe – auch über den Status der Bilder, die als Schenkung jetzt tatsächlich zum Besitz des Museums gehören. „Wir möchten Strawalde gern eine eigene Ausstellung widmen, wobei wir das leider noch nicht terminieren können. Frühestens in zweieinhalb Jahren wird das möglich sein.“

Die Schenkung der beiden Gemälde bezeichnete Götzmann als einen „Meilenstein für die Gemäldesammlung nach 1945“. Das Museum verfügt über insgesamt mehr als 1200 Gemälde aus der Zeit nach 1945 – und leider, so Götzmann, auch immer noch über große Lücken. Wichtige Künstler seien nach wie vor nicht im Potdam Museum vertreten. Seit gestern ist es einer weniger.

Die Schenkerin Friederike Sehmsdorf nutzte schließlich die Übergabe auch für einen Appell an die Stadtpolitik: Die Stadt dürfe sich angesichts des großen bürgerschaftlichen Engagements nicht aus der Verantwortung stehlen, sagte sie mit einem Kopfnicken in Richtung Museum Barberini. Das offensichtliche Ungleichgewicht zwischen privatem Barberini und kommunalem Potsdam Museum müsse die Stadt endlich dazu bewegen, sich stärker zu ihrem Museum zu bekennen.

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