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Kultur: Potsdam, fotografisch

150 Jahre Fotografiegeschichte des Potsdam-Museums im Kutschstall

Anfang und Ende ist Potsdam, mittendrin reichlich. Wer die Fotoausstellung „Auslöser Potsdam“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte im Kutschstall besucht, wird bereits beim Eintritt und beim Abschied mit fotografischen Ereignissen bedacht. Er erlebt Bilder, die vor 150 Jahren entstanden sind. Der Belgier Johann Franz Michiels besuchte die Residenzstadt, um deren berühmten Architekturen und Gärten aufs Bild zu bannen, so wie es heute noch üblich ist. 1856 fotografierte er die oberste Terrasse des Schlosses Sanssouci mit dem gartengestalterischen Beiwerk oder das kurz zuvor fertiggestellte Belvedere auf dem Pfingstberg, zu dem zwischen Obstgärten noch ein völlig unbefestigter Weg führte. Die vier Bilder von Michiels gehören zu den frühesten Fotografien von Potsdam, die in der repräsentativen Ausstellung des Potsdam-Museums zu sehen sind. Sie ist die erste große Schau über die Potsdamer Fotografiegeschichte.

Durch das Medium Fotografie ist es möglich, 150 Jahre Stadthistorie zu beleuchten und zu erleben. Es ist ein beeindruckender Bilderschatz, der im Kutschstall für drei Monate zu besichtigen ist. Nahezu 700 Fotografien von 100 Autoren wurden ausgewählt. Die meisten Aufnahmen stammen aus der umfangreichen Sammlung des Potsdam-Museums, für die Peter Herrmann verantwortlich ist. Er fungierte auch als kenntnisreicher Kurator. Er konnte so manche Leihgabe für die Ausstellung gewinnen.

Ende der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts richtete der Porträtmaler und Daguerreotypist Wilhelm Fest in der Nauener Straße das erste Fotoatelier in Potsdam ein. Leider ist bisher keine Arbeit von Fest bekannt geworden. 1859 eröffnete dann Hermann Selle in der Yorkstraße 4 ein Atelier. Ihm wurde fünf Jahre später der Titel eines „Hofphotographen“ verliehen. In seinem Atelier, in dem auch sein Bruder Paul mitarbeitete, entstanden Bilder von den Hohenzollern. Zum Beispiel das berühmte mit den vier Generationen der kaiserlichen Familie. 1882 wurde es aufgenommen.

Nach und nach nahm das fotografische Gewerbe in Potsdam einen Aufschwung. Fotos von der Stadt für die immer mehr sich tummelnden Touristen, aber auch Familienfotos bekamen Priorität. Und so entstanden damals stimmungsvolle Potsdam-Bilder, so von Otto Rau im Jahre 1892, dann von Ernst Eichgrün um 1900, von Max Missmann um 1906, von Reinhold Taag (1922). Und natürlich von Max Baur, der zum Klassiker der Potsdam-Fotografie wurde. Zu den Höhepunkten der Ausstellung gehören die Dreifarbenfotografien, die der Potsdamer Adolf Miethe um 1905 schuf.

In seiner Theoriegeschichte der Fotografie schreibt Bernd Stiegler: „Wir glauben nicht länger an die Objektivität der Fotografie, wohl aber daran, dass Fotografien in spezifischer Weise unsere Wirklichkeit sind.“ Die Ausstellung zeigt, was das Kamera-Auge in der jeweiligen Wirklichkeit erfasst hat: Das alltägliche Leben auf dem Fischmarkt (1936), das Weihnachtsfest in der Familie (1935), einen Cafébesuch 1933, das Musikleben Ende der dreißiger und Anfang der vierziger Jahre im Konzerthaus und im Innenhof des Stadtschlosses, die Enttrümmerung des Alten Rathauses, 1958 ... Das Foto wurde immer wieder als Waffe im politisch-propagandistischen Kampf der Nationalsozialisten und später der SED benutzt, auch in Potsdam. Bilder zeigen den unrühmlichen „Tag von Potsdam“ 1933, lächerliche Maidemonstrationen in der DDR-Zeit, den unseligen Mauerbau, den Ulbricht-Besuch, der letztendlich zum Abriss der Garnisonkirche führte. Besonders beeindruckend sind die Aufnahmen Roland Handricks, der zu DDR–Zeiten den leisen Verfall bei Bauten im Park Sanssouci dokumentierte.

Die Presse-Fotografie kommt in der Schau anscheinend nur einseitig zu Wort. In Potsdam soll es aber bekanntlich auch die PNN geben, deren Fotografen das städtische Leben täglich dokumentieren. Auch die in den fünfziger und sechziger Jahren in Potsdam bekannte Fotografin Elly Trepte hat keinen Platz erhalten.

„Potsdam-Auslöser“ ist auch eine Ausstellung, in der die Menschen hinter der Kamera gewürdigt werden. Dazu gehören Ernest Nash, Alexander Schittko, Werner Taag, Herbert Dörries, Peter Rohn, Frank Gaudlitz, Gunnar Porikys, Walter Wawra, Mathias Marx, Susanne Müller, Monika Schulz-Fieguth, Lutz Hannemann oder Peter Frenkel.

Als Alexander von Humboldt um 1850 zum ersten Mal die neuartigen Bilder sah, sprach er von ihrer „unnachahmlichen Treue“. Durch die Einführung der digitalen Technik ist es nun aber möglich, die Wirklichkeit zu manipulieren. Vor einigen Jahren befürchtete man, dass dadurch die Fotos weitestgehend einer Technisierung unterliegen, sie in der Aussage verflachen könnten. Aber die heutigen Fotokünstler zeigen, dass ihnen in beeindruckender Weise eine große Bandbreite an Variationen von aktuellen fotografischen Ausdrucksweisen eigen ist, sei es bei Porträts oder Landschaften.

Nicht nur Potsdam ist auf den Bildern zu sehen. Einige Fotografen lassen uns an ihren bildnerischen Auseinandersetzungen auch woanders teilhaben.

Diese Ausstellung (Gestaltung: Peter Rogge) zeigt Bilder von Menschen, die die Fotografie als Gewerbe, Kunst oder Hobby betreiben. Man geht durch den oberen Kutschstall mit einem Großen Glücksgefühl. Neues, Schönes, Spannendes und Nachdenkenswertes entdeckt man, aber auch ein Auf und Ab an Qualität.

Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, 8. 11. 2006 – 11. 2. 2007.

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