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„Politiken des Designs“: Wie will ich die Welt?

Design, das mag nach Oberfläche und Außenwirkung klingen, nach Verpackungszauber. In Wahrheit steckt dahinter etwas viel Wichtigeres.

Design, das mag nach Oberfläche und Außenwirkung klingen, nach Verpackungszauber. Designer, das sind doch die, die für die Hülle der Dinge verantwortlich sind, für den letzten Schliff, die äußere Gestalt. Anwender einer Idee, die andere, die wirklich Kreativen, vorher hatten. Oder?

Wenn Myriel Milicevic, Professorin für Elementares Gestalten an der Fachhochschule, über Design spricht, klingt das anders, ganz anders. Dann spricht sie zunächst von Verantwortung. Designer, sagt Myriel Milicevic, sollten sich vor allem ihrer Verantwortung bewusst sein. Wenn Design die visuelle Gestaltung von Information ist, dann müssen Designstudierende zunächst eins lernen, findet sie: dass sie über die Form auch Inhalte mitbestimmen. Die Anmutung einer Webseite bestimmt darüber, welche Informationen der User zuerst findet – oder eben nicht. Der Aufbau einer Küche bestimmt darüber, wie Menschen sich hierin bewegen können, ob eine Person Platz hat oder mehrere. Wie will ich die Welt gestalten? Das sollten sich Designer am Beginn ihrer Laufbahn fragen. Und nicht nur dann.

Die Ausstellung „Politiken des Designs“, die heute im Rahmen von Made in Potsdam im Kunstraum des Waschhauses eröffnet, hat sich diese Fragestellung zum Thema gemacht. Rund 50 Studierende des Fachbereichs Design der Fachhochschule Potsdam zeigen hierin, wie sie die Welt, die sie mit ihren Produkten später mal gestalten werden, sehen. Gezeigt werden weniger „Produkte“ als künstlerische Positionen. Fotoarbeiten, Videoinstallationen, und auch einige partizipative Arbeiten. Vieles davon ist extra für die Schau entstanden. Mike Gessner, der künstlerische Leiter des Kunstraums, hatte im Sommer letzten Jahres die Werkstattschau des Studiengangs in der FH gesehen und war von den Arbeiten so angetan, dass er sie im Rahmen von „Made in Potsdam“ präsentieren wollte. Ja, sagt Gessner, sicher ist auch die Tatsache, dass die Fachhochschule seit der Räumung des Gebäudes am Alten Markt im Herbst kein „Schaufenster“ mehr in der Innenstadt hat, ein Politikum. Aber das war nicht ausschlaggebend. Ausschlaggebend waren die Arbeiten der Studierenden – und die politische Fragestellung der Schau.

Wie das Arrangement von Inhalten den Gesamtinhalt selbst mitformt, zeigt auf eindrückliche Weise die Arbeit von Franka Geisser und Kalina Mateeva. In einer Ecke des als „Denkraum“ betitelten Raumes jonglieren sie anhand einer Collage mit nur drei Worten. Angst. Macht. Krieg. Je nachdem, wie die Worte angeordnet sind, steht da: Krieg macht Angst. Oder auch: Macht macht Krieg. Oder: Angst macht Angst. Immer die gleichen Bestandteile, immer andere Inhalte. Dazwischen nur eine variierende Anordnung im Raum. Die Macht des Designs.

Macht, Krieg, Angst – die Ausstellung hat keine Angst vor den großen Themen der Weltpolitik. Kinderarmut, CO2-Emmissionen, Big Data, Überwachung, an all dem kommt man in den „Politiken des Designs“ nicht vorbei.

Auch an dem Erdbeben nicht, das die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA im letzten Jahr in der sich aufgeklärt dünkenden Welt verursachte. Der FH-Student Moritz Jekat war zufällig in den Monaten vor der Wahl in den USA. Nicht irgendwo, sondern in Los Angeles, einer Hochburg der Linken. Als Trump Präsident wurde, fielen die Menschen, mit denen er in L.A. zu tun hatte, aus allen Wolken: Dass ein Mann, der als Sexist und Rassist gilt, die Wahlen gewinnen würde, hätte niemand für möglich gehalten. Es war möglich. Moritz Jekat hielt diesen Schock auf seinen Fotos fest. Keine Demonstrationen, keine Massenbewegungen, sondern vereinzelte Gesten der Verzweiflung. Eine Frau, die barfuß aus ihrem Haus geeilt kam, um einer Anti-Trump-Demonstrationen zuzujubeln. Ein junges Paar, das sich in den Armen hält. Ein Tischbein, um das ein Seil gelegt ist. „So fühlten sich die Leute in L.A., mit denen ich zu tun hatte“, sagt Moritz Jekat. „Man hatte ihnen die Beine weggerissen.“ Die Bildperspektive ist schräg, als würde auch der Betrachter schwanken.

Auch in die Arbeit des Franzosen Stéphane Flesch hat der Politikwechsel in den USA Einzug gehalten. Flesch, der auch als Übersetzer arbeitet, verfolgt in seiner Fotowand „Grenzgang“ den Grenzverlauf zwischen USA und Mexiko – den Trump mit einer Mauer zu befestigen gelobte. Flesch verwendet dazu Aufnahmen der Satellitenbilder von Google Earth. Man sieht Familienhäuser, Kleinbetriebe, Schönheitssalons – und oft weiß man nicht, auf welcher Seite der Grenze das Bild entstand.

Natürlich muss man nicht bis in die USA schauen, um von den Gespenstern des Populismus heimgesucht zu werden. Im „Privaten Raum“ hängen unter anderem einige Fotos von Franz Grünewald. Triste Neubaugebiete, karge Landschaften, eine gespenstisch aussehende Puppe auf dem Rücksitz eines Autos. Ein Arm verrenkt, als Oberteil ein Bikini-Top. Das Gesicht sieht entfernt aus wie das von Beate Tschäpe. „Lug ins Land“ nennt Franz Grünewald seine Reihe. Es ist der Versuch, seinem Heimatland auf den Grund zu gehen – Sachsen. Das fotografische Gegenstück führt dann wieder konkreter in das Gebiet des Designs. Ein Wohnzimmer: Sofa, Rüschengardine, Schwippbogen. Die toten Blumen auf dem Kissenbezug sind größer als die echten in der Vase. Wie war die Frage nochmal: Wie will ich die Welt gestalten?

„Politiken des Designs“ wird heute um 19 Uhr eröffnet. Zu sehen bis 27. Januar im Kunstraum Potsdam

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