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Im Heckentheater am Neuen Palais wird sommertheatergroß gelästert und gezankt: Hier mit Julia Borgmeier und Clara Schoeller.

© Marcus Lieberenz/bildbuehne.de

Poetenpack im Heckentheater: Bezahlt wird hinterher

Frisch, bunt und ohne offene Rechnungen: Das Poetenpack beginnt seine Sommersaison im Heckentheater am Neuen Palais mit „Ab in die Sommerfrische!“ nach Carlo Goldoni. 

Potsdam - „Ab in die Sommerfrische!“: Selten trafen Kunst und Realität so punktgenau aufeinander. Die jüngste Freiluftpremiere des Poetenpacks fiel auf einen Tag mit durchgehendem Dauerregen, der, so ist berichtet worden, erst eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn abbrach. Höchsttemperatur 17 Grad. Am Tag der zweiten Vorstellung sah es tagsüber nicht viel besser, abends dafür umso schöner aus: Auf das Heckentheater neben dem Neuen Palais regnete es nur Lindenblüten. 

Das sind sie, die Abenteuer des Open-Air-Vergnügens. Die „Sommerfrische“, von der im Stück immer wieder auf sehnsuchtsvollste Weise die Rede ist, bezeichnet freilich etwas anderes: Urlaub! Vom städtischen Alltag in erster Linie, aber auch von Kümmernissen und, ein wenig, von Konventionen. 

Süße Vorfreude, bittersüßer Aufenthalt und bittere Nachwehen

Um Letztere geht es ganz wesentlich an diesem Abend in der leichthändigen Regie von Kai O. Schubert, der drei Stücke Goldonis („Die Trilogie der Sommerfrische“, 1761) auf eins zusammenschrumpft. Und das funktioniert gut: drei Teile umschreiben besagte Sommerfrische in drei Akten. Süße Vorfreude, bittersüßer Aufenthalt und bittere Nachwehen.

Im Mittelpunkt stehen zwei von gesellschaftlicher Konvention ebenso geknechtete wie profitierende Familien. Da ist einerseits der adlige, aber mittellose Leonardo (Stephan Schill), der sich aus seiner finanziellen Misere nur durch profitable Heirat zu befreien hofft – und derweil weiterprasst, als sei nichts. 

„Bezahlt wird, wenn ich zurück bin“

An seiner Seite dessen Schwester Vittoria (Clara Schoeller), die von all dem wenig ahnt und sich vor allem darum sorgt, dass das neue Kleid auch ja rechtzeitig zur Sommerfrische eintrifft („Lieber die Pest, als ohne Kleid zum Fest“). Sieht sie ihr Ziel bedroht, fährt sie die Krallen und imaginären Reißzähne aus, dass es eine Lust ist. Fröhlich getänzeltes Motto der beiden: „Bezahlt wird, wenn ich zurück bin.“

Deren hassgeliebte Konkurrenten und im ländlichen Domizil auch Nachbarn sind Filippo (André Kudella) und Tochter Giacinta (Julia Borgmeier). Die beiden Mädchen nehmen sich im Eifer um neueste Mode und alles übertrumpfenden Schick nicht viel: voreinander Freundinnen, hinterrücks mieseste Eifersüchteleien. Giacinta hat sich bereits halb mit Leonardo zusammengetan, nur weiß der Papa noch nichts davon – ein sittliches Unding in der Welt Goldonis. 

Schlimmer als Unsittlichkeit ist das Gerücht

Noch schlimmer als wirkliche Unsittlichkeit ist das Gerücht. Was, wenn jemand von diesem oder jenem erführe? Man ist korrupt, ehrlos und charakterlich mies bei Goldoni. Die größte Furcht ist aber, dass dies öffentlich wird. Das ist der Komik-Faktor an den Goldoni-Komödien: Man verwendet ungemeine Energien auf Verstellung, aber vor dem Publikum sind längst alle Hüllen gefallen. Uns kann man nichts vormachen, oder fast.

Und natürlich wird das sommertheatergroß ausgespielt. Die Missgunst der Frauen schreit zum Himmel, das falsche Lachen ist so grell wie die Schminke auf den Gesichtern der Darsteller:innen. Falschester aller Falschen ist Ferdinando (Reiner Gabriel): Schmarotzer wie alle, aber er hat kein Herz und also nichts zu verlieren. Einer, der sich an den Tischen der anderen durchfrisst und mit breitem Lächeln über deren Unglück spöttelt. 

Gefühle werden verprasst wie Geld

Die anderen mögen dekadent und ehrlos sein, verprassen aber ihre Gefühle wie ihr Geld: Leonardo liebt Giacinta, Giacinta verliebt sich in den jungen Lebemann Guglielmo (Anatol Käbisch) – der auch Vittoria mit seinen Liedern an der Klampfe zum Schmelzen bringt. Papa Filippo liebt seine Tochter Giacinta, und die ach so strenge Tante Sabina (Gislén Engelmann), als Anstandsdame mit von der Partie, ist verliebt in das Leben selbst – und ein bisschen in den Spötter Ferdinando.

So liebt man aneinander vorbei, besingt und umtänzelt sich – aber anders als in Shakespeares Komödien geht am Ende die Rechnung nicht reibungslos auf. Bis auf einen haben alle ihre Rechnung zu zahlen. Vollkommenes Glück findet nur der Diener Paolo (Georg Peetz). 

Der buckelt sich ab für die Herrschaft, schuftet in einer dreifach-Rolle. Hat seit sechs Monaten keinen Lohn bekommen, liest Marx, Lenin, Stalin – und knechtet am Ende seinen Herrn Leonardo. Sogar eine Frau bekommt er ab. Dann singen sie alle „What a wonderful world“ – und dass dem keinesfalls zu glauben ist, zeigt diese Inszenierung deutlich. Auf sommerleichte Art.

„Ab in die Sommerfrische!“, erneut am 8., 9., 10. sowie von 14. bis 17. und 29. bis 31. Juli jeweils um 19.30 Uhr im Heckentheater am Neuen Palais. Weiterhin werden dort „Der eingebildete Kranke“ (3. und 4. Juli), „Eine Mittsommernachts-Sex-Komödie“ (21. bis 23. Juli) und „Das Spiel von Liebe und Zufall“ (24. und 25. Juli) gezeigt. 

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