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PNN-Serie "Potsdamer Intendanten" Teil 3: Gerhard Meyer: Grenzen ausloten und überschreiten

Der gebürtige Chemnitzer Schauspieler und Regisseur Gerhard Meyer fühlte sich dem Ideal einer humanistisch-sozialistischen Gesellschaft verpflichtet. Immer wieder umschiffte er die Forderungen der DDR-Führung.

Die lange Liste von Aufführungen mit russischer und sowjetischer Dramatik riss auch nach dem Weggang von Intendantin Ilse Weintraud am Hans Otto Theater nicht ab. Ihr Nachfolger, der gebürtige Chemnitzer Schauspieler und Regisseur Gerhard Meyer (1915–2002), der ab der Spielzeit 1957/58 nach Engagements am Deutschen Theater Berlin und der Neuen Scala Wien in Potsdam wirkte, bedachte den Spielplan oftmals mit Stücken von Tschechow, Gorki oder Tolstoi, deren Reichtum an Motiven, Sehnsüchten, Brüchen in den Inszenierungen, die oftmals von Gerhard Meyer selbst stammten, deutlich wurden. Hin und wieder war er auch als Schauspieler zu erleben.

Facettenreicher Spielplan mit mutigen Inszenierungen

Mit einem homogenen Schauspielensemble, in das sich junge, talentierte Schauspieler wie Carmen-Maja Antoni, Jutta Wachowiak, Christel Bodenstein, Thomas Langhoff, Günter Junghans, Arno Wyzniewski oder Klaus-Peter Thiele mischten, absolvierte Meyer einen facettenreichen Spielplan. Die Regisseure Peter Kupke und Günter Rüger inszenierten die großen Klassiker wie „Hamlet“, „Die Räuber“ oder „Don Juan“, aber auch Gegenwartsstücke aus der Schweiz, Rumänien, Ungarn oder Irland. Die von der SED-Führung ungeliebten Schauspiele „Die Korrektur“/„Der Lohndrücker“ von Inge und Heiner Müller sowie „Die Sorgen und die Macht“ von Peter Hacks – Stücke, die sich kritisch mit dem Arbeitsleben in der DDR auseinandersetzten – setzte er auf den Spielplan.

Politisch und künstlerisch fühlte sich Meyer dem Ideal einer humanistisch-sozialistischen Gesellschaft verpflichtet, aber er lotete die Grenzen dessen aus, was die DDR-Führung darunter verstand, und überschritt sie mit Inszenierungen. Dafür fand er immer wieder Tricks, um die Forderungen von oben zu umschiffen. Das Ensemble des Vier-Sparten-Theaters – damals gab es noch ein Ballett – sowie die Mitarbeiter achteten und liebten ihn.

Große Oper auf kleiner Bühne

Auch das Musiktheater erfuhr eine weitreichende Förderung durch Meyer. Auf der relativ kleinen Bühne spielte man große Oper. Das Repertoire bestach durch große Vielfalt. Werke von Mozart, Verdi, Bizet, Moniuszko, Richard Strauss, Sergej Prokofjew oder Werner Egk, die klassischen Operetten und gerade entstandene Musicals von DDR-Komponisten wie „In Frisco ist der Teufel los“ von Guido Masanetz oder „Mein Freund Bunbury“ von Gerd Natschinski erlebten ihre Premiere. Für Musicals aus dem Westen fehlte jedoch das Geld. Mit den jungen, in die Oberliga strebenden Dirigenten wie Gert Bahner und Günter Herbig, den exzellenten Solisten Jola Koziel, Ute Reinsch, Zoraida Morales, Henno Garduhn, Sandor Toth oder Armin Terzibasschian, dem engagierten Chor und dem Orchester, dessen Klangqualität hörbar zunahm, wurden Inszenierungen und Konzerte geboten, die vom Publikum geliebt wurden. Auch hierbei agierte Meyer als Regisseur.

Im Sommer 1966 wechselte Gerhard Meyer nach Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, als Generalintendant des Städtischen Theaters. 2002 ist Gerhard Meyer verstorben. 

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Lesen Sie aus unserer Serie "Intendanten des Hans Otto Theaters" und erfahren Sie, wie Guido Hounder, der Vater der "Blechbüchse", das HOT Anfang der 90er-Jahre leitete.

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