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PNN-Serie "Potsdamer Intendanten" Teil 2: Ilse Weintraud-Rodenberg: Sowjetdramatik als Programm

Ilse Weintraud war bisher die einzige Chefin am Hans Otto Theater. Sie leitete das Schauspielhaus sieben Jahre lang und gab ihm seinen heutigen Namen.

Ilse Weintraud-Rodenberg (1906-2006) war Schauspielerin und Kommunistin. Während des Nationalsozialismus hatte sie Verfolgung und Gefängnis zu erleiden. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie als Schauspielerin in Hamburg tätig, ging aber 1948 in den Osten. Mitglied der SED wollte sie werden, doch ihre Strategen bestimmten: „Kommunisten wie dich haben wir in unserer Partei genug. Wir brauchen jetzt noch welche in den anderen Parteien!“ In der Nationaldemokratischen Partei Deutschland (NDPD) nahm sie schließlich eine führende Position ein. Wo sie als leitender Kader in einem Kulturbetrieb eingesetzt werden soll, bestimmten ebenfalls die oberen Genossen. Mit ihrem Durchsetzungsvermögen sowie ihrer Treue gegenüber dem Marxismus-Leninismus empfahl sie sich als Intendantin eines Theaters. Diesen Job bekam sie zunächst in Neustrelitz und ab 1950 am Brandenburgischen Landestheater Potsdam, in der Nachfolge von Alfred Dreifuss.

Bisher blieben die Theaterleiter in Potsdam nur ein bis zwei Jahre. Ilse Weintraud sollte sieben Jahre das Haus in der Zimmerstraße prägen. Ein Provisorium, das sie gern in ein modernes Theatergebäude eingetauscht hätte. Doch Potsdam war nicht Berlin, Leipzig oder Dresden, Städte, die ökonomisch für die Wirtschaft von größerer Wichtigkeit waren oder zur stärkeren kulturellen DDR-Ausstrahlung beitrugen. So wurde für die Zimmerstraße die Devise ausgerufen: Anbau statt Neubau. Eine der ersten Initiativen der Intendantin war die Umbenennung des Landestheaters in Hans Otto Theater (HOT). Hans Otto war in den 1920er- und 1930er-Jahren ein begnadeter Schauspieler am Deutschen Theater Berlin. Wegen der KPD-Zugehörigkeit wurde er von den Nazis ermordet.

Sozialistisches Weltbild auf der Bühne

Der Aufbau eines Mehrspartentheaters, den Dreifuss begonnen hatte, wurde von Ilse Weintraud weiter tatkräftig betrieben. Mit dem Schauspielensemble, den Gesangssolisten, dem Opernchor, der Ballettgruppe sowie einem sich stetig vergrößernden Orchester konnte die Vielfältigkeit eines Stadttheaters unter Beweis gestellt werden. Im Musiktheater hatte man ein Auge auf die Operette geworfen. Nicht nur die klassischen Werke aus Wien gab es zu sehen. Das Publikum wurde mit der heiteren Muse der Sowjetunion bekannt gemacht. Auch im Schauspiel und im Kinder- und Jugendtheater war das Programm mit Sowjetdramatik besetzt. Das freundschaftliche Band zwischen der DDR und der UdSSR sollte sich auch auf der Bühne widerspiegeln, so mit den Schauspielen „Der Chirurg“ und „Das Holunderwäldchen“ von Alexander Kornejtschuk, die aktuelle Themen der Sowjetunion behandelten, oder die Dramatisierung des Romans „Der Weg ins Leben“ nach Anton Makarenko, in der von der Resozialisierung verwahrloster Jugendlicher die Rede ist – natürlich in leninistisch-marxistischer Ideologie. Das Hans Otto Theater sollte sich als politisches Theater profilieren. Auch für Klassiker der Weltdramatik hatte man das sozialistische Weltbild parat, was nicht immer gelang.

Ein Reisetheater baute Ilse Weintraud auf. Das Tournee Ensemble gastierte in den entlegensten Städten und Dörfern, in der Prignitz oder im Fläming. Unter meist schwierigen Bedingungen spielte man in Gasthäusern, Kinos oder in Turnhallen: Schauspiel, Oper und Operette. 1957 ging für Ilse Weintraud, bisher einzige weibliche Theaterleiterin in Potsdam, die Zeit am Haus in der Zimmerstraße zu Ende. Sie wurde Intendantin des Theaters der Freundschaft in Berlin.

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Lesen Sie mehr aus unserer Serie "Intendanten des Hans Otto Theaters" und erfahren Sie, wie Gerhard Meyer die Grenzen auslotete oder wie mit Peter Kupke ein analytisch-kühler Kopf die Geschicke des Theaters leitete.

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