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PNN-Serie - Hinter den Kulissen: Die Maske: Falten nach Fahrplan

Am Potsdamer Hans Otto Theater hat nächste Woche Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame" Premiere. Wie die Maskenbildner die Darsteller altern lassen - ein Blick hinter die Kulissen.

Meike Finck schaut in den Spiegel und ist entsetzt. „Krass. Das muss mein Mann sehen“, sagt sie und schickt sofort ein Selfie los. „Liebst du mich noch?“, schreibt sie dazu. Das ist natürlich alles nur ein Scherz. Und ein großes Lob für die Maskenbildnerin, die eben aus der jungen Schauspielerin eine alte Frau gemacht hat. Gut eine Stunde hat das Test-Schminken, das am Theater Maskenprobe genannt wird, gedauert. Maskenbildnerin Ute Born ist zufrieden. In der ersten Hauptprobe wird sich zeigen, ob das Ergebnis unter dem echten Bühnenlicht besteht oder ob noch etwas verändert werden muss. Am 5. Februar findet dann die Premiere des Stücks „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt im Hans Otto Theater statt. Meike Finck ist nicht die Einzige, die dafür ein neues Gesicht bekommt. Insgesamt sind fünf Personen zu schminken. Eine große Herausforderung für die Kollegen der Maske.

Die Idee dazu hatte die Dramaturgin Nadja Hess. In den Gesichtern der Schauspieler soll sich die Veränderung einer ganzen Stadt widerspiegeln.

In Dürrenmatts tragikomischem Schauspiel kommt eine alte Dame nach Jahrzehnten zurück in ihre Heimatstadt, aus der sie einst regelrecht vertrieben wurde. Weil sie den Versuch wagte, Alfred, von dem sie ein Kind erwartete, zu Rechenschaft und Verantwortung heranzuziehen. Aber der verleugnete alles. Nun ist jene Dame zu Wohlstand gekommen. Und will ihrer heruntergekommenen Heimatstadt mit einer großzügigen Spende helfen. Wenn man ihr Alfred ausliefert. Und noch während die Bürger nach außen hin hinter ihrem Alfred stehen, beginnen sie, auf Pump das Geld der alten Dame für ihre Wünsche, Luxus und Konsum, auszugeben. Die anfangs verhärmten, abgewirtschafteten Menschen sollen mit zunehmendem Wohlstand jünger und frischer erscheinen.

Wie eine zweite Haut abziehbar

Meike Finck spielt die Ärztin der Stadt, anfangs mit einem in Würde gealtertem Gesicht und grauem Haar. Nach der Pause geht es mit einer jüngeren Ärztin weiter. Zehn Minuten bleiben für das Abschminken und Neuzurechtmachen. Auch deshalb hat sich Ute Born für Zwei-Komponenten-Silikon als Maskengrundlage entschieden. Das kann man nach dem Trocknen fast wie eine zweite Haut abziehen.

Aber erst muss die Maske drauf. Im Reich der Maskenbildner, das wie eine Wunderkammer ausschaut. Wer hier reingeht, kommt nie genauso raus. Hier lagern ungezählte Perücken und Haarteile, manche liegen schon auf nummerierten Holzköpfen bereit. Jeder Schauspieler hat seinen eigenen. Die Perücken werden hier gewaschen und aufgearbeitet, gelagert, verändert. Der Friseurberuf ist eine gute Grundlage, um Maskenbildnerin zu lernen. Während Meike Finck geschminkt wird, arbeitet eine Kollegin an einer Perücke für ein Meerschweinchen aus einem Kinderstück. Auf dem Tisch liegt das Foto eines gescheckten Tieres, dort schaut sie sich die Farben ab.

Jede Linie ist eine Falte

Ute Born hat auch Fotos auf dem Tisch zu liegen. Fotos mit Gesichtern von verrunzelten alten Frauen. Daneben eines von Meike Finck mit vielen schwarzen Linien im Gesicht. Jede Linie ist eine Falte. Das ist der Fahrplan, die Vorlage für den Aufbau der Silikonmaske. „Wenn ich durch die Straßen gehe, schaue ich mir immer die Leute an. Wie sehen ihre Gesichter aus? Wie verändern sie sich mimisch? Was finde ich an ihnen interessant?“, sagt Born. Beobachten, das ist ihr Hobby. Das Gesicht der Schauspielerin wird nun erst einmal mit einem Schwämmchen entfettet, damit alles gut hält. Dann rührt Ute Born mit einem Spatel das Silikon auf ihrem Handrücken an. Wenn Farbe und Konsistenz stimmen, baut sie damit Falten in Meike Fincks Gesicht. Zieht Furchen in die Silikonberge, die wie ein Miniatur-Gebirgsmassiv an Brauen, Stirn und Kinn kleben. Ist alles getrocknet, kommt farbiges Make-up drauf. Dabei wird immer etwas übertrieben. Damit auch der Zuschauer in der letzten Reihe etwas davon hat. Zuletzt legt sie die langen, üppigen Haare der Schauspielerin zusammengedreht unter ein enges Haarnetz und setzt ihr die graue Perücke auf. Fertig ist die gemütlich und sympathisch wirkende ältere Ärztin. Alt ist nicht gleich alt, sagt Ute Born. „Wer glücklich altert, sieht anders aus als jemand, der griesgrämig und verbittert ist.“

So ein Typ alte Frau ist aus Schauspielkollegin Franziska Meltzer geworden. Sie spielt Alfreds Gattin. Jennifer Kratt hat ihr eine fahle, asch-farbene Haut mit Altersflecken gegeben. Um den Mund herum ziehen sich viele feine Linien. „Als wenn man sein Leben lang immer verkniffen geschaut hat“, sagt Franziska Meltzer. Das feine graue Haar macht aus ihr eine verhärmte alte Frau. Dann werden noch ein paar Fotos gemacht für das Archiv, für Regisseur und Dramaturgin.

Sehr intime Momente zwischen Schauspieler und Maskenbildner

Die Maske, sagen die Schauspielerinnen, ist immer eine spannende Angelegenheit. Und funktioniert nur, wenn man vertrauensvoll miteinander umgehen kann. Wenn die Chemie zwischen Schauspieler und Maskenbildner stimmt. „Man kommt sich dabei sehr nahe. Man spürt und berührt sich, man kann sich riechen. Das sind sehr intime Momente“, sagt Meike Finck.

Für Ute Born ist Maskenbildnerin ihr Traumberuf, auch wenn die Arbeitszeiten nicht gerade familienfreundlich sind. Aber sie sei ein Theaterkind, der Vater arbeitete am Theater, sie wollte das auch. Unterschiedliche Wege führen dahin, entweder eine Ausbildung direkt an einem Theater oder ein Studium an einer Kunsthochschule. Die Maske kann weit mehr als Gesichter verändern. „Wir machen alles von Kopf bis Fuß“, sagt Ute Born, „allerlei Special Effects, Wunden, Verletzungen und immer öfter auch Tattoos“. Etwas besonders war „Don Carlos“, als sie einem sechsjährigen Jungen das Gesicht eines alten Mannes schminkten. Das sei schon fast unheimlich gewesen.

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