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Harmonie und Brüderlichkeit. Paul Badura-Skoda ist sich sicher, dass die Musik Gegensätze zwischen den Menschen zu überwinden hilft.

© Alexander Untschi

PNN-Interview: „Wir sind nur Diener einer Idee“

Der 90-jährige Pianist Paul Badura-Skoda über seinen Auftritt im Palais Lichtenau, das Sammeln historischer Klaviere und das Spiel, das von innen kommt.

Herr Badura-Skoda, am Donnerstag werden Sie hier in Potsdam im Palais Lichtenau Beethoven spielen. Warum haben Sie sich bei diesem Auftritt für Beethoven entschieden?

Heute ist man ja im Alter von 90 Jahren so alt wie Beethoven in den Fünfzigern – es passt also. (lacht) Außerdem hat mich Beethoven schon in meiner Kindheit, seitdem ich mit acht Jahren einen ersten Klavierabend mit seinen Werken hörte, ergriffen und begeistert.

Unter Ihren zahlreichen Schallplattenaufnahmen gibt es auch zwei Einspielungen aller 32 Klaviersonaten von Beethoven. Warum gleich zweimal?

Ja, ich habe die Sonaten einmal auf einem modernen Instrument eingespielt und einmal auf Originalinstrumenten aus der Zeit von Beethoven.

Wie kam es dazu?

Ich sammle schon lange historische Klavierinstrumente, weil es mich interessiert, wie es wirklich geklungen hat. Ich wollte herausfinden, was die Absicht des Komponisten gewesen ist.

Und ist Ihnen das gelungen?

Es ist ja das Schöne, dass es gerade in der Musik so viele Möglichkeiten gibt. Die Noten stehen fest – aber jeder kann etwas hineinlegen. Und es gibt manchmal große Momente, in denen man über sich hinausgetragen wird und spürt: Nicht ich spiele, sondern es spielt, wie der große Edwin Fischer einmal sagte.

Wenn „es“ spielt, kommt das Ihrer Erfahrung nach dann auch bei den Zuhörern an?

Ja, ich denke schon. Bei Livekonzerten gehen spürbare Wellen hin und her. In den großen Momenten kann jeder Zuhörer, auch der nicht vorgebildete, merken, was der jetzt am Klavier sagt – das ist echt, das ist authentisch, das kommt von innen.

Sie gelten als Spezialist für Mozart, Schubert, Johann Sebastian Bach. Haben Sie auch moderne Musik gespielt?

Der große Schweizer Komponist Frank Martin hat mir seine letzten Werke – ein Klavierkonzert und eine Fantasie für Klavier solo – gewidmet. Das Klavierkonzert habe ich viel gespielt und der Komponist war davon sehr angetan. Er meinte, dass ich das Schwierigste fertiggebracht hätte: ihn von seiner eigenen Komposition zu überzeugen.

Haben Sie sich auch mal ans Komponieren gewagt?

Schon um das Handwerk des Komponisten zu verstehen, habe ich auch selber komponiert. In einer modernen Richtung und im Stil der Alten Meister. Viele meiner Kadenzen für Werke von Haydn, Mozart und Beethoven wurden gedruckt. Aber letztlich musste ich mich entschieden, denn das Klavier war ein Fulltimejob.

Ursprünglich wollten Sie Ingenieur oder Naturwissenschaftler werden. Wie kam es dazu, dass Sie sich doch für die Musik entschieden haben?

Im Jahr 1944 habe ich in einem kleinen Dorf im Westen von Wien gelebt und als Akkordeon-Virtuose auf Festen und Feiern gespielt. Als die russischen Soldaten kamen, habe ich ihnen ihre Lieder vorgespielt. Wenn die Russen Musik hörten, verwandelten sie sich aus Eroberern in Freunde. Einmal luden sie mich mit meinem Akkordeon in ihr Militärlager bei Amstetten ein – nach drei Tagen brachten sie mich zu meinen Eltern zurück, beladen mit Schokolade und vielen Dingen, von denen man damals nur träumen konnte. Die Kriegsjahre haben uns gezeigt, wie vergänglich alles ist, und wir haben erlebt, dass etwas da ist, was die Zeit und die Zerstörung überdauert. Die Musik hat uns Mut und Zuversicht gegeben.

In Ihrem langen Leben gab es viele Begegnungen mit bedeutenden Interpreten und Komponisten. Welche waren aus heutiger Sicht besonders wichtig, vielleicht sogar entscheidend für Ihren Weg?

Jeder Künstler sucht sich ein Vorbild im Spiel und im Leben. Für mich war Edwin Fischer der wichtigste Lehrer und die große Inspiration meines Lebens. Er sagte immer: Wir sind nur Diener bei etwas Großem, bei einer ewigen Idee.

Welche denn?

Man könnte es die Idee der Harmonie, oder wie Beethoven sagte, der Brüderlichkeit zwischen den Menschen nennen. Ich selbst habe immer wieder erlebt, dass die Musik Gegensätze überwinden lässt.

Die Fragen stellte Babette Kaiserkern

Paul Badura-Skoda spielt am Donnerstag um 20 Uhr im Palais Lichtenau. Restkarten zum Preis von 40 Euro an der Abendkasse

Der Pianist Paul Badura-Skoda (Jg. 1927) ist Experte für die Wiener Klassik sowie für Franz Schubert. Er gilt als einer der letzten Repräsentanten einer Generation, die in der Musik die Quintessenz der europäischen Kultur sieht. Seine Karriere begann mit dem Sieg im österreichischen Musikwettbewerb 1947. Während seiner fünf Jahrzehnte langen internationalen Solistenlaufbahn trat er mit bedeutenden Dirigenten wie Wilhelm Furtwängler und Herbert von Karajan auf. Mit über 200 Schallplatten- und CD-Aufnahmen hält Badura-Skoda einen Einspielungsrekord. Zusammen mit seiner Frau, der Musikwissenschaftlerin Eva Badura-Skoda, verfasste er Bücher über die Interpretation von

Johann Sebastian Bach und Wolfgang Amadeus Mozart, die in verschiedene Sprachen übersetzt worden sind.

Babette Kaiserkern

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