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Kultur: Plauderndes, sinnenfrohes Europa Der „Pariser Salon“ im Schloss Glienicke

Im Wein liegt Wahrheit – wie wahr. Er lockert die Sinne, die Zunge und den Verstand, fördert das spontane Kennenlernen.

Im Wein liegt Wahrheit – wie wahr. Er lockert die Sinne, die Zunge und den Verstand, fördert das spontane Kennenlernen. So geschehen bei jenen legendären Dienstagstreffen, zu denen der Dichter Stéphane Mallarmé seit 1878 die künstlerische Avantgarde von Paris in seine Wohnung in der Rue de Rome eingeladen hat. Man delektiert sich an den neuen Produkten der Dichter und Musiker, diskutiert darüber. Dieser Tradition folgend ist es auch ein Dienstag, an dem die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci im Gartensaal von Schloss Glienicke einen „Pariser Salon“ zu neuen Leben erwecken. Zur Begrüßung des erwartungsfrohen Publikums und zur Überbrückung der überlangen Saaleinlasswartezeit gibt es goldperlenden oder roséfarbenen Sekt, wird aus der Steh-Not eine angenehme Plauder-Tugend.

Das Programm präsentiert Musik für die Besetzung Violine (Victoria Gusachenko), Violoncello (Klaus Dieter Brandt), Harmonium (Christoph Lahme) und Klavier (Pascal Schweren), in der bei den Zusammenkünften einst musiziert worden ist. Die Musiker bilden das „Quatuor Beständig“, benannt nach dem Komponisten Otto Beständig (1835–1917), der diese zeittypische Salonmusikbesetzung sehr gemocht hat. Doch auch der österreichische Dirigent und Arrangeur Leopold Weninger (1879– 1940) hat ein Faible für dieses Genre. Von ihm stammt ein Großteil der Bearbeitungen von Orchesterwerken. Und so muss sich das Ohr an diese eigenwilligen Adaptionen gewöhnen, in denen etwa die „Raymond“-Ouvertüre von Ambroise Thomas, der Danse Macabre von Camille Saint-Saëns, Charles Gounods Grand Valse aus der Oper „Margarethe“ oder dessen „Glocken von Notre Dame“ erklingen. Was auch dadurch schwer fällt, weil die Geige vorlaut und scharfstimmig die Mitspieler fast ständig übertönt. Dagegen sorgt das inbrünstig gestrichene und sonor singende Cello für viel Gefühl. Klavier und Harmonium sind größtenteils fürs Bassfundament zuständig, können trotz redlichen Bemühens kaum romantisches Salonflair erzeugen. Und auch die Akustik des niedrigen Gartensaales sorgt dafür, dass die Musik viel zu laut erklingt.

Da hat es Potsdams Vorleser Klaus Büstrin viel leichter, mit seinen literarischen Zwischenzutaten das Publikum in Bann zu ziehen. Er steht in der Nische der zueinander im 90-Grad-Winkel aufgestellten Tasteninstrumente, also genau im akustischen Zentrum, und ist beidseitig vom Publikum umsessen. Abwechslungsreich ist seine Auswahl geraten. Vom salonistischen Ur-Hausherrn Mallarmé trägt er die liebessymbolistische „Erscheinung“ und „Die Heilige“ als Traum der Herzen sowie „Der Glöckner“ vor, weiß mit Wortgefühl die botanischen Gartenreminiszenzen des Jules Renard „Nach drei Jahren“ vorzutragen. Oder „Im Garten“ des Paul Verlaines die gegenseitigen Angebereien von Geräten und Gewächsen witzig auszubreiten. Zu Herzen gehend, mit sprachpoetischer Intensität weiß er das Altersweise der „Menuett“-Novelle des Guy de Maupassant zu vermitteln. Nach viel Beifall folgt die Einladung zu Fingerfood, einem Glas Wein und guten Gesprächen im Gartenkarree. Peter Buske

Peter Buske

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