zum Hauptinhalt
Pippa Goldschmidt, Autorin.

© Cultur Books

Pippa Goldschmidt liest in Potsdam: Fahrstuhl fahren mit Albert Einstein

Die in Schottland lebende Autorin Pippa Goldschmidt stellt ihren Erzählband "Von der Notwendigkeit, den Weltraum zu ordnen" auf dem Telegrafenberg vor.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Albert Einstein weiß nicht wohin mit sich. Das Familienleben strengt ihn an, von seiner Frau fühlt er sich entfremdet, der gelegentliche Sex mit der Nachbarin ist das Tageshighlight. Und dann ist da dieser seltsame Mensch, der den Aufzug bedient. Ein Babygesicht hat er. Eines, das Einstein an seine erste Tochter erinnert, welche er nie kennengelernt hat. Seine Gedanken kreisen um sie. Um das Was-wäre-wenn. Und irgendwann weiß er nicht mehr, was eigentlich real ist.

Diese Geschichte ist es auf jeden Fall nicht. Sie ist eine Erfindung von Schriftstellerin Pippa Goldschmidt. Eine Kurzgeschichte mit dem Titel „Freier Fall“, die eine von 17 Texten in ihrem Erzählsammelband „Von der Notwendigkeit, den Weltraum zu ordnen“ (englisches Original „The Need For Better Regulation Of Outer Space“) ist. Am morgigen Dienstag stellt sie die erstmals auf deutsch erschienenen Geschichten im Café Freundlich auf dem Telegrafenberg vor. Ursprünglich sollte die Lesung in der Buchhandlung Viktoriagarten stattfinden, welche die Lesung organisiert. Doch Goldschmidts Texte verlangen geradezu danach, dort gelesen zu werden, wo Potsdams Wissenschaftler angesiedelt sind. Nicht nur, weil dort oben der Einsteinturm steht, der zwischen 1919 und 1924 sogar in Zusammenarbeit mit dem Namensgeber entstand. Sondern vor allem deshalb, weil die Wissenschaft immer eine Protagonistin in ihren Erzählungen ist.

Goldschmidt ist promovierte Astronomin

Goldschmidt ist selbst promovierte Astronomin und hat mehrere Jahre im Londoner Imperial College gearbeitet. In der englischen Hauptstadt ist sie aufgewachsen, heute lebt sie in Edinburgh. Ihre Texte sind unter anderem in der New York Times erschienen, ihr erster Roman „Weiter als der Himmel“ war für den Dundee International Book Prize nominiert. „Von der Notwendigkeit, den Weltraum zu ordnen“ stand auf der Longlist des Frank O’Connor International Short Story Award.

Nicht immer sind es berühmte Namen, wie Einstein, Turing oder Oppenheimer, die sie in dem Erzählband in den Mittelpunkt stellt. Oft schreibt sie über namenlose Wissenschaftler oder ambitionierte Studenten. Was sie von den bekannten Namen unterscheidet? Rein gar nichts. Goldschmidts Protagonisten sind allesamt Menschen, die mit ihren Emotionen, mit ihrem Alltag zu kämpfen haben. Dem jungen Oppenheimer fällt es als Student genauso schwer sozialen Anschluss zu finden, wie einer namenlosen Frau in ihrem Büroalltag. Alan Turing muss ähnlich um seine Gleichberechtigung kämpfen, wie eine junge Wissenschaftlerin, die den Kurs eines Meteoriten berechnet hat. Außenseiter sind es, die im Mittelpunkt der Erzählungen stehen. Einzelgänger, die sich häufig hinter ihren Formeln oder Reagenzgläsern verstecken und leise für ihre Stimme kämpfen. Komisch sind sie dabei, verzweifelt, traurig oder verbittert. Aber niemals verbissen.

Originalgetreue Übersetzung

Goldschmidt schreibt über sie in einer unverschnörkelten Sprache, in verdichteten kurzen Sätzen. Der erste Text des Bandes, „Einführung in die Relativitätstheorie“ erzählt von einer Studentin, die ihren Professor verführt. Goldschmidt beschreibt die Affäre wie eine Experimentenfolge. Nach Wochen unterteilt, fast statisch. Trotzdem ist der Text hocherotisch, was an den feinen Nuancen Goldschmidts liegt, an den Bildern, die sie nur grob skizziert.

Krimiautorin Zoë Beck, die „Von der Notwendigkeit, den Weltraum zu ordnen“ ins Deutsche übersetzt und auch verlegt hat, schafft es diese Bilder sowie den gesamten Ton zu übertragen. Sätze wie „Du weißt schon, wie schnell sie auf bestimmte Kräfte reagiert, wie beispielsweise die Nähe einer Hand oder das Aufknöpfen einer Bluse.“ sind nahe an dem Original, klingen aber als wären sie nie in einer anderen Sprache erdacht worden.

So oder so möchte man sich kaum von ihr lösen. Nicht von den schönen Sätzen, noch von den verschrobenen Figuren, mit denen man – trotzdem nur kurz getroffen – noch unendlich lange Fahrstuhl fahren möchte. 

>>Lesung mit Pippa Goldschmidt und Zoë Beck, morgen am 10. April um 19.30 Uhr im Café Freundlich auf dem Telegrafenberg. Karten kosten sieben Euro

— Pippa Goldschmidt,Von der Notwendigkeit, den Weltraum zu ordnen, CulturBooks, März 2018. 224 Seiten. 20,00 Euro, eBook: 12,99 Euro.

Zur Startseite