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Neu in der Sammlung von „fluxus+“. Sebastian Heiners Gemäldelandschaft „Sound in the morning“.

© Manfred Thomas

Kultur: Palast in den Wolken

Neue Werke in der Sammlung des Museums „fluxus+“

„Wir bauen das Museum nicht vollständig um“, sagt Andrea Podzun vom Museum „fluxus+“ in Potsdam fest. Aber es sind einige neue Museumsstücke hinzugekommen, die würden nun in die bestehende Sammlung integriert: „Da haben wir einiges zusammengerückt.“ Sie zeigt auf ein Objekt von Mary Bauermeister. „Verteidige deine Freiheit nicht mit vergifteten Pilzen“, warnt die Künstlerin mit dem so betitelten Objekt. Zu sehen ist ein weißer Kasten mit einem fantasievollen Arrangement aus runden Glasscheiben, Zeichnungen und allerlei undefinierbaren weißen Objekten. Darüber hängt eine Zeichnung mit einem wimmelnden Durcheinander von Schriftzeichen, fragmentierten Noten und sonderbaren Hieroglyphen. Das Blatt schließt eine Assoziation an den fruchtbaren Unterboden einer munter blühenden Pilzkolonie jedenfalls nicht aus.

Das Atelier der 1934 in Frankfurt geborenen Mary Bauermeister sei in den 60er-Jahren der Dreh- und Angelpunkt einer fröhlich kommunizierenden weltweiten Künstlerfamilie gewesen, erklärt der Beipackzettel an der Wand. Zum Freundeskreis gehörten so illustre Teilnehmer wie Christo und John Cage. Bauermeister war mit dem Musiker Karl Heinz Stockhausen verheiratet und nach eigenen Angaben mathematisch hoch begabt. Zur Kunst fand sie über Kurse an der Hochschule für Kunst und Gestaltung bei einer ehemaligen Schülerin Paul Klees. Die trockene Welt der Wissenschaft habe sie eher abgestoßen, sie wolle ihr Leben der Fantasie und dem freien Gedankenflug widmen, meinte die Tochter des Anthropologieprofessors Wolf Bauermeister und der Sängerin Laura Bauermeister. Das Museum präsentiert eine ganze Reihe von Zeichnungen der Grafikerin. „No fighting on Christmas“ ist der Titel einer Serie, die Christus mal mit Brüsten, mal auf einem Traktor durch die Lande rasend zeigt.

Weitere Objekte sind zur Ausstellung hinzu gekommen. „Put finger in“ fordert ein kleiner runder Holzkasten des 1931 geborenen Japaners Ay-O. Was passiert, wenn der Besucher der Aufforderung nachkommt, ist nicht unmittelbar erkennbar. Das Objekt ist eine Leihgabe der Künstlerin Ann Noel, die ihrerseits wiederum die Ehefrau des verstorbenen Fluxus-Künstlers Emmett Williams und selber eine Fluxus-Künstlerin ist.

Alles fließt, alles ist immer in Bewegung, Statik und Konstanz sind eine Illusion. Alles löst sich auf angesichts steter Veränderung und Bewegung in Kommunikationsstrukturen, persönlicher Beziehungen und einer Künstlerschaft, die nicht erst seit der Globalisierung über den gesamten Erdball nomadisiert. Das war das künstlerische Kredo der Fluxus Bewegung. Im Hinblick darauf ist die auratisierende, museale Aufbereitung der Objekte der Fluxus-Bewegung ein Widerspruch in sich. Nichtsdestotrotz aber nährt auch den Fluxus-Künstler nicht die Kunst, sondern das Schnitzel. Dementsprechend begrüßten so experimentierfreudige Nahrungsmittelverwerter wie Daniel Spoerri oder Dieter Roth die Mumifizierung ihrer aus Schokolade, Zucker, Gummibären und anderen Materialien bestehenden Objekte im Museum. Was freilich für Konservatoren keine reine Freude ist.

Die meisten Fluxus-Künstler schufen jedoch auch konventionelle Werke wie Tafelbilder. Im Obergeschoss des Museums findet sich eine ganze Reihe recht schöner Bilder von Wolf Vostell. Der Berliner Künstler hatte, abseits seiner Installationen mit Schwarz-weiß-Fotos und einbetonierter Cadillacs, durchaus ein Gefühl für Bildaufbau und Wirkung in der Malerei. Die Neuerwerbungen und neu eingefügten Leihgaben bewegen sich im Rahmen ordentlicher musealer Präsentation. Auf einem farbenfrohen Bild von Ay-O mit dem Titel „Rainbow Hokussai“ verknäulen sich zwei Figuren im innigen Liebesspiel, wobei Einsteins Relativitätsformel zitiert wird. Eine Installation mit gravierter runder Stahlplatte und Videokamera als Teil eines Videospiels liefert dagegen der 1961 geborene Italiener Costantino Ciervo. Sebastian Heiners 2013 entstandenes Ölbild liefert „sounds in the morning“. Die Farbklänge sind nach Angaben der Kuratorin aus Thailand, wo der Künstler sich gerne aufhält und arbeitet, nach Berlin geschwebt. Ebenso wie bei dem Bild „palace in the clouds“ aus dem Jahr 2008 mischen sich bunte Farben in einem pulsierenden Farbstrudel. Eine Leihgabe sind die kleinformatigen Bilder von Lutz Friedel aus der Serie „et in arcadio ego,“ die sich um den Tod, den Totentanz und alles dreht, was mit der morbiden Thematik korrespondiert. Mit der Leihgabe ergänzt der Initiator des Museums, Heinrich Liman, die in der Sammlung schon vorhandenen Werke. Die sensiblen Farbklänge und das immer wieder von Friedel aufs Neue intelligent variierte Thema fasziniert auf den ersten Blick. Damit erreicht die Präsentation des Museums eine Spannbreite, wie sie nur in einem privaten Ausstellungshaus denkbar ist. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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