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"Eines Nachts" von der Oxymoron Dance Company, die Jubiläumsinszenierung zu 30 Jahren Waschhaus von Anja Kozik.

© Marcus Bertuzzo

Oxymoron Dance Company begeht 30. Jubiläum: Bei sich selbst bleiben, auf andere zugehen

Die am Waschhaus angedockte Oxymoron Dance Company feiert Geburtstag: Mit einem Motto von Ernst Bloch und überbordenden Bilderwelten in Anja Koziks Inszenierung „Eines Nachts“.

Potsdam - Ein erfrischendes Lüftchen über dem Tiefen See, ein orangeroter Vollmond und kühle Drinks in Liegestühlen: Auch bei der Premiere von „Eines Nachts“ fühlte es sich sommerleicht und eher vergnüglich an, auf der Seebühne hinter dem Hans Otto Theater zu sitzen. Die von Anja Kozik gegründete Kompanie feierte 30. Jubiläum - ebenso wie das Waschhaus, das seine Geburtstagsfeierlichkeiten in diesem Jahr über einige Monate streckt.

Doch die Premiere von „Eines Nachts“ der Oxymoron Dance Company unter der Regie von Anja Kozik ist alles andere als leicht verdauliches Sommertheater. Das fängt schon damit an, dass fragmentarische Bild- und Textfluten von Cecile Wesolowski ohne Unterlass über die weiße rückwärtige Leinwand zu rauschen beginnen, kaum dass die fünf jungen Tänzer:innen die leere Bühne betreten haben. Überbordende Bilderwelten.

Meer, Raumschiff-Wrack, Altarraum

Immer wieder Meer, ein Raumschiff-Wrack, der Altarraum einer Kirche, griechische und italienische Buchstaben und Wortketten, ununterbrochen und unverständlich. Die Tänzer:innen verschwinden beinahe hinter diesen Projektionen, Sinnzusammenhänge zwischen den Worten und Bildern herzustellen oder auch die Tänzer:innen nur zu verorten ist kaum möglich.

Handelt es sich hier um eine Gruppe Geflüchteter, gestrandet auf griechischen Inseln? Oder einfach um junge Leute, die wie wir alle tagtäglich mit einer Unmenge an Informationen zugeballert werden und die Durchsicht verloren haben?

Die Stimmung, zu der auch die Musik vom Künstlerkollektiv um Modem&Acoid beiträgt, ist bedrückend. Mal chaotisch, beinahe alptraumhaft. Plötzlich ändert sich die Perspektive – man erhascht aus einem Flugzeug einen Blick auf eine der (Ferien-)Inseln. Die rückwärtige Leinwand fällt auf den Boden und jetzt stehen die Tänzer:innen auf Potsdam schönster Freilichtbühne fast nur im Licht des sich im See spiegelnden Mondes.

Brinkmann und Lessing verjagen die Idylle

Und als wäre das zu viel „Idylle“, flackern sofort drei kleinere Bildschirme am Vorderrand der Bühne auf und dem mittleren werden Texte des avantgardistischen Lyrikers Rolf Dieter Brinkmann zitiert: „Erfasst ein Stil das Leben westwärts?“ Oder auch Lessings Zitat „Ja, auch hier sind Götter …“

Anja Kozik gründete vor 30 Jahren die Oxymoron Dance Company am Waschhaus.
Anja Kozik gründete vor 30 Jahren die Oxymoron Dance Company am Waschhaus.

© Andreas Klaer

„Just a Revolution“ ist Anja Koziks Jahresmotto für das Jubiläumsjahr 2022. Sie hat sich im Zuge dessen mit Texten von Ernst Bloch beschäftigt, dem, wie sie sagt, Tagträume sehr wichtig waren. In „Eines Nachts“ sind diese durch die Reizüberflutung und die Bild- und Text-Komplexität lange nicht möglich. Und auch das Spüren der Energien des Anderen und das in Resonanz-Gehen – für Tänzer:innen essentiell – nicht machbar.

Eine Vision für Europa

Eine Klasse-Idee dieser Inszenierung ist der Umgang mit der auf den Boden gefallenen weißen Projektionsgaze. Die jungen Tänzer:innen, mit denen Anja Kozik zum ersten Mal zusammenarbeitete, nehmen sie immer wieder auf. Mal ist sie Behausung, dann wieder fragmentierte Projektionsfläche, auch Labyrinth und schließlich Fahne, die ihnen voranweht.

Und diese Fahne macht die Vision, um die es hier geht, eindeutig fühl- und sichtbar: bei sich selbst sein/bleiben und auf den anderen zugehen. Xenia Argyri, James Becker, Alessia D’Isanto, Joshua Nsubuga und Veronica Lillo “erkennen” das am Ende und beginnen erst jetzt als Gruppe zusammenzuwachsen. Und man kann dies auch als Idee für die Europäer – vertreten durch die griechische, italienische, französische Sprache – lesen, die in den gegenwärtigen und bevorstehenden Krisen wahrhaftig zusammenwachsen müssten.

Nächste Vorstellung am 19. August um 22 Uhr auf der Seebühne des Hans Otto Theaters

Astrid Priebs-Tröger

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