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Orgelsommer in Potsdam: Nachrichten aus dem Weltall

Der polnisch-französische Organist Karol Mossakowski begeisterte bei seinem Konzert mit modernen Improvisationen - das Publikum durfte sich Stücke wünschen.

Potsdam - Wünsch dir was! Wie schön. Bloß was? „Wenn ich mir was wünschen dürfte, käm’ ich in Verlegenheit“, sang einst schon Marlene Dietrich. Wenig ratlos zeigte sich dagegen das Publikum am Mittwoch auch beim zweiten Orgelsommer-Konzert in der Erlöserkirche, als es zum Schluss die Möglichkeit erhielt, das Saisonthema „Improvisation“ mit eigenen Wunschvorstellungen zu bereichern. Auf einem Mininotenblatt konnte man dem polnisch-französischen 28-jährigen Organisten Karol Mossakowski seinen Lieblingstitel oder ein notennotiertes Thema mitteilen. Der Künstler entschied sich für ein interessantes Notennotat und die Stücke „We are the champions“, „God save the Queen“ und die „Marseillaise“. Originell verzahnte er die Offerten, ließ seinem improvisatorischen Können (nicht ohne Grund hatte er vor zwei Jahren den renommierten Grand Prix de Chartres gewonnen) freie Bahn. Nicht nur die „Auftraggeber“ waren begeistert. Hatten sie doch dem Abendthema „Europäische Vielfalt“ – bewusst oder ungewollt – entsprochen.

Und auch Karol Mossakowski mischte sein Programm immer wieder mit eigenen Improvisationen auf. Doch zunächst spielte er auf der klangbrillanten Schuke-Orgel die E-Dur-Toccata BWV 566 von Johann Sebastian Bach. Ein Jugendwerk, 1707 in Arnstadt entstanden, auf eindrucksvolle Prachtentfaltung angelegt. Für den rauschhaften Beginn im vollen Orgelwerk griff er unbekümmert in die Tasten und führte das obligatorische Pedalsolo virtuos vor. Die Diskantstimmen rauschten glanzvoll durch den Raum, das Fugenthema wirkte wie gemeißelt, der 16-füßige Subbass sorgte für die entsprechende Tiefenwirkung. Gedecktere Farben gaben dem lustvollen, geradezu fröhlich und natürlich fließenden Spiel eine ganz besondere Note – ein Klangstrahlen, das den Raum zu erhellen und mit dem durch die Seitenfenster einfallenden Sonnenstrahlen zu wetteifern schien.

Diesem opulenten, faszinierenden Klangrausch folgte die erste von vier Improvisationen des Organisten, die von einem höhenschwebenden Ton als insistierender Klangfläche bestimmt wurde. Unter ihr breiteten sich getragene Mittelstimmen aus, vielgestaltig und vielfarbig registriert. Dramatisches Blubbern im Pedal, unruhig und schneller werdend, sorgte für eine leidenschaftliche Zuspitzung, die schließlich langsam verklang. Dann folgte Girolamo Frescobaldis seelenerbauliche „Toccata IV per l’Elevazione“ mit vollem Einsatz des Schwellwerks. Das bürgte für einen vibratoreichen, aber dennoch strukturerhellenden Vortrag voller schlichter Eindringlichkeit.

Diesen Empfindungsreichtum nahm der Organist für seine Improvisation II auf, um mit Klängen zu überraschen, die von einem Tongenerator erzeugt schienen und durch ihr rhythmisches Pulsieren in extremer Höhenlage Nachrichten aus den Weiten des Weltalls überbringen wollten. Im Kontrast dazu stand Johannes Brahms’ majestätisches, im vollen Orgelwerk erklingendes Präludium und Fuge g-Moll – ein eingedunkeltes Leidenschaftspaket voller kräftiger Bässe und schneidender Prinzipalstimmen. Das wiederum wurde konterkariert von besinnlichen, filigranen, weichgetönten und fantasievoll eingesetzten Registern à la romantique in Mossakowskis Improvisation III. Und der folgte mit der (notierten) Improvisation über die gregorianische Melodie „Victimae pascali laudes“ von Charles Tournemire der erneute Kontrast: hell, akkordisch kompakt, signalartig durchdringend und sieghaft. Ein spannender Abend! 

Peter Buske

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