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Oratorienchor sang Bachs Johannespassion: Auf den Leidensweg mitgenommen

Johann Sebastian Bachs „Johannespassion“ gehört zum eisernen Bestand der Musik in der Passionszeit, doch nicht jede Aufführung erfüllt die Maßstäbe an eine partiturgerechte Wiedergabe. Die bestürzende Konsequenz, mit der diese Passionsgeschichte abläuft, kam am Samstagabend in der Friedenskirche aus der zwingenden Kraft der Interpretation.

Johann Sebastian Bachs „Johannespassion“ gehört zum eisernen Bestand der Musik in der Passionszeit, doch nicht jede Aufführung erfüllt die Maßstäbe an eine partiturgerechte Wiedergabe. Die bestürzende Konsequenz, mit der diese Passionsgeschichte abläuft, kam am Samstagabend in der Friedenskirche aus der zwingenden Kraft der Interpretation. Mit den ersten Takten des Eingangschores hatte Tobias Scheetz mit dem Oratorienchor und der Kammerakademie Potsdam einen Zugang zu diesem Werk gefunden, der die Passion schmerzlich zum Klingen brachte,

Das Klageduett von Flöten und Oboen, das rhythmisch verquer zur Grundbewegung „Herr uns Herrscher“ liegt, hörte man scharf und unter Ausspielung aller dissonanten Verschränkungen, die Bach komponiert hat. Man kann sich vorstellen, dass dieses erste größere Werk, das Bach 1723 zu Beginn seines Thomaskantorats vorstellte, bei vielen Leipzigern wegen seiner musikalischen Kühnheit Befremden hervorgerufen hat. Es ist eine Musik, die den Hörer sehr direkt anspricht und ihn in ihrer unmittelbaren Dramatik auf den Leidensweg Jesu mitnimmt und mitreißt.

Der von Tobias Scheetz bis zum Herbst 2016 interimistisch geleitete Oratorienchor Potsdam hat gemeinsam mit der Kammerakademie sowie den Gesangssolisten die rund 500 Zuhörer auf den Kreuzweg Jesu in bewegender Weise mitgenommen. Der Oratorienchor als einer der Hauptakteure des Passionsdramas trat als ausgezeichnet disponiertes Ensemble in Erscheinung: ausgeglichen in den Registern und plastisch deklamierend. Die entfesselten Turbachöre bekamen vor allem im zweiten Teil, in der die Aufführung richtig in Fahrt kam, klangliche Bandbreite. Die gewählten Tempi folgten souverän dem Geschehen. Scheetz ließ die Choräle nicht als eine andachtsvolle Gemeindeversammlung singen, sondern als Anteil nehmende, kommentierende Momentaufnahmen.

Tenor Wolfgang Klose als Evangelist lotete das Potenzial seiner Rolle aus und führte mit feinen stimmlichen Qualitäten als passionierter Erzähler durch die dramatische Handlung. Mit den überaus schwierigen Tenor-Arien hatte er seine Probleme. Christopher Jung vermittelte den Eindruck eines allzu abgeklärten Christus, der weiß, was ihm bevorsteht und sich nicht dagegen sträubt. Seine sängerische Darstellung blieb blass.

Robert Elibay-Hartog, Bariton, füllte wie von selbst den Raum der Friedenskirche, genau wie es sich für Pilatus als Vertreter einer Weltmacht scheinbar angemessen ist. Auch den Facetten der Arien war der junge Sänger bestens gewachsen. Marlene Lichtenberg konnte mit ihren Arien durch die wunderbare Wärme ihres Mezzosoprans und vor allem durch die ausdrucksstarke Klarheit überzeugen. Dagegen litt die Sopranpartie durch die stimmliche Anstrengung von Johanna Krumin.

Der Instrumentalpart war bei der Kammerakademie Potsdam bestens aufgehoben. Als Kontinuum der Interpretation war sie dem Oratorienchor sowie den Gesangssolisten aufmerksam-inspirierender Partner. Wie selbstverständlich atmete das Orchester mit. Die Instrumentalisten agierten präzis, vom klangvollen Basso continuo über die Holzbläser, Bratschen bis zur ersten Violine. Sämtliche obligaten Beiträge gelangen exzellent, die instrumentale Artikulation erwies sich als erfreulich sprachmotiviert.

Nachdem der letzte Ton des Chorals „Ach Herr, lass dein lieb Engelein“ verklungen war: lange Zeit Stille, einfach Stille, Glockengeläut, ruhiges Abtreten der Mitwirkenden, doch leider kein ruhiges Aufbrechen der Zuhörer. Viele von ihnen ignorierten die im Programmheft geäußerte Bitte des Oratorienchores, die Aufführung ohne Beifall ausklingen zu lassen. 

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