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Oratorienchor Potsdam: Göttliches Sechstagewerk umjubelt

Oratorienchor Potsdam singt Haydns „Schöpfung“. Eine fulminant ausgespielte Lichtwerdung.

Die einen schwören auf den Urknall, die anderen auf die biblische Genesis. Doch woher die Schöpfung tatsächlich kam, weiß keiner so recht zu ergründen. War es laut taoistischem Mythos das große Weltenei, in dem das Chaos wohnte und mit dem alles begann? Auch in Joseph Haydns oratorischer Deutungsvariante „Die Schöpfung“ fängt alles damit an. Mit der Aufführung dieses Wunderwerks an feinsinnigen Gedanken und tonmalerischen Eingebungen über die Erschaffung der Welt und ihrer fliegenden, kriechenden, schwimmenden und aufrecht gehenden Bewohner hat sich Tobias Scheetz am Samstag in der überfüllten Friedenskirche von seinem hier kommissarisch ausgeübten kirchenmusikalischen Amt verabschiedet.

Seine zielstrebige und umsichtige Leitung verweigert sich nicht den charmant-naiven Intentionen des Komponisten, lässt sie jedoch mit dem rational-aufklärerischen Geist heutiger Zeit korrespondieren. Was dazu führt, dass er im dritten Teil die Rezitative des Erzengels Uriel („Aus Rosenwolken bricht“) und des Paares Adam/Eva („Nun ist die erste Pflicht erfüllt“) gestrichen hat. Und auch bei der orchestralen Vorstellung des Chaos bleibt nichts dem Zufall überlassen. Detailgenau mit nicht nachlassender Intensität, klangklar, frisch und zügig sind Mitglieder des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt bei der Sache. Sie dürfen sich auch fortan der impulsgebenden Hinwendung des Dirigenten erfreuen, wofür sie sich mit flexiblem, plastischem Musizieren revanchieren.

Was sich im Geiste Gottes geheimnisvoll zusammenballt, entlädt sich als fulminant ausgespielte und gesungene Lichtwerdung. Strahlend und stimmprächtig wird sie vom Oratorienchor Potsdam herausgeschleudert. Wie er danach die Ergebnisse der göttlichen Sechstagestaten warm getönt, intonationssicher und präzise anstimmt, ist jedoch fast durchweg ein überschwängliches, meist textunverständliches Lobpreisen des Schöpfers. Genüsslich kosten dagegen die Musiker und das Solistenterzett gemeinsam die floralen und tierischen Tonmalereien aus, modellieren plastisch und (stimmlich nicht immer) glanzvoll die diversen Naturereignisse. Dabei überbieten sich die Holzbläser an kantablen Zutaten, während das Blech kräftig, aber nie vorlaut mitmischt. Strahlend geht da die Sonne auf. Stimmungsvoll gleitet mit sanftem Schimmer der Mond durch die Nacht.

Vom Fortgang der Welterschaffung erzählen die drei erzengelischen Tagesberichterstatter. Zunächst reportiert der baritonlyrische Andreas Heinze als Raphael den Urzustand: kultiviert, tempobreit und höhensicher. Leider fehlt es ihm in den Arien an bassigem Fundament, während er als Adam stimmlich weit besser überzeugt. Ebenso Sopranistin Cornelia Zink (Gabriel/Eva), die bei ihrem kraftvollen Gesang ein wenig das Lyrische zu vergessen scheint. Noten sauber zu treffen, bedeutet nicht automatisch, sie auch sinnreich gestalten zu können. Opernnah, geschmeidig und höhensicher nimmt sich Tenorlyriker Dirk Kleinke der Partie des Uriel an. Dem Wunderwerk der Schöpfung danken schließlich Ovationen. Peter Buske

Peter Buske

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