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Sehr persönlich. Der Singer-Songwriter Gisbert zu Knyphausen beschreibt in seinen Liedern alltägliche Situationen, die einem nahegehen. Mittwochabend brachte er die Potsdamer Waschhausarena zum Schlucken und Tanzen.

© Peter Kneffel/dpa

Kultur: Ohne Umschweife

Gisbert zu Knyphausen berührt und entschleunigt im Waschhauskonzert

Von Helena Davenport

Leuchtende Pilze, Nebelschwaden, im Hintergrund saftig-grünes Farnkraut – wie die Lichtung in einem dunklen Wald erscheint am Mittwochabend die Bühne der Waschhaus Arena. Fast schon in mystischer Stimmung beginnt das Konzert von Gisbert zu Knyphausen, dem Singer-Songwriter aus dem hessischen Rheingau, von dem so lange nichts zu hören war. Nun das zweite Konzert seiner aktuellen Tour zu seinem jüngsten Album „Das Licht dieser Welt“, das im Herbst vergangenen Jahres erschien.

Sanft, fast vorsichtig begrüßt Knyp hausen sein Publikum mit einem ruhigen Stück zu Anfang. Nach dem zweiten Song dreht die Band dann richtig auf: Tim Lorenz am Schlagzeug, Martin Wenk mit Trompete, Michael Flury mit Posaune, Jean-Michel Tourette mit Gitarre und am Keyboard und Florian Eilers am Bass. Die Atmosphäre wandelt sich, die Pilze – eigentlich in Lampen verwandelte Klangbecken – scheinen regelrecht zu glühen. „Ganz schön warm hier“, sagt Knyphausen in sympathischem Nuschelton und vergleicht das Konzert mit einem Auftritt im Neuköllner Heimathafen. Damals sei die Belüftungsanlage ausgefallen und er habe lange Hosen angehabt, erzählt der 39-jährige Sänger. Die Konsequenz: Von nun an trägt er kurze Hosen. „Heute scheiß’ ich auf jeglichen Stil!“, sagt er trocken ins Mikro – und hat damit sofort das ganze Publikum auf seiner Seite. Nur eine Sekunde später sitzt er schon am Keyboard. Das Spotlight ist nur auf ihn gerichtet, für ein Lied, das ganz besonders berührt: „Sonnige Grüße aus Khao Lak, Thailand“. Hier singt Knyphausen über einen, der „weder aufsteht noch fällt“ und die schnelllebige Stadt draußen, „die schreit wie im Rausch“, aber nicht nach ihm, für den sie keinen Platz mehr hat. Und dann liest dieser Jemand in seiner Einsamkeit noch einmal die Karte von seiner Tochter, die gerade Urlaub macht und ihm schreibt: „Wir sehen uns dann ja spätestens Weihnachten!“. Kaum einer im Waschhaus kann da noch schunkeln, das Schlucken war fast hörbar.

Knyphausens Texte kommen mit wenigen Worten aus und dennoch dringen sie tief in einen ein. Sie verflüchtigen sich nicht, sondern bleiben hängen. Fast poetisch beschreibt er alltägliche Situationen, aber eben nicht schwülstig, und auch nicht abgebrüht. Stattdessen schafft es Knyphausen, dass man schmunzeln muss. Auch weil die Bilder, die er entwirft, so phantasievoll sind – wie etwa das der Raufasertapete, die einen anzuschreien beginnt. Und vielleicht auch deswegen, weil man sich des Öfteren ertappt fühlt. Das „Ich“ kommt in seinen neueren Liedern fast gar nicht mehr vor. Viel mehr beobachtet er, verallgemeinert aber niemals.

An seinem neuen Album hat der Liedermacher fast zwei Jahre lang gearbeitet. Der Titelsong stammt noch aus seiner Zeit mit dem Hamburger Künstler Nils Koppruch. Beide hatten eine kurze Zeit lang eine gemeinsame Band, bis Koppruch verstarb. Im Titelsong fragt der Protagonist: „Kennst du das auch? Man blickt in den Spiegel und denkt, man müsste so vieles sein und es dauert lang bis man lernt, ein Niemand zu sein.“ Im Videoclip gleitet ein fliegendes Boot mithilfe eines Ballons über das Meer, vorbei an Wolken und menschenleeren Inseln. Vögel werden aufgescheucht und fliegen aus dem oberen Bildrand – aber das Boot gleitet beständig weiter, wenngleich durch eine fremde Sphäre.

Auf der Wand hinter der Arenabühne war am Mittwoch der gleiche zart gestaltete Hintergrund samt Vögeln und Pflanzen zu sehen. Das zweite Lied, das Knyphausen aus der Zeit mit Koppruch mit auf sein neues Album genommen hat, ist weniger melancholisch, der Beat schneller. Beim Refrain „Etwas Besseres als den Tod finden wir überall“, der an die Bremer Stadtmusikanten erinnert, singt Knyphausen mit lauter Stimme zusammen mit den Bläsern. „Heute suchen wir uns nur das Beste aus und gründen eine Band“, geht es weiter. Trotz der angestauten Hitze tanzt die gesamte Arena mit. Später schreit Knyphausen aus seinem Zauberwald hinaus die Zeile aus einem älteren Song: „Wir haben noch so viel zu erleben!“

Nach einem bebenden Applaus gibt es dann noch nette Worte an Potsdam: „Es macht Spaß, für euch zu spielen.“ Und wenig später appelliert der Sänger an die Liebe und an „ein bisschen Mitmenschlichkeit“. Knyphausen spricht die Dinge ohne Umschweife an und seine Musik entschleunigt.

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